Ingenieurswissen
Statistikverfahren zur Senkung der Betriebskosten von Windkraftanlagen

Statistikverfahren zur Senkung der Betriebskosten von Windkraftanlagen

In der Windenergieindustrie stellen die Betriebs- und Wartungskosten von Windkraftanlagen notwendigerweise einen hohen Kostenfaktor dar. Diese Kosten werden noch höher, wenn es keine wirksamen Betriebs- und Wartungsstrategien gibt, mit denen sich kleinere Störungen frühzeitig feststellen lassen. Solche Strategien könnten größeren Ausfällen wichtiger Komponenten und längeren Stillstandszeiten entgegenwirken.

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Zusammenfassung

Das von SKF für die Zustandsüberwachung von Windkraftanlagen entwickelte Statistikverfahren hilft den Betreibern, Betriebs- und Wartungskosten zu senken. Dabei nutzt SKF ihr großes Fachwissen und eine umfangreiche Datenbank mit Informationen zu Tausenden von Windkraftanlagen weltweit, um effizientere Möglichkeiten der Prognose und Vermeidung potenzieller Totalausfälle zu ent­wickeln. So trägt SKF dazu bei, dass Windparks mit maximaler Effizienz und Profitabilität betrieben werden können.

Die Betreiber von Onshore-Windparks in Europa haben Betriebs- und Wartungskosten, die bei rund 20 Prozent der Stromgestehungskosten liegen. Ein von SKF entwickeltes Statistikverfahren soll die Zustandsüberwachung von Windkraftanlagen effizienter gestalten und deren Gesamtbetriebskosten senken.

Investitionen in Betrieb und Wartung sind für die Betreiber der Anlagen wichtig und werden in Zukunft noch wichtiger sein. Denn je älter die Windparks, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Komponentenausfälle und -schäden eintreten, die nicht mehr unter die Herstellergarantie fallen. Folglich werden der Betrieb und die Wartung von Windkraftanlagen nicht nur an Bedeutung gewinnen, sondern auch höhere Kosten verursachen. Da rund 75 Prozent aller Onshore-Windkraftanlagen in Europa weniger als zehn Jahre in Betrieb sind, werden Betrieb und Wartung dieser Anlagen in naher Zukunft immer relevanter.
        

SKF arbeitet an Lösungen, um einerseits die Betriebskosten über die Lebensdauer einer Windkraftanlage zu minimieren und andererseits die Forderungen der Betreiber nach einem höheren Wirkungsgrad und einer längeren Verfügbarkeit der Anlagen erfüllen zu können.

Entwicklung einer wirksamen Betriebs- und Wartungsstrategie
Zustandsüberwachungssysteme („Condition Monitoring Systems“, CMS) stehen im Mittelpunkt der Betriebs- und Wartungsaktivitäten. Im Wesentlichen geht es bei der Zustandsüberwachung darum, festzustellen, in welchem Zustand sich die Maschinen während des Betriebs befinden. Bei einem leistungsfähigen Zustandsüberwachungsprogramm ist definiert, worauf geachtet werden muss, wie etwas auszuwerten ist und wann die entsprechenden Kenntnisse anzuwenden sind. Ein CMS-System hilft den Betreibern von Windparks nicht nur, die Wahrscheinlichkeit eines Totalausfalls zu verringern, es ermöglicht auch die Durchführung möglichst vieler Reparaturen „vor Ort“, die rechtzeitige Bestellung von Ersatzteilen, die Terminplanung von Personal und Maschinen und die Durchführung anderer Reparaturen während der geplanten Stillstände.

Bild 1: Für die Windenergiebranche hat SKF ein großes Angebot an Produkten, Dienstleistungen und Lösungen entwickelt.

Als führender Lieferant der Windenergieindustrie hat SKF ebenso viel Fachwissen wie Praxis-Erfahrung in die Entwicklung zahlreicher intelligenter Produkte eingebracht, um die Betriebs- und Wartungskosten dieser Branche zu senken. Zum entsprechenden Portfolio (Bild 1) gehören u. a. Lager für den Triebstrang sowie Schmierungs- und Dichtungslösungen. Darüber hinaus hat SKF schwingungsbasierte Zustandsüberwachungssysteme entwickelt und bietet seit 2007 auch einen Fernüberwachungsservice an.

Daraus haben sich die heutigen umfangreichen Software- und Überwachungsdienstleistungen entwickelt, die dank der regelmäßigen bzw. nahezu permanenten Überwachung von Windkraftanlagen via Internet eine vorausschauende Wartung ermöglichen. Für die Datenerfassung nutzt SKF Fernüberwachungsdienste die jeweils geeigneten Tools wie z.B. das Onlinesystem IMx, das speziell für Windkraftanlagen entwickelt wurde. Dessen Daten werden von Überwachungsexperten analysiert. Anschließend erhält der Betreiber qualifizierte Handlungsempfehlungen und kann so eine fachlich fundierte Entscheidung treffen.

Kompetenz aus Erfahrung
Weltweit hat SKF in diesem Bereich seit 2005 über 5.000 Zustandsüberwachungssysteme installiert. 2.000 dieser Installationen werden von SKF selbst überwacht. Darunter befinden sich über 40 verschiedene Arten von Windkraftanlagen von 15 Herstellern. So hat sich eine riesige Datenmenge angesammelt, die Aufschluss über die Leistung von Windkraftanlagen und ihre potenziellen Ausfallarten gibt. Anhand der Analyse von Schwingungsdaten konnte SKF Erkenntnisse über das Maschinenverhalten aus einer dynamischen Perspektive heraus gewinnen.

Bild 2: Durchführung der schwingungsbasierten Zustandsüberwachung.

Bild 2 zeigt, wie die schwingungsbasierte Zustandsüberwachung funktioniert: Beschleunigungssensoren messen Schwingungen von Kern-Komponenten im Bereich der Generator-, Getriebe-, Hauptwellen- und Rotorlager. Diese Sen­sordaten werden von einer Überwachungseinheit wie dem SKF Online-System IMx erfasst, das automatische Alarme an das von SKF betriebene Ferndatenzentrum schickt. Letztlich kann jede Windkraftanlage je nach Konfiguration und Standort ganz individuelle Alarmstufen haben, die bei der Inbetriebnahme festgelegt werden, um die wirksamste Art der Überwachung sicherzustellen.

So erhält man ein „Verhaltensmuster“ für jede Maschine, was SKF in die Lage versetzt, Referenzfälle für unterschiedlichste Ausfallarten zu identifizieren. Über die Analyse dieser Daten gelang es SKF, neue statistische Verfahren zu entwickeln und die Leistung und Effizienz von CMS-Systemen deutlich zu steigern.

Bei einem großen Windpark fallen sehr viele Daten an, die erfasst werden müssen. Als Faustregel gilt, dass eine Windkraftanlage mit Getriebe rund acht Sensoren besitzt, von denen jeder ungefähr drei Werte erfasst. Dies ergibt insgesamt 24 Indikatoren, wobei jeder Indikator sowohl einen Toleranz-Bereich als auch einen Gesamtwert widerspiegelt. Diese Daten werden von der CMS-Hardware entweder drahtlos oder kabelgebunden erfasst und über das Internet an einen CMS-Server geschickt, der sich irgendwo auf der Welt befindet. In einem Jahr stehen dann für jede Windkraftanlage bei durchschnittlich einem Download pro Tag 9.000 Datensätze zur Analyse an. Bei einem Windpark, der Hunderte von Windkraftanlagen umfassen kann, ist eine aussagekräftige Analyse dieser Daten ohne statistische Modellierung vollkommen unmöglich.

Statistische Modellierung
Bei der statistischen Modellierung werden die Windkraftanlagen miteinander verglichen soweit dies trotz Unterschieden hinsichtlich Standort und Bauart möglich ist. Zunächst wird bei SKF Vergleichbares miteinander verglichen; dann werden historische Daten eingesetzt, die in den letzten 10 Jahren bei der Überwachung von Windparks mit Windkraftanlagen unterschiedlichster Bauart gesammelt wurden. Diese Daten stellen die Hintergrundinformation für jede neue Anlage dar, die von SKF überwacht wird.

Hinsichtlich der Zustandsüberwachung ergeben sich bei Windkraftanlagen Herausforderungen wie in kaum einer anderen Branche. Diese Anlagen sind komplizierte Maschinen mit unzähligen Variablen. Beispielsweise ist es nicht möglich, ein einziges Alarmstufenmodell für alle Maschinen einzusetzen. Um einen schnellen Vergleich zu ermöglichen, müssen Modelle für solche Maschinen entwickelt werden, die tatsächlich vergleichbar sind. Allerdings wäre es ohne Statistik unmöglich, Daten in einer angemessenen Zeit zu filtern und auszuwählen.

Der wachsende Pool von historischen Leistungsdaten von Windkraftanlagen ist äußerst ­nützlich, vor allem, wenn er die gesamte Lebensdauer einer Anlage seit ihrem Aufbau umfasst. Leider ist dies nicht immer der Fall. Auch wenn immer mehr Windkraftanlagen vom Hersteller bereits mit Überwachungstechnik ausgestattet sind, ­müssen viele der vorhandenen Anlagen nachgerüstet werden. Normalerweise erfolgt eine Nachrüstung gegen Ende der Garantiezeit, oder wenn ein Servicevertrag verlängert wird.

Um die statistische Prozessgenauigkeit zu erhöhen, ist es jedoch wichtig, dass die richtigen kinematischen Daten für die Analyse ausgewählt werden. Das System verfügt über verschiedene Funktionen, mit denen nach potenziellen theoretischen Störungen gesucht werden kann. Das automatische Absuchen stützt sich dabei auf tatsächlich vorhandene Informationen über die Art von Bauteilen im System. Jedes Getriebe hat seine eigene theoretische Frequenz, und wenn es nicht möglich ist, die Kinematik in der Anlage mit einer gewissen Sicherheit zu beurteilen, müssen die Annahmen des Daten-Analysten herangezogen werden. Angesichts der umfangreichen historischen Datenbank von SKF liegen ausreichende Kenntnisse und Informationen über die Bauteile im Inneren des Getriebes und des Generators vor.

Bild 3: Flotten-Analyse für Windparks.

Keine Einheitslösung
Die Erfahrung hat gezeigt, dass nicht bei allen Bauteilen von Windkraftanlagen ein gleich hohes Maß an Fachwissen zur ­Analyse der Daten erforderlich ist. Beispielsweise lässt sich ein Problem bei einem Generatorlager relativ leicht feststellen, aber bei Planetenlagern und -getrieben ist dies nicht so einfach. Daher hat SKF spezielle Algorithmen entwickelt, die insbesondere auf die Problem­erkennung bei Planetengetrieben abgestimmt sind.

Dies ist besonders wichtig, wie ein Praxisbeispiel zeigt: Im Frequenzmuster eines Planetengetriebes zeigte die SKF Analyse erhöhte Oberschwingungen im Bereich von 1,2 Hz. Dies war ein Hinweis darauf, dass weitere Untersuchungen erforderlich waren. Eine Sichtprüfung bestätigte, dass es eine Rissbildung im Ritzel der Zwischenwelle gab, die eventuell zu einem Totalausfall geführt hätte. Das frühe Eingreifen bewirkte, dass die Maschine gestoppt wurde und die Reparatur durchgeführt werden konnte, bevor ein größerer und kostspieligerer Schaden an der Anlage entstand.

Bild 4: Einsatz von Statistiken zur Feststellung kritischer Maschinen.

Spürhund Statistik
Es geht also darum, schnell festzustellen, bei welcher Windkraftanlage eines Windparks eine weitergehende Analyse erforderlich ist. Das Statistikverfahren ergänzt die herkömmliche Diagnostik, indem es schnell auf die potenzielle Problematik einer bestimmten Windkraftanlage hinweist, sodass Fachleute die Schwingungssignale einige Zeit beobachten und die wahrscheinlichen Probleme ermitteln können.

Mit der statistischen Modellierung möchte SKF ihre Flottenanalysekapazitäten, die auf den globalen Hintergrunddaten von mehr als 2.000 bereits analysierten Windkraftanlagen basieren, weiter ausbauen. Zu diesem Zweck wird ein statistisches Modell zum Schwingungsvergleich der einzelnen Anlagenmodelle und ihrer jeweiligen Bauteile für verschiedene Standorte und Lastbedingungen erstellt. Dies wird durch Prozessoptimierung erreicht und durch regelmäßig durchgeführte Workshops mit SKF Spezialisten ergänzt, die sich über Probleme und Verbesserungsmöglichkeiten austauschen und ein globales CMS-Netzwerk innerhalb der Windbranche bilden.

Bild 5: Die über einen Zeitraum von sechs Monaten erfassten Daten einer 2-MW-Windkraftanlage zeigten erhöhte Schwingungen, so dass eine Inspektion und Reparatur durchzuführen waren.

Vorteile für die Betreiber
Mit einer verbesserten statistischen Modellierung wird es möglich sein, Alarme so zu gestalten, dass die Betreiber nur Informationen über solche Probleme erhalten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nachteilige Auswirkungen auf die Anlagenleistung haben. Um Verbesserungen im Betrieb zu erzielen, sollte die Wartungsstrategie der Betreiber von einer planmäßigen Wartung auf eine vorausschauende Wartung umgestellt werden. Dies wird durch die Tatsache unterstützt, dass die Genauigkeit und der Umfang der Zustandsüberwachung mit dem technologischen Fortschritt weiter zunehmen. In einem der nächsten Schritte sollen alle relevanten Datenquellen wie Temperatur- und Prozessparameter integriert und zu den schwingungsbasierten Diagnosen hinzugefügt werden.

Weitere Trends gehen dahin, CMS-Daten an ein anderes ganzheitlicheres System anzubinden, um wiederum eine bessere Korrelation zu ermöglichen. Im Prinzip liegt das im Interesse der Anlagenhersteller, aber wie immer kommt es auf die Kosten an: Wegen der großen Menge von Windkraftanlagen müssen die Investitionen pro Anlage möglichst niedrig sein. Daher ist es das Ziel von SKF, die entsprechende Technologie erschwinglicher zu machen

Fazit
Nach zehnjährigem Einsatz von schwingungsbasierten CMS-Systemen bei Windkraftanlagen hat SKF nachgewiesen, dass es möglich ist, die Verfügbarkeit dieser Anlagen dank Zustandsüberwachung um 1 Prozent zu steigern, während die Betriebs- und Wartungskosten gleichzeitig um 2 Prozent gesenkt werden können. So lässt sich bei jeder Windkraftanlage mit dem statistikbasierten CMS-System von SKF eine jährliche Einsparung von bis zu 5.000 Euro erzielen. Schrumpfende Margen erfordern ein Maximum an Effizienz, um die Profitabilität zu erhalten. Dabei spielen die verbesserten Prognosemöglichkeiten von statistischen CMS-Systemen eine entscheidende Rolle.

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