Ingenieurswissen

Präzision macht die Musik

Martin Molin hat einen großen Plan: Er will seine „Marble Machine“ perfektionieren. Das innovative Musikinstrument erzeugt Töne durch herunterfallende Stahlkugeln. Bei seinem Projekt setzt Molin auf technische Unterstützung von SKF.

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Der schwedische Musiker Martin Molin arbeitet seit sieben Jahren an einem ungewöhnlichen Musikinstrument, das er „Marble Machine“ nennt. Es sei spielbar, aber, so räumt er ein, völlig unpraktisch.

„Eine Gitarre ist ein gutes Instrument, um Musik zu machen“, sagt er. „Ein MIDI-Keyboard ist perfekt. Eine Marble Machine dagegen ist im Grunde die denkbar schlechteste Lösung.“

Für Molin ist die Maschine eher ein Kunstwerk als eine technische Konstruktion. Er beschreibt sie oft als Skulptur. Warum er ein so unvollkommenes Instrument baut?

„Trotz der Erfindung des Autos reiten Menschen immer noch auf Pferden“, vergleicht er. „Ich möchte sehen, wie weit ich mein „Pferd“ bringen kann.“

Um Molins Werk besser zu verstehen, bedarf es einer kurzen Erklärung der Marble Machine. Sie gleicht einer mechanischen Spinnmaschine aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, allerdings gefüllt mit 2.000 Stahlkugel. Molin nennt sie Murmeln. Ein früher Prototyp der Maschine, den er „spontan und ohne vorbereitende Planung gebaut“ hatte, wurde zum Online-Hit. Daraufhin schuf Molin ein weiteres ausgefeilteres Model. Durch Drehen einer Handkurbel werden die Kugeln nach oben befördert und fallen durch verschiedene Mechanismen nach unten. Einige Kugeln treffen Vibrafonplatten und erzeugen so spezielle Töne; andere prallen Percussion Pads.

Für Molin ist es wichtig, dass die Maschine „gespielt“ werden kann. Nur auf einen Knopf zu drücken und dann daneben zu stehen, sei nicht das Ziel. Die Kugeln fallen in einem zuvor arrangierten musikalischen Muster mit Input von Molin, um den Ablauf dynamisch zu gestalten. „Die Musik ist vorprogrammiert, aber wenn ich nicht die Hebel ziehe, gibt es keine Dynamik“, erklärt er. Molin kann also bestimmte Abschnitte unterdrücken, was ihm beispielsweise die Möglichkeit bietet, zwischen einer Strophe und einem Refrain zu wechseln. Die Maschine hat auch Basssaiten, die Molin selbst spielt.

„Es muss auch Überraschungen und Fehler geben“, meint er. „Ich möchte wirklich, dass die Maschine live gespielt wird, sodass jeder Konzertbesucher eine individuelle Version der Musik erleben kann.“

Der Musiker plant, eine dritte Version der Marble Machine zu bauen und zu perfektionieren, um sie in seine Bühnenshow zu integrieren, wenn er mit seiner Band Wintergatan wieder auf Tournee geht.

SKF feat. Wintergatan – The Marble Machine

Mechanische Musik

Die Marble Machine ist aus Standardteilen gefertigt und komplett mechanisch, ohne elektrische oder elektronische Komponenten. „Ich könnte vermutlich auf 60 Prozent der Bauteile verzichten, wenn ich Elektromotoren verwenden würde“, stellt Molin fest. „Aber aus künstlerischer Sicht ergibt meine Vorgehensweise einen Sinn.“

Trotz der Erfindung des Autos reiten Menschen immer noch auf Pferden. Ich möchte sehen, wie weit ich mein „Pferd“ bringen kann.

Martin Molin

Die Marble Machine hat entfernte Ähnlichkeit mit dem selbstspielenden Klavier, Pianola oder Phonola, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts beliebt war. Als Teil seiner Forschung besuchte Molin zwei Museen für mechanische Instrumente. „Diese Instrumente faszinieren meist nur eine Minute, danach findet man sie langweilig“, meint er. Deshalb sind die inneren Mechanismen der Marble Machine sichtbar und nicht hinter einer Verkleidung versteckt. „Ich will zeigen, was im Inneren der Maschine vor sich geht. Das hält das Interesse der Leute wach.“

Hier kommt Molins Gedanke mit ins Spiel, eine Skulptur zu schaffen. Mit der Gratwanderung zwischen Kunst und Technik setzt sich Molin immer wieder auseinander. Er sei zwar ein Neuling im Ingenieurwesen, gesteht er, aber er lerne ständig dazu.

Eine Herausforderung für Molin ist das Timing der Stahlkugeln. Um Musik kontrolliert, kraftvoll und dynamisch zu spielen, müssen die Kugeln mit einer Präzision von einer Millisekunde gesteuert werden. „Diese Präzision kann ein Musiker nicht erzielen“, erklärt Molin. Bei Musikern bezeichnet man eine geringfügige Variation im Timing als „Feel“, „Groove“ oder „Emotion“; bei einer Drum-Machine würde man das „Fehler“ nennen.

Der schwedische Musiker Martin Molin ist der Kopf hinter der Marble Machine, die Musik durch fallende Stahlkugeln erzeugt.

Technische Präzision

Molin zufolge ist die Entwicklung eines Mechanismus, der Musik mit absolut exaktem Timing spielt, eine gewaltige Aufgabe. Um dies zu erreichen, musste er technische Grundsätze konsequenter anwenden. An diesem Punkt bat er SKF und andere um Unterstützung. „Ein wichtiger Aspekt ist die Zuverlässigkeit“, stellt Molin fest. „Die Maschine muss mit konstanter Qualität arbeiten. Ich will nicht, dass sie plötzlich ausfällt und die Konzertbesucher enttäuscht sind.“

Unter Anleitung von SKF und anderen lernt der Musiker zurzeit die wesentlichen technischen Grundsätze, die ihm bei der Perfektionierung der Maschine helfen werden. In regelmäßig erscheinenden Youtube-Videos berichtet über seine Gedanken, Erfolge und Rückschläge. Oft hilft ihm dann die Community bei der Lösung von Problemen.

Molin hat sich mit diesen Posts einen Namen gemacht und damit das Interesse von SKF geweckt. Die Verbindung zwischen dem Unternehmen und Molin ist der erfahrene SKF Ingenieur Roger Emlind. Er steht Molin beratend zur Seite und führt ihn durch die Welt der SKF Produkte. Emlind zeigt ihm, wie sich traditionelle technische Grundsätze auf die unkonventionellen Probleme der Marble Machine anwenden lassen. (Weitere Informationen im Kasten)

Durch seine etwas unbedarfte Vorgehensweise stößt Molin auf potenziell revolutionäre Lösungen für die auftretenden Schwierigkeiten seines Projekts. Eine solche Lösung ist das Huygens-Getriebe, das im 17. Jahrhundert von dem niederländischen Physiker Christiaan Huygens für den Antrieb von Uhren durch ein Gewicht entwickelt wurde. „Ich beabsichtige, das Huygens-Getriebe zu verwenden, um die eingesetzte Energie mittels Schwerkraft zu verteilen“, erklärt Molin.

Die Handkurbel will er durch zwei große Schwungräder ersetzen, um so einen regelmäßigeren Lauf der Kugeln durch die verschiedenen Teile der Maschine zu erreichen. „Ein wichtiger Teil des Timings ist, eine Einzelwelle mit exakter Drehzahl pro Minute rotieren zu lassen“, fügt er hinzu.

Molin arbeitet zudem ständig an einer verbesserten Konstruktion der Klappe, die Kugeln nach den Vorgaben der vorprogrammierten Musik auswirft. Zu seinen „Murmeln“, die, wie er sagt, zu fehlerhaftem Verhalten neigen, empfindet er eine Art Hassliebe. „Das Maß an Boshaftigkeit, die sie an den Tag legen können, hat mich überrascht“, schmunzelt er. „Sie sind im Grunde chaotisch und wollen Schaden anrichten. Das möchte ich in Version 3 unbedingt ändern.“

Das Herzstück des Instruments sind Stahlkugeln aus dem SKF Standardsortiment.

Die letzte Version

Die Version 3 soll laut Molin die letzte der Marble Machine werden. Es gibt noch kein Funktionsmodell. Zurzeit ist er damit beschäftigt, die einzelnen Teile, die Schwungräder und das Huygens-Getriebe zu verfeinern und Fußpedale anstelle einer Handkurbel einzusetzen, damit man beim Spielen der Maschine beide Hände frei hat.

Molin nutzt inzwischen auch 3-D CAD-Modellierung für die Konstruktion verschiedener Elemente. Allerdings betont er gerne, dass 2-D Bleistift und Papier bei ihm eine ebenso wichtige Rolle spielen.

Obgleich er sieben Jahre in sein Projekt gesteckt hat, ist Martin Molin immer noch davon begeistert. Dennoch will er es bald abschließen. „Ich möchte die Maschine fertigstellen, um der Welt zu zeigen, was möglich ist, wenn man seinen Traum nicht aufgibt.“

Molin musste im Laufe des Entwicklungsprozesses lernen, technische Grundsätze konsequenter anzuwenden. Dabei erhielt er Unterstützung von SKF und anderen.

Unterstützung hinter den Kulissen

Roger Emlind hat langjährige Erfahrung als Ingenieur bei SKF und zuvor beim Automobilhersteller SAAB. Aber die Arbeit mit Martin Molin sei etwas völlig Neues für ihn, sagt er. „Er ist nicht der übliche Maschinenkonstrukteur. Er ist sehr lernwillig und geht mit seinen Wissenslücken offen um.“

Molins Grundgedanke, dass die Kunst das Wichtigste ist, erforderte eine unkonventionelle Herangehensweise an die Konstruktion der Maschine. Für Emlind, der es in der Regel mit ausgebildeten Technikern zu tun hat, bedeutete dies, dass die Lagertechnik diskret einbezogen werden musste.

Seit SKF in das Projekt eingestiegen ist, hat Emlind die Aufgabe, Molin auf dessen Bitte hin mit Erkenntnissen und Orientierungshilfen zu unterstützen. Dazu gehört auch die Empfehlung geeigneter SKF Produkte.

„Die Auswahl der richtigen Produkte dauerte vielleicht ein paar Minuten“, sagt er. Neben den Kugeln – SKF Stahlkugeln aus dem Standardsortiment – werden für die Version 3 der Marble Machine verschiedene andere SKF Produkte eingesetzt, darunter Zahnkränze, Ketten, Y-Lager und Buchsen. Mit dem Y-Lager kann Molin eine Welle exakt positionieren und mit nur zwei Schrauben problemlos befestigen. Die Buchse ermöglicht eine einfachere Wellenkonstruktion und großzügigere Wellentoleranzen bei der Befestigung einer Welle am Schwungrad. Gleichzeitig sichert sie die Wellenposition und minimiert Schwingungen.

Außer bei der Produktauswahl unterstützt Emlind Molin auch mit Fachkompetenz und Know-how. So hat er detaillierte Berechnungen für das Huygens-Getriebe vorgenommen. „Ich wollte prüfen, ob die Gefahr besteht, das System falsch zu konfigurieren“, meint er. „Solche Fragen muss ein Ingenieur stellen.“

Auch wenn Martin Molin in der Welt des Maschinenbaus ein Neuling ist, war Emlind über dessen Beharrlichkeit und Bereitschaft, seine Probleme mit ihm zu teilen, verblüfft.

„Das ganze Marble Machine-Projekt ist eine wirklich interessante und schöne Kombination aus Kunst und Technik. Das hat mich fasziniert“, schließt Emlind.

Seit sieben Jahren arbeitet Molin an der Entwicklung seiner Marble Machine, einem Musikinstrument, das – wie er selbst einräumt – völlig unpraktisch ist.

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