Grüner Flugverkehr in Sicht
Die Luftfahrtindustrie sieht sich mit Emissionssteuern, grünen Bewegungen in den sozialen Medien und zunehmend umweltbewussten Kunden konfrontiert. Könnten Elektroflugzeuge die richtige Alternative für den Luftverkehr der Zukunft sein?
Der Traum vom E-Fliegen
Alice ist der jüngste Neuzugang in der Reihe von Flugzeugen, die den Traum von der elektrischen Luftfahrt verwirklichen sollen. Im Oktober 1973 absolvierte der 23-jährige österreichische Luftfahrtpionier Heino Brditschka den ersten Flug in einem Elektroflugzeug. Brditschkas bahnbrechende Leistung fand im selben Monat statt, in dem die Ölkrise ihren Anfang nahm.
Das mit einem 60 Kilogramm schweren Akku angetriebene Flugzeug blieb nur rund zehn Minuten in der Luft und glich mehr einem Segelflieger, aber es erweckte die leise Hoffnung, dass Brditschkas Errungenschaft einen Wendepunkt in der Flugzeugtechnik darstellen könnte.
Heute, fast 50 Jahre später, drängt sich angesichts instabiler Treibstofflieferungen, steigender Ölpreise und eskalierender Spannungen im Nahen Osten der Gedanke auf, Parallelen zu 1973 zu ziehen. Dies ist zusammen mit der Forderung nach Maßnahmen gegen den Klimawandel ein starkes Argument für eine neue Ära der elektrischen Luftfahrt.
Akkuleistung eine Hürde
Wie Eviation beabsichtigt auch das in Seattle ansässige Unternehmen Zunum Aero, 2022 ein 12-sitziges und bis 2027 ein 50-sitziges Elektroflugzeug auf der Basis der Lithium-Ionen-Technologie auf den Markt zu bringen. Der Akku ist die nahe liegende Wahl für die Speicherung der für den Flugbetrieb benötigten Energie. Aber noch sind einige Hürden zu überwinden, bevor Elektroflugzeuge kommerziell eingesetzt werden können.
Die Lösungen geben Anlass, die kommerzielle Luftfahrt in ihrer bisherigen Form zu überdenken und stärker auf neue kleinere Flugzeuge wie Alice mit geringerer Beförderungskapazität zu setzen, um den Energiebedarf zu reduzieren. Am wahrscheinlichsten ist eine Entwicklung vergleichbar mit der Automobilindustrie: Hybrid-Flugzeuge, die mit Reservetreibstoff und -akkus ausgerüstet werden. Der europäische Flugzeugbauer Airbus plant, bis 2030 einen 100-sitzigen kommerziellen Elektrohybrid-Jet zu lancieren.
Wichtiger Investitionsanreiz
Elektroflugzeuge haben noch weitere Vorteile: Da sie leiser sind, könnten sie früher am Morgen und später am Abend Start- und Landegenehmigungen erhalten und auf Strecken verkehren, die derzeit aus Lärmschutzgründen nicht benutzt werden dürfen. Wegen ihrer geringeren Größe und ihres niedrigeren Gewichts kommen sie zudem mit kürzeren Start- und Landebahnen aus. Diese Pluspunkte könnten Flugtickets verbilligen – ein wichtiger Anreiz für Fluggesellschaften, um in die neue Technologie zu investieren.
In der Leitung des Londoner Flughafens Heathrow hofft man, dass spätestens 2030 das erste Elektroflugzeug auf Großbritanniens größtem Flugplatz landen wird. Als Anreiz verzichtet man im ersten Jahr auf die Landegebühren. In Norwegen hat die Regierung sich verpflichtet, bis 2040 auf allen Kurzstrecken-Inlandsflügen Elektroflugzeuge einzusetzen. Dabei ist die vorhandene Infrastruktur mit kleinen abseits gelegenen Flugplätzen und Kurzstreckenverbindungen in der norwegischen Gebirgslandschaft ein Vorteil.