Alltagstechnologie

Der Wille der Verbraucher ist Gesetz

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Seit vielen Jahren wird der Markt überschwemmt von neuen Produkten, die uns den Alltag erleichtern sollen.
Die treibende Kraft dahinter ist die Verbrauchernachfrage

Die Faktoren, die modernes Produktdesign steuern, sind so unterschiedlich wie zahlreich. Die oft so schillernd dargestellte Persönlichkeit des enorm erfinderischen Produktdesigners mag sich durch die gesamte Geschichte ziehen, Tatsache ist jedoch, dass hinter diesem Einfallsreichtum in erster Linie die Forderung der Verbraucher nach Produktveränderungen steckt. Und das Tempo, mit dem die Verbrauchernachfrage die Produktentwicklung vorantreibt, wird im Allgemeinen von Faktoren diktiert, die tief in der Technologie verwurzelt sind.

Nehmen Sie zum Beispiel nur das Fahrrad. Heute rollen mehr als eine Milliarde Fahrräder über die Straßen, Wüstenwege und Schlammpfade dieser Welt. Vor 160 Jahren gab es kein einziges. Das erste pedalgetriebene Rad wurde 1840 von dem schottischen Schmied und Erfinder Kirkpatrick MacMillan gebaut.

Im letzten Jahr hatte ich das Vergnügen, eine Kopie des MacMillanschen Velozipeds an seinem ehemaligen Arbeitsplatz im Schloss Drumlanrig in Dumfriesshire zu fotografieren. Mir kam die Idee, diese alte Holz/Eisen-Konstruktion mit einem Mountainbike der 5.000-Dollar-Klasse mit vollgefedertem Karbonrahmen und Scheibenbremsen zu vergleichen. Dabei stellte ich fest, dass die beiden Fahrräder verblüffend vieles gemeinsam hatten. Wenn es eine Idealformel für ein Fahrrad gibt, kam MacMillan bei seinem ersten Versuch dieser sehr nahe.

Die heutigen vollgefederten Mountainbikes (Fullsuspension) stellen eine Errungenschaft dar, die das Ergebnis modernster Spitzentechnologie ist. Fullsuspension setzt sich mit rasendem Tempo durch und ist auf dem Weg, bei Mountainbikes zur Norm zu werden, sagt Paul Smith von der Fachzeitschrift Mountain Biking UK. „Ohne die Anwendung dieser Technik würde die Mountainbike-Industrie eine wesentliche Forderung des Marktes missachten.“ Das ist ein typisches Beispiel für nachfragebedingtes Produktdesign.

„Ein Fahrrad – das sind im Grunde sechs Komponenten an der richtigen Stelle“, so Smith. „Die Räder, die Achsen, der Sattel, die Tretkurbel und die Lenkstange. Korrekt zusammengesetzt wird daraus ein gut funktionierendes Fahrrad. Wie die fünf Komponenten miteinander verbunden werden, ist nur durch die Materialtechnik und bestimmte konstruktionstechnische Erfordernisse begrenzt.“

Das moderne Mountainbike ist eine einzigartige Mischung aus Eigenschaften, die verbraucherseitig verlangt und durch technisches Know-how verwirklicht wurden. Und da dieser Sport allein in den USA ein Volumen von einer Milliarde US-Dollar (1,16 Milliarden Euro) pro Jahr erzeugt, ist davon auszugehen, dass Innovationen in Technik und Design auch weiterhin eine führende Rolle bei der Entwicklung der Mountainbikes von morgen spielen werden. Kirkpatrick MacMillan wäre beeindruckt.

Moderne Arbeitsplätze

Eine ganz andere Rolle spielt die Technik bei Büromöbeln, einem weiteren Designbereich. Bei der Erfüllung der gestellten Designanforderungen ist die Technik nicht Mittel zum Zweck, sondern die treibende Kraft hinter gestalterischen Veränderungen bei Büromöbeln ist die Büromaschinentechnik.

„Den absolut größten Einfluss auf das Design der heutigen Büromöbel hat die ständige Veränderung der modernen elektronischen Büromaschinenausstattung“, sagt Nick Lyons. „Völlig passee sind die offenen Bürolandschaften der siebziger Jahre, die endlosen Schreibtischreihen und die gemeinschaftlich benutzten Schreibmaschinen. Das Büro von heute muss an die Bedürfnisse eines modernen Büroangestellten angepasst sein, was bedeutet, es muss Platz für Computer, Bildschirme und andere Peripheriegeräte sowie die notwendigen Voraussetzungen für die Verlegung von Kilometern von Kabeln unter dem Fußboden geben.“

„In den Unternehmen wächst der Etat für Informationstechnologie von Jahr zu Jahr“, stellt Lyons fest, der bei Georgeson Workplace, einem großen Fachhändler für Steelcase-Büromöbel, Vertriebsleiter für Schottland ist. „Da durch die technische Entwicklung alles kleiner wird, müssen die modernen Schreibtische mobiler und flexibler sein.“ Wenn in den achtziger Jahren das Schlagwort „Bausteinsystem“ war, ist es heute „integrierte Flexibilität“. In der Praxis äußert sich dies oft in Form von stationären „Kernarbeitsplätzen“ kombiniert mit anpassungsfähigen mobilen Einrichtungselementen, die je nach Bedarf und Situation platziert werden können.

Welche weiteren Faktoren beeinflussen das Büromöbeldesign? „Die Immobilienpreise“, antwortet Lyons. Nach den Personalkosten sind die Raumkosten oft der zweithöchste Posten der betrieblichen Aufwendungen, und da der Quadratmeterpreis für Büroräume in einem direkten Zusammenhang zu dem verfügbaren Platz steht, ist sein Einfluss auf die Designanforderungen bei Büromöbeln unvermeidlich.

Georgeson Workplace hat sich unter anderem auf die Gestaltung von so genannten „Call Centers“ spezialisiert. Gemeint sind damit Arbeitsplätze für Telefonmarketing. Von diesen Arbeitsplätzen wird immer wieder behauptet, ihre Arbeitsbedingungen glichen „Schwitzkästen“ oder „Legebatterien“. Viele Arbeitgeber haben sich das zu Herzen genommen, vor allem seit Forschungsergebnisse gezeigt haben, dass Büroangestellte das Arbeitsmilieu als drittwichtigsten Faktor einer neuen Arbeitsstelle ansehen (nach Gehalt und Lage der Firma).

Unternehmen schenken also Designern und Mitarbeitern durchaus Gehör. Ein warmes und behagliches Interieur in Pastellfarben liegt im Trend. Bei der Gestaltung von Büroräumen werden Ruhebereiche eingeplant, in denen das Personal Abstand vom Schreibtisch gewinnen, ein Erfrischungsgetränk zu sich nehmen und in bequemen, farblich ansprechenden Möbeln entspannen kann. All dies soll die Zufriedenheit am Arbeitsplatz erhöhen, die Produktivität steigern und – was aus unternehmerischer Sicht am wichtigsten ist – dazu beitragen, dass das Personal dem Unternehmen treu bleibt.

Frei von Allergenen

Das Fahrrad- und Büromöbeldesign entwickelt sich in völlig neue interessante Richtungen. Das gilt auch für einen anderen alltäglichen Gegenstand, den Staubsauger. In Großbritannien leiden 40 Prozent der Bevölkerung an Allergien. Viele davon sind auf die 6,6 Millionen Hunde und 7,7 Millionen Hauskatzen des Landes zurückzuführen. Kein Wunder also, dass die zuverlässige Beseitigung und Einschließung von Staubmilben und Allergenen zurzeit der entscheidende Faktor in der Staubsaugerkonstruktion ist. So zahlen zum Beispiel führende Staubsaugerhersteller in Großbritannien an die britische Allergiestiftung (British Allergy Foundation – BAF) 10.000 Britische Pfund (17.500 Euro) für jedes Modell, das auf Herz und Nieren getestet und hoffentlich von BAF genehmigt wird. Auf einem allergiebewussten Verbrauchermarkt hat ein BAF-Gütesiegel ein großes Gewicht.

„Wir arbeiten tatsächlich mit den Herstellern eng zusammen“, sagt die stellvertretende Vorsitzende von BAF, Carol Peek. Wie Peek erklärt, geht es bei den Tests nicht nur darum, wie effektiv der Staubsauger Allergene und Staubmilben aus Teppichen und Polstermöbeln entfernt. Genauso wichtig ist, dass er sie nicht wieder in die Raumluft zurückbläst. Ein weiterer bedeutender Punkt ist die sichere Entsorgung des Staubbeutelinhalts. Ein Staubsauger, der zwar Allergene äußerst wirksam aufnimmt, ist nur wenig wert, wenn er sie beim Entleeren des Staubsaugers dem Allergiker wieder entgegenschleudert.

Verbrauchererwartungen. Modetrends. Computertechnik. Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Und Staubmilben. All dies hat zwar wenig miteinander gemein, trägt aber dazu bei, die Produktentwicklung voranzutreiben.

Ron McMillan

Technikjournalist in Schottland

Fotos Andreas Lind

und Ron McMillan

 

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