100 Jahre Evolution der Zylinderrollenlager
Mehr als 100 Jahre Entwicklungsarbeit gipfeln bei Zylinderrollenlagern in aufsehenerregende Verbesserungen. Dank dieser umfangreichen Erfahrung sind moderne Zylinderrollen-lagerausführungen gekennzeichnet durch geringere Reibung, hohe Tragfähigkeit, längere Lebensdauer und Downsizing.
Die Konstruktionsverbesserungen der Zylinderrollenlager bauen auf der Entwicklungsgeschichte der Kugellager auf, die bis in die 1870er Jahre zurückreicht, als die ersten Fahrradfabriken entstanden und die Nachfrage nach Lagern anstieg. Weitere Nachfrage nach Kugel- und Rollenlagern für Anwendungen im allgemeinen Maschinenbau führte zum Aufbau neuer Unternehmen, die Wälzlager entwickelten und herstellten.
Bereits in den frühen Tagen der Industrialisierung wurden die Energieeinsparungsmöglichkeiten durch Verwendung von Rollenlagern erkannt. Im Rahmen eines Forschungsprojekts verglich W. P. Graham von der Syrakuse University in New York 1905 den Energieverbrauch zweier gleichartiger Straßenbahnwagen. Der Test ergab, dass eine mit Rollenlagern ausgestattete Bahn 52% weniger Energie verbrauchte, als eine mit Gleitlagern bestückte.
Erste „moderne“ Zylinderrollenlager
1909 hat Dr.-Ing. Josef Kirner, leitender Ingenieur bei der Norma Compagnie in Cannstatt, ein Patent für die Erfindung eines „modernen“ Zylinderrollenlagers angemeldet.Wie im Patent beschrieben (Bild 1), wurde als wichtige Verbesserung die konvex gewölbte Laufbahn im Außenring bzw. am Innenring benannt, um schädliche Kantenspannungen an den Rollenenden zu vermeiden. Die Lager waren mit kurzen Rollen ausgestattet, die genau hergestellt und präzise zwischen Borden geführt wurden, was zahlreiche Vorteile brachte. Kirner erkannte die ganze Bedeutung dieser Vorteile und führte die Lager gegen den Widerstand vieler seiner Fachkollegen in Deutschland ein.
1914 erwarb SKF in Göteborg, Schweden, die Hälfte der Geschäftsanteile der Norma Compagnie GmbH. Damit wurde das Unternehmen in die SKF Gruppe eingegliedert. Seitdem ist die Geschichte des Zylinderrollenlagers mit der von SKF eng verbunden. Es folgten noch viele bedeutende Entwicklungsschritte.
Die Zeitspanne von 1920 bis 1925 ist durch die vollkommene Anerkennung des Zylinderrollenlagers als bedeutendes Konstruktionselement gekennzeichnet, die ihren höchsten Ausdruck in der Nach-ahmung durch die Wettbewerber fand. In den 1920er Jahren gab es bedeutende Entwicklungen für Eisenbahnanwendungen (Bild 2): die Kombination von NU und NH Ausführung für Fahrmotoren, die heute noch verwendet wird, und die Kombination von WJ und WUJ Ausführung für Radsatzlager.
In den 1930ern war SKF eine treibende Kraft in der Standardisierung der Zylinderrollenlager. Die Hauptabmessungen waren identisch mit denen von Standardkugellagern. Der Rollendurchmesser der Lager der schmalen Reihe war gleich ihrer Länge, während das Verhältnis Länge zu Durchmesser bei den Rollen der breiten Reihe etwa 1,5 betrug. Fast alle heute bekannten Ausführungsformen wurden festgelegt.
In den 1950ern etablierte sich die B-Rolle. In den vorausgegangenen zehn Jahren entstanden die ersten theoretischen Beschreibungen des idealen Wälzkörperprofils und es tauchten ballige Rollen mit Kreisbogenprofil auf. Die Lundberg Theorie bildete die Grundlage für das ballige Profil von Zylinderrollenlagern und ergab schließlich die B-Rolle mit geradem Profil im Mittelteil und Kreisbogensegmenten an den Enden. Die Anwendung der neuen Erkenntnisse war ein bedeutender Fortschritt. Jetzt war es möglich, die erforderliche Balligkeit relativ genau zu ermitteln. Bei Wellenschiefstellung musste der Randabfall noch immer abgeschätzt werden.
Die Einführung der E-Lager in den 1960ern war ein bedeutender Meilenstein in der Geschichte des Zylinderrollenlagers. Die E-Lagerausführung ermöglichte die Optimierung des Rollensatzes, der nicht nur aus dickeren und längeren Rollen (Bilder 3a und 3b) bestand, sondern auch aus mehr Rollen (Bilder 4a und 4b). Dies ergab höhere Tragzahlen von durchschnittlich 35% und deutlich längere Lebensdauerwerte.
Das E-Lager war für die Fertigung eine große Herausforderung, da die Rollenabmessungen geändert und neue Käe entwickelt werden mussten. Alle Lager der Maßreihen 2, 22, 3 und 23 wurden auf E-Lager umgestellt, die übrigen Maßreihen nur punktuell.
1981 wird das EC Zylinderrollenlager mit modifizierten Rollenstirnseiten und verbessertem Bordkontakt eingeführt. Die Geometrie des Bords ist offen gestaltet (Bild 5). Die Rollenenden sind oberflächenbehandelt zur Verbesserung des Schmierfilmaufbaues, zur Verringerung der Reibung und für niedrigere Betriebstemperaturen, wodurch die Lager weniger Wartung benötigen. Der verbesserte Rolle/Bordkontakt ergibt eine höhere axiale Belastbarkeit für Lager mit Borden am Innen- und Außenring.
Die Einführung des logarithmischen Profils für Rollenlaufbahnen 1984 stellt eine weitere Optimierung der Berührungsverhältnisse dar. Dieses Profil sorgt für eine optimale Lastverteilung zwischen Rollen und Laufbahnen und verringert dadurch signifikant die Gefahr von Kantenspannungen und verbessert die Betriebssicherheit, selbst in Anwendungen mit Schiefstellung und Wellendurchbiegung (Bild 6).
Performance Meilenstein
Das neue Jahrtausend beginnt mit einem sehr bedeutenden Meilenstein, mit der Einführung der SKF Explorer Zylinderrollenlager (Bild 7). Die SKF Explorer Zylinderrollenlager sind das Ergebnis vieler Jahre intensiver Forschung durch ein internationales Team von SKF Wissenschaftlern und Ingenieuren. Während dieser Zeit haben SKF Werkstoff- und Fertigungsspezialisten zusammen mit den Ingenieuren und Technikern der Produktion erfolgreich eine Anzahl Verbesserungen durchgeführt. Diese sind:
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Der Lagerwerkstoff zeichnet sich durch einen extrem sauberen und homogenen Stahl mit einem Minimum an Einschlüssen aus. Der Sauerstoffgehalt, der ein Maß für die Reinheit ist, wurde auf ein extrem niedriges Niveau herabgesetzt. Dies erhöht die Ermüdungsfestigkeit im Wälzkontakt und verlängert die Lagerlebensdauer.
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Neue Wärmebehandlungsverfahren optimieren den Widerstand des Lagers gegen Schäden während des Betriebs und durch hohe Temperaturen, ohne die Maßstabilität negativ zu beeinflussen.
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Die Härte der Ringe und Rollen wurde für optimale Leistung festgelegt. Das macht sie weniger empfindlich gegenüber Verunreinigungen und trägt zu ihrer hohen Lebensdauer bei.
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Verbesserte Fertigungsverfahren haben zu einer signifikanten Verbesserung der Produktqualität beigetragen. D. h.: Die Lagerringe und Rollen können mit noch höherer Formgenauigkeit gerfertigt werden. Die Ergebnisse der engeren Toleranzen mögen unsichtbar sein, aber die Lager laufen kühler, merklich ruhiger und schwingungsärmer.
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Das logarithmische Laufbahnprofil der Rollen wurde weiter verfeinert. Die Lager sind dadurch noch unempfindlicher gegenüber Schiefstellung und können höhere Lasten tragen. Der gelungene Formübergang vom zylindrischen Bereich des logarithmischen Profils in den Randabfall der Rolle verhindert schädigende Spannungen.
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Die optimierten Rollenstirnseiten/Bordkontakte wie bei EC-Lagern.
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Die Oberflächenausführung der Laufbahnen von Ringen und Rollen wurde weiter verfeinert und verschafft verbesserte Schmierbedingungen, sodass diese Zylinderrollenlager länger betrieben werden können, selbst unter schlechten Schmierbedingungen.
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SKF Explorer Lager stehen mit verschiedenen Käwerkstoffen und -ausführungen zur Verfügung, um unterschiedlichen Betriebsbedingungen standzuhalten. Die Konstruktion von allen Käen, die in SKF Explorer Lagern zum Einsatz kommen, trägt zu guter Schmierung an allen Kontaktflächen bei, selbst bei gelegentlicher Unterbrechung der Schmierstoffversorgung.
Umfangreiche Lebensdauertests bestätigten die erhöhten dynamischen Tragzahlen.
Das Ergebnis ist eines, worauf man sehr stolz sein kann: Die einreihigen SKF Explorer Zylinderrollenlager setzen einen neuen Standard bezüglich Leistung und Lebensdauer. Sie haben eine verbesserte Fähigkeit, dynamische Belastungen aufzunehmen und eine bis zu dreimal höhere Lebensdauer als der bisherige Standard, wodurch sie allen anderen herkömmlichen Zylinderrollenlagern überlegen sind. Kürzlich wurden mittelgroße Lager weiterentwickelt und der SKF Explorer Leistungsklasse hinzugefügt. Diese Lager sind mit dem Zusatz /PEX gekennzeichnet.
Die Leistungsverbesserungen bei den SKF Zylinderrollenlagern haben bei geichen Bedingungen ein Downsizing ermöglicht (Bild 8). Geringere Reibung und eine Reduzierung der Lagermasse haben zu geringerem Energieverbrauch geführt.
Der Fortschritt hörte jedoch hier nicht auf. Für einige Anwendungen, beispielsweise bei Industriegetrieben, insbesondere für die Windkraftindustrie, ist hohe Tragfähigkeit zur Erreichung hoher Gebrauchsdauern von allergrößter Bedeutung. SKF entwickelte das High Capacity Zylinderrollenlager (Bilder 9a und 9b). Diese SKF Explorer Lager haben, verglichen mit den Standard SKF Explorer Lagern, eine größere Anzahl Rollen, während die Außen- und die Rollenabmessungen beibehalten wurden. Die Wandstärken bleiben dadurch identisch zu der seit 45 Jahren bewährten E-Lagerausführung.
Die innovative Gestaltung liegt in der Käausführung. In einem High Capacity Zylinderrollenlager ist der Kä weit ober- oder unterhalb des Lagerteilkreises angeordnet und stützt sich auf den Ringschultern ab. Der Stahl-Fensterkä ist mit der Festigkeit eines zweiteiligen, rollengeführten Messingmassivkäs vergleichbar, obwohl er mehr Rollen hat.
Im Vergleich zum Standardlager kann je nach Käausführung die Rollenanzahl in einem Lager der Maßreihe 23 um ein bis zwei Rollen und in einem Lager der Maßreihe 22 um zwei bis drei Rollen erhöht werden.
Nach theoretischen Untersuchungen und Simulationen wurde dieses Konzept über ein Jahr im Versuch erprobt. Der abschließende Validierungstest dauerte 1.000 Stunden. SKF High Capacity Zylinderrollenlager sind in Windkraftanlagen in verschiedenen Abmessungen seit mehreren Jahren erfolgreich im Einsatz. Mehrere Inspektionen zeigten ihre Leistungsfähigkeit in diesen Anwendungen.
Schließlich führte SKF 2007 als Antwort auf die stetig zunehmende Frage nach geringerer Reibung und dabei niedrigerem Energieverbrauch das Konzept der energieeffizienten Lager ein. Die ersten SKF energie-
effizienten Zylinderrollenlager vom Typ E2 (Bild 10) sind mittelgroße Lager der NJ Reihe. Verglichen mit dem gegenwärtigen SKF Standardlager zeigt das neue SKF E2 Zylinderrollenlager eine Verringerung des Reibungsbeiwertes um bis zu 85% bei axialer und radialer Belastung (Bild 11) und eine höhere dynamische Tragzahl, durch Einbindung von SKF Explorermerkmalen. Diese neuen reibungsarmen Lager sind für ein breites Anwendungsgebiet vorgesehen, der Hauptschwerpunkt liegt jedoch bei Industriegetrieben und Getrieben für Windkraftanlagen.
Hauptmerkmale sind die geringere Reibung mit der Folge niedrigerer Betriebstemperaturen, verbesserte Schmierbedingungen und höhere axiale Tragfähigkeit. Hinzu kommen ein geringerer Energieverbrauch und höhere Effizienz bei niedrigeren Kosten und Emissionen sowie höheren Drehzahlen (+10% im Vergleich zum Standard). Diese letzte Entwicklung der Zylinderrollenlager bietet eine verlängerte Gebrauchsdauer und höhere Betriebssicherheit. Diese neuen Lagerausführungen folgen dem langen Erbe der Rollenlager, die den Anforderungen ihrer Epoche nachgekommen sind.