Ingenieurswissen
Radnabenantriebe im Kommen

Radnaben-
antriebe im Kommen

Radnabenmotoren gibt es seit Ende des 19. Jahrhunderts. Dank Fortschritten in der Elektroantriebstechnik gewinnen sie nun an Bedeutung. Das slowenische Unternehmen GEM ist für den Einstieg in diesen wachsenden Markt bereit.

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Ende der 1990er Jahre interessierte sich Simon Mandelj, Doktorand im slowenischen Ljubljana, besonders für nichtlineare Dynamik. Vor und nach seiner Promotion forschte er auf diesem Gebiet und konstruierte einen Radnabenmotor, der den bisherigen kommerziellen Versionen weit überlegen war.

2010 gründete er GEM Motors und konzentrierte sich auf innovative Radnabenantriebe für den rasch wachsenden LEV-Sektor (Light Electric Vehicle). Den Namen GEM Motors wählte er mit Bedacht: Das „G“ steht für gibanje, slowenisch für Bewegung, das „E“ für Elektrizität und das „M“ für Magnetismus. „GEM ist zudem eine Anspielung auf das englische Wort für ,Edelstein‘, sodass Eleganz, Schlichtheit und Perfektion mitklingen“, erklärt der Firmengründer. „Das gilt auch für unsere Lösung. Sie ist technisch elegant, schlicht und auf ihren Verwendungszweck perfekt zugeschnitten.“

GEM Motors

Gegründet: 2010 als Privatunternehmen

Sitz: Kamnik, Slowenien

Zahl der Beschäftigten: 15

www.gemmotors.si

Peter Oblak, Entwicklungsingenieur bei GEM, testet den Motor.
Peter Oblak, Entwicklungsingenieur bei GEM, testet den Motor.

2013 konnte GEM mit der finanziellen Unterstützung eines Investors seinen ersten Prototyp präsentieren und die Produktion aufbauen. Weitere Mittel flossen ein, so zum Beispiel eine 70-prozentige Kofinanzierung durch die Europäische Kommission im Rahmen einer Initiative zur Förderung der Entwicklung moderner Elektromobilität.

Ende 2017 hatte GEM 15 Kunden, die die Radnabenantriebe des Unternehmens testeten. Hinzu kam eine Reihe „sehr interessierter“ potenzieller Kunden in der Schweiz, Frankreich, Schweden, Deutschland und Italien. Auch in Südamerika, Südostasien und den USA gibt es einige Kandidaten. „Wir konzentrieren uns derzeit aber auf Europa, weil das unser Heimatmarkt ist“, meint Mandelj. Später möchte GEM auf den US-Markt expandieren, dem man ein gewaltiges Potenzial nachsagt, und schließlich das Geschäft weltweit ausbauen.

Der Markt ist riesig und unsere Lösung wirklich gut.
Simon Mandelj, CEO und Gründer von GEM

Im laufenden Jahr will GEM mit zwei Angeboten die Serienproduktion aufnehmen: Radnabenantriebe mit 4 kW und 6 kW Nennleistung. In den kommenden fünf Jahren rechnet Mandelj mit einem Fertigungsvolumen von 100.000 Motoren, denn, so sagt er, „der Markt ist riesig und unsere Lösung ist wirklich gut.“

Zielgruppe des Unternehmens sind zum Beispiel Hersteller von zweisitzigen Stadtautos, Golf-Karts, Fahrzeugen für Postzustelldienste, Motorrollern, Motorrädern und kleinen Rasentraktoren.

GEM Motor auf dem Prüfstand.
GEM Motor auf dem Prüfstand.

Bis solche Produkte marktreif sind, vergeht oft viel Zeit – zwischen sechs Monaten und drei Jahren. GEM muss einen Prototyp bauen, ihn testen und häufig an individuelle Kundenspezifikationen anpassen. Letzteres ist allerdings dank GEMs einzigartiger modularer Bauweise kein größeres Problem. Die Antriebe basieren auf einer patentierten mehrstufigen Modultechnologie, weshalb maßgeschneiderte Modifikationen im Vergleich zu konkurrierenden Modellen schnell und kostengünstig vorgenommen werden können.

Die Zukunft geht in Richtung Elektromobilität. Der Markt wächst exponentiell. Bis 2040 sollen laut einem im vergangenen Jahr von Morgan Stanley veröffentlichten Bericht mehr Elektrofahrzeuge als Autos mit Verbrennungsmotoren verkauft werden. Gefragt sind vor allem einfache, effiziente, intelligente, kostengünstige und voll integrierte Lösungen – und GEM erfüllt genau diese Anforderungen.

Ein anderer Trend – selbstfahrende Autos – kommt GEM ebenfalls zugute:

Radnabenmotoren sind ein Plus für selbstfahrende Autos, weil sie einzeln per Rechner gesteuert werden können. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Fahrzeug zwei, drei oder vier Räder hat.

Aber das allein reiche nicht, kommentiert Mandelj. Eine gute Lösung müsse Fahren vor allem zum Vergnügen machen. Und GEM werde die Grundlage für so manches „Fahrspaß-Juwel“ bilden.
     

Einzigartige Bremslösung

Während der Arbeit mit einem Radnabenmotor für ein neues Postzustellfahrzeug wurde GEM Motors gebeten, eine Parkbremse zu integrieren. Dabei zeigte sich, dass eine fertige Lösung auf dem Markt nicht erhältlich war.

Dr. Andrej Pukšič, leitender Forschungsingenieur bei GEM Motors, erinnert sich: „Die Bremse befindet sich außen am Motor, nicht im Motor selbst. Deshalb musste sie robust sein und Wasser, Staub, Schmutz, Schlamm und Stößen standhalten. Wir untersuchten die auf dem Markt verfügbaren Lösungen und fanden nichts Geeignetes. Es gab nur geschlossene, für spezielle Automobilkunden entwickelte Systeme. Auch bekamen wir nicht die Informationen, die wir brauchten.“

Deshalb wandte sich GEM an SKF, ein Unternehmen mit Erfahrung auf diesem Gebiet. Schon seit 2009 hat SKF elektronische Parkbremsen (EPB) für Traktoren im Angebot. GEM prüfte verschiedene Optionen und kam zu dem Schluss, dass die Lösung von SKF die beste sei. Ausgehend von einem Muster der SKF EPB passten die Slowenen das System in enger Zusammenarbeit mit SKF an die Erfordernisse leichter Elektrofahrzeuge an. Das Ergebnis dieser Anpassung in Kombination mit der technischen Unterstützung von SKF ist eine robuste und zuverlässige EPB-Lösung.

Die elektronische Parkbremse des neuen Postzustellfahrzeugs ist mit dem Radnabenmotor über Kabel und Bremssättel verbunden und hat zwei Betriebsoptionen: Der Fahrer kann die Parkbremse entweder durch Drücken eines Knopfes manuell betätigen oder die Bremse wird automatisch aktiviert, wenn die Radsensoren erfassen, dass sich die Räder nicht mehr drehen.

„Wir suchten nach hochwertigen Komponenten. SKF ist technologisch führend und für Qualität bekannt“, schließt Mandelj.

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