Eine Brücke für die Ewigkeit

Zu den großen architektonischen Leistungen Spaniens gehört die Puente Colgante (Hängebrücke) im Baskenland. Es ist ein Bauwerk mit Symbolcharakter. Die gigantische Stahlkonstruktion liegt bei Bilbao und überquert den Fluss Nervión

Ähnliche Inhalte

Zu den großen architektonischen Leistungen Spaniens gehört die Puente Colgante (Hängebrücke) im Baskenland. Es ist ein Bauwerk mit Symbolcharakter. Die gigantische Stahlkonstruktion liegt bei Bilbao und überquert den Fluss Nervión

Offiziell heißtdie Puente Colgante im Baskenland Biscaya-Brücke. Sie ist eine der ganz wenigen Hänge- oder Schwebefähren in der Welt, die heute noch in Betrieb sind. Die Brücke verbindet den geschäftigen Vorort Las Arenas mit dem hübschen alten Fischerort Portugalete und ist ein wichtiger Teil im alltäglichen Leben für Tausende von Menschen, die sie zu Fuß oder mit dem Auto überqueren. Die Puente Colgante ist ganzjährig rund um die Uhr in Betrieb.

Das Bauprinzip der Brücke ist einfach: Zwei Doppelpfeiler, die sich jeweils auf dem linken und rechten Flussufer gegenüberstehen, sind durch eine Stahlgitterkonstruktion miteinander verbunden. Darauf verlaufen Schienen, an denen insgesamt zwölf Elektromotoren angebracht sind. An den Elektromotoren hängen die Kabel, an denen die Transportbarke aufgehängt ist. Das System ist vergleichbar mit dem von Skiliften und Seilbahnen. Die Pfeiler, Querträger und Schienen wiederum werden von zahlreichen massiven Stahlseilen gehalten, die zu beiden Seiten des Flusses in Beton verankert sind.

Wie entstand die Brücke? Ein talentierter junger baskischer Architekt namens Alberto de Palacio y Elissagüe, der bereits den Kristallpalast in Madrid entworfen hatte, erhielt Ende der 1880er Jahre das Angebot, ein Projekt zu entwickeln, um die beiden Ufer des Nervión an dessen Mündung miteinander zu verbinden, ohne den Schiffsverkehr auf dem Fluss zu behindern. Palacio entschied sich für eine Brücke mit einer an Seilen herabhängenden beweglichen Transportplattform für Passagiere, hoch genug, um große Schiffe durchzulassen. Das Prinzip war bereits bekannt (ein amerikanischer Ingenieur hatte 1869 einen Entwurf für eine Hängefähre veröffentlicht), aber die Puente Colgante wäre die erste ihrer Art, die tatsächlich gebaut würde.

 

Palacio pflegte freundschaftlicheBeziehungen zu Gustave Eiffel und war ein großer Bewunderer von der Bautechnik und Ästhetik des Eiffelturms. Er beschloss, eine ähnliche Technik zu verwenden und arbeitete dabei mit einem ebenso brillanten jungen französischen Ingenieur, Ferdinand Arnodin, zusammen. Dieser wiederum nutzte die Technik bei seiner späteren Arbeit an Großbritanniens Newport Transporter Bridge. Es war auch Arnodin, der auf die Idee kam, die gesamte Brückenkonstruktion mit einem System aus massiven, in Betonblöcken eingegossenen Stahlseilen zu beiden Seiten des Flusses zu stabilisieren. Der Bau begann 1890, und 1893 wurde die Brücke in Betrieb genommen. Dem damaligen Gesellschaftssystem entsprechend waren die Sitzplätze der Transportbarke in zwei Klassen unterteilt. Die erste Klasse war überdacht, während sich die zweite Klasse im offenen Mittelteil befand, wo auch Vieh, Waren und Kutschen befördert wurden.

Die Brücke hat eine sehr bewegte Geschichte hinter sich. Im Spanischen Bürgerkrieg erlitt sie kleinere Bombenschäden. 1937 wurde sie von den Republikanern gesprengt. Der Querträger fiel in den Fluss, und die beiden Doppelpfeiler wurden stark beschädigt. Ironischerweise geschah dies fünf Tage vor Ende des Bürgerkriegs. Der Wiederaufbau begann erst 1939. Schon zwei Jahre später, Mitte 1941, konnte der Brückenverkehr erneut aufgenommen werden.

Bei einer solchen Brücke, die kontinuierlich in Betrieb ist, sind Sicherheit und Instandhaltung von höchster Wichtigkeit. Die Betreibergesellschaft El Transbordador de Vizcaya beschäftigt ein Team von fünf Personen, die den mechanischen und bautechnischen Zustand der Brücke ständig überwachen. Leiter des Teams ist Jose Ramón, ein harter, nüchterner baskischer Techniker von stämmiger Statur, der seit 25 Jahren an der Brücke arbeitet. „Die Brücke ist mein Leben“, erklärt er stolz und erzählt uns von den Herausforderungen, die mit seiner Tätigkeit verbunden sind. Die Brücke sei äußerst aggressiven und schwierigen Betriebsbedingungen ausgesetzt, meint er. „Wir kämpfen gegen die Auswirkungen der industriellen Verschmutzung ebenso wie gegen starke Winde, drastische Temperatursprünge, Salz, Regen und Nebel. Deshalb ist die Transportbarke mit 18 Sicherheitsseilen ausgestattet!“

Wie sich die Umwelteinflüsse auswirken, erkennt man am deutlichsten an den Komponenten der Seilschlitten, die am Querträger entlang laufen. Jeder dieser motorgetriebenen Schlitten hat 36 Rollen, und jede Rolle ist mit zwei Hauptlagern ausgerüstet. Sechs Rollen haben einen eigenen Motorantrieb. „Unser größtes Problem sind die Lager der Seilschlitten“, fährt Ramón fort, „und natürlich an sie heranzukommen. Ein Akrobat würde diese Arbeit keine zehn Minuten lang aushalten.“

 

Ramón und seine Kollegensind daran gewöhnt, dass sich Lager festfressen, und stehen ständig für Noteinsätze bereit. „Wir besitzen die Fähigkeit und Flexibilität, die Transportbarke selbst bei Lagerausfällen in Bewegung zu halten. Unsere Aufgabe ist es, den Brückenbetrieb aufrechtzuerhalten, egal was passiert. Dazu haben wir uns verpflichtet“, betont er. „Wir können es uns nicht leisten, dass die Transportbarke mit Fahrgästen zwei Meter oberhalb des Flusses auf der Strecke hängen bleibt.“ Nach einem besonderen Zwischenfall 2006 wandte sich das Unternehmen an SKF und bat um Hilfe bei der Entwicklung einer robusteren und von äußeren Einflüssen unabhängigeren Lösung. SKF unterbreitete dem Brückenbetreiber einen Vorschlag, der auf Lagern für Hochgebirgseinsätze wie etwa für Skilifte basierte. Es handelt sich um ein Lager, dessen Freiraum mit einem porösen, ölgetränkten Verbundwerkstoff ausgefüllt ist. Dadurch ist eine ordnungsgemäße Schmierung auch dann sichergestellt, wenn die äußere Hülle bricht.

Mit den Begriffen Sicherheit und Zuverlässigkeit als Leitsatz sorgen Ramón und sein Team dafür, dass die Puente Colgante Tag und Nacht reibungslos funktioniert. „Wir sind ein Stück lebendige Geschichte“, stellt er zu Recht mit Stolz in der Stimme fest, denn immerhin wurde die Brücke 2006 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.


Solid Oil

 SKF liefert seit 2002 Lager für die motorgetriebenen Seilschlitten der Puente Colgante. Nachdem 2006 die Hängefähre durch einen Lagerausfall plötzlich ausgefallen war, wandte sich der örtliche Lagerhändler, RADIAL, an den SKF Bereichsleiter Jesús Carlos Arce Lastra. Die Ingenieure von SKF in Madrid hatten rasch eine Werkstofflösung zur Hand: Solid Oil. Diese Art der Schmierung wurde ursprünglich für Einsatzfälle entwickelt, bei denen aufgrund stark eingeschränkter Zugänglichkeit ein Nachschmieren praktisch unmöglich war und bei denen hohe Anforderungen an den Ausschluss von Verunreinigungen gestellt wurden. Da SKF bereits Lösungen für Anwendungsbereiche mit ähnlich harten Einsatzbedingungen wie Bergstationen und Skilifte konzipiert hatte, konnte das Unternehmen rasch reagieren. SKF entwickelte und produzierte für die motorgetriebenen Seilschlitten der Brücke ein maßgeschneidertes Lager mit einem halbfesten Schmiermittel in Form eines porösen, ölgetränkten Verbundwerkstoffs. Die Lösung hat sich als Schutz gegen Witterungseinflüsse, Korrosion, Schwingungen und hohe Beanspruchung im Allgemeinen als äußerst wirkungsvoll erwiesen. Auch bei Beschädigung der äußeren Hülle bleibt das Schmiermittel im Lager. In dem Jahr seit Einbau der neuen Lager hat sich die Betriebssicherheit der Puente Colgante beträchtlich erhöht. Die motorgetriebenen Seilschlitten, die die Transportbarke tragen und bewegen, arbeiten jetzt erheblich zuverlässiger.

 

 

Halten Sie mich auf dem Laufenden

Sind Sie interessiert an Themen, die sich mit Engineering und Technik beschäftigen? EVOLUTION bietet Inhalte, die Ihnen Einblick in neue Techniklösungen gibt. Lesen Sie über neue Entwicklungen in spannenden Unternehmen, Industrien und Themenfeldern.

Newsletter erhalten