Industrie

Ambitionen brauchen einen Coach

Executive Coaching erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Evolution befasst sich näher mit diesem Trend.

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Vor 20 Jahren hatte Executive Coaching eine negative Konnotation. Es war eine Art Strafe für mangelnde Führungskompetenz, die mürrischen Führungskräften auferlegt wurde.

Das hat sich grundlegend geändert. Marta Sibero, die seit vielen Jahren als Beraterin und Executive Coach außerhalb von New York tätig ist, meint, einen Coach in Anspruch zu nehmen, sei heutzutage ein Zeichen von Klugheit und Weitsicht, nicht nur in den USA, sondern weltweit.

Executive Coaching kam in den 1980er Jahren auf, als große Unternehmen begannen, Stellen abzubauen, ihre internen Fortbildungsprogramme zu kürzen und die Lösung ihrer Probleme externen Beratern anzuvertrauen. Coaching galt als Rezept, um die Mitarbeiter bei Laune zu halten, die Personalfluktuation zu reduzieren und gleichzeitig die Produktivität zu steigern.

Heute wählen Unternehmen Coaching zur Förderung von vielversprechenden Nachwuchskräften und um die Leistung ihrer Führungsriege auf Spitzenniveau zu halten, sagt Siberio. Laut einem 2009 veröffentlichten Bericht der Harvard Business Review zum Thema Coaching füllt diese Berufssparte eine Lücke zwischen Unternehmensberatung und Psychotherapie.  „Ich erteile keine Lektionen bei meinem Coaching“, erklärt Siberio. „Ich weiß, woran es den einzelnen Führungskräften fehlt, aber das verrate ich nicht am Anfang. Stattdessen versuche ich herauszufinden, ob die betreffenden Personen die Fähigkeiten bereits besitzen. Ich helfe ihnen dabei, die Antworten bei sich selbst zu finden und ihr Bewusstsein zu schärfen. Das klingt wie eine Therapie. Wenn es allerdings um persönliche Fragen geht, weiß ich sehr wohl, wo die Grenze verläuft.“

Die meisten Führungskräfte, die sich an Siberio wenden, lassen sich in drei Kategorien einteilen: Die erste Gruppe sind solche, die in einer Krise stecken. Dabei kann es sich um ernsthafte finanzielle Probleme oder um schwerwiegende Konflikte mit dem Vorstand handeln. „Sie fühlen sich wie viele Führungskräfte ziemlich allein“, meint Siberio. Die zweite Gruppe besteht aus Personen, die in eine neue Position aufgestiegen sind, oft knapp unter der höchsten Führungsebene,  und diese Chance optimal nutzen wollen. Und die dritte Kategorie sind überraschenderweise langjährige Manager, die das Gefühl haben, sie rennen gegen eine Wand, aber sie sind sich darüber im Klaren, dass sie selbst zu dieser Situation beitragen.

Siberio kennt aus eigener Erfahrung die Herausforderungen einer gehobenen Führungsposition. Sie war in leitender Stellung für eine Hilfsorganisation in Russland tätig und arbeitete als stellvertretende Leiterin der New Yorker Gesundheitsbehörde. Sie weiß, dass das Formulieren übergreifender Richtlinien eine sehr entmutigende Tätigkeit sein kann. „Genau an diesem Punkt scheitern viele, vor allem wenn sie auf den jeweiligen Posten befördert  wurden“, betont sie. „Sie wissen nicht, wie sie ihre Kompetenz in konkrete Entscheidungen umsetzen sollen.“

Als Coach kann sie ihnen helfen. „Ich kenne die unterschiedlichsten Führungsstile,  habe einen Einblick in eine Vielzahl von Unternehmen, bin mit der Literatur zu diesem Thema vertraut und kann beurteilen, welche wissenschaftlichen Ins­trumente für das jeweilige Kompetenzproblem am hilfreichsten sind.“

Executive Coaching ist ein globaler Trend, der sowohl in hochentwickelten Industrieländern als auch in Schwellenländern zu beobachten ist. Nach Schätzung einer 2012 durchgeführten Untersuchung der gemeinnützigen International Coach Federation gibt es mittlerweile weltweit über 47.000 professionelle Coachs, mit der höchsten Pro-Kopf-Anzahl  in Australien und Neuseeland. Unter den für diese Berufsgruppe neuen Märkten nimmt der Coaching-Trend am stärksten in Lateinamerika und im karibischen Raum zu. Unterdessen sind die Gesamteinnahmen aus Coaching-Aufträgen weltweit auf nahezu zwei Milliarden US-Dollar (1,6 Milliarden Euro) in die Höhe geschossen.

Obwohl sich die Wirkung von Coaching nur schwer belegen lässt und Studien darüber kaum vorliegen, existieren doch einige Daten. Die American Management Association führte 2011 bei 230 Unternehmen eine nationale Umfrage unter Führungskräften in gehobener und leitender Position durch, um herauszufinden, wie Unternehmen die erhaltenen Coaching-Leistungen einschätzen. „Wir bieten selbst solche Leistungen an und wollten uns ein Bild davon machen, wie der Wert des Executive Coaching aufgefasst wird“, sagt Sandi Edwards,  Senior Vice President des Geschäftsbereichs Enterprise, der Schulungs- und Beratungsleistungen für Unternehmen und staatliche Behörden bereitstellt.

Die zentrale Frage lautete: Wie würden Sie allgemein die Wirkung des Coaching in Ihrem Unternehmen einschätzen? Das Ergebnis: „sehr effizient” (26 Prozent), „ziemlich effizient“ (62 Prozent) und „ineffizient“ (zwölf Prozent).

Die derzeitige Coaching-Welle hat jedoch laut Edwards trotz aller Begeisterung das Mentoring noch nicht verdrängt. Die beiden Instrumente haben unterschiedliche Funktionen. Ein Mentor ist in der Regel eine Person, die im selben Unternehmen tätig ist und an die man sich vertrauensvoll und informell wenden kann, wenn man einen Rat benötigt. Ein Executive Coach dagegen kommt normalerweise von außen und bietet „einen neuen unverbrauchten Blick auf die Dinge.“

Hinzu kommt der zeitliche Aspekt. „Coaching hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende“, erklärt Edwards. „Mentoring kann ewig fortgeführt werden.“

Wie findet man einen guten Coach? Einige Unternehmen bevorzugen einen Coach, der nach einem bestimmten Programm zertifiziert ist. Edwards hält einen Titel oder ein Zertifikat nicht unbedingt für ausschlaggebend. Wichtiger sei, dass der Coach die Erfahrung und Kompetenz mitbringt, an der es einem selbst mangelt – zum Beispiel Führung im Asien-Pazifikraum – und dass er absolute Vertraulichkeit gewährleisten kann.

„Das wichtigste ist die richtige Wellenlänge“, meint Edwards.  „Der Funke muss schon beim ersten Treffen überspringen. Ist Übereinstimmung da, wird es vermutlich eine positive Erfahrung werden.“

Coaching funktioniert am besten mit klaren Zielen, Disziplin und genügend Zeit. „Ein Monat ist für eine Coaching-Leistung zu wenig“, betont sie. „Üblicherweise engagiert man einen Coach für sechs Monate. Für diesen Zeitraum sollte man zwei oder drei Teilziele festlegen. Wenn es darum geht, ein Verhaltensmuster zu ändern, dauert das seine Zeit.“

 

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