Abfall aus ökonomischer Sicht

Wenn Unternehmen etwas für die Umwelt tun, kommt das nicht nur der Ökologie, sondern auch der Ökonomie zugute, behaupten TheoretikerDie Welt hat damit begonnen, ihre Haltung gegenüber der gesamten industriellen Produktionskette mit all ihren Elementen zu verändern, und das kommt keinen Tag zu früh, meint Amory Lovins, Autor, Umweltberater, Verfechter der Nachhaltigkeit und des „natürlichen Kapitalismus“, wie er es nennt.

Ähnliche Inhalte

Wenn Unternehmen etwas für die Umwelt tun, kommt das nicht nur der Ökologie, sondern auch der Ökonomie zugute, behaupten TheoretikerDie Welt hat damit begonnen, ihre Haltung gegenüber der gesamten industriellen Produktionskette mit all ihren Elementen zu verändern, und das kommt keinen Tag zu früh, meint Amory Lovins, Autor, Umweltberater, Verfechter der Nachhaltigkeit und des „natürlichen Kapitalismus“, wie er es nennt.

   Lovins und andere Ökologen sind sich darüber einig, dass der Verfall der Ökosysteme nur aufgehalten werden kann, wenn die gedankenlose Ausbeutung von Naturschätzen aufhört und die Auffassung von Industrieabfall, der heute meist nur auf irgendwelchen Deponien landet, geändert wird.
   Hierfür bedarf es einer neuen Perspektive, denn die Handhabung von Abfallprodukten ist weniger eine ökologische als eine ökonomische Frage. Martin Baxter, Betriebsleiter des britischen Instituts für Umweltmanagement und –bewertung IEMA formuliert das so: „Die Unternehmen geben im Schnitt vier Prozent ihres Umsatzes für die Abfallentsorgung aus, wobei die tatsächlichen Abfallkosten insgesamt wesentlich höher sind, denn für jeden Betrag, der für die Entsorgung aufgewendet wird, ist bereits das Neunfache für die Produktion des Abfalls gezahlt worden.“ Die Unternehmen müssen nach Ansicht von Baxter einsehen, dass sie Abfall produzieren. Lovins hat dafür einen anderen Ausdruck; er nennt es „nutzlose Produktion“.
Komplettes Recycling
In Finnland hat Corenso United Oy Ltd, ein Unternehmen der Stora Enso Gruppe, den weltweit ersten kompletten Abfallrecyclingprozess entwickelt. Die Sägewerke sowie die Zellstoff- und Papierfabriken des Unternehmens arbeiten Hand in Hand. Die jeweils anfallenden Abfallprodukte werden nicht auf Deponien gelagert, sondern vollständig verwertet. Die Restprodukte der Sägewerke und Zellstofffabriken werden verbrannt und liefern auf diese Weise die notwendige Energie für die Maschinen und Heizsysteme der Papierfabriken. Diese wiederum beziehen zwei Drittel ihrer gesamten Rohstoffe aus recyceltem Material. Im Jahr 2000 verwertete Stora Enso zwei Millionen Tonnen Altpapier – das entspricht 80.000 Lkw-Ladungen.
   „Mit weniger Materialeinsatz mehr zu produzieren, das ist ein erfolgsversprechendes Konzept“, meint Päivi Sihvola, Vice President Environmental Communications bei Stora Enso. „So können wir die Umweltbelastung verringern und gleichzeitig Geld sparen.“
Geschlossener Kreislauf
Ein zentraler Begriff der nachhaltigen Entwicklung ist der „geschlossene Kreislauf“, bei dem keine Naturschätze ausgebeutet und keine Giftstoffe oder Abfallprodukte erzeugt werden. Alles nur Visionen? Nein, keineswegs, sagt Ray Anderson, Geschäftsführender Direktor von Interface Inc., einem internationalen Teppichhersteller und Lieferanten von Teppichfliesen.
   Der Hauptrohstoff der Teppichindustrie ist Erdöl, und ein großer Teil ihrer Produktion landet auf den Mülldeponien dieser Welt. Seit 1994 arbeitet Anderson jedoch an Veränderungen, die diese Branche in ein neues Licht rücken.
   Interface hat das „Evergreen Lease“-System eingeführt, was bedeutet, dass Unternehmen den Fußbodenbelag für ihre Büroräume nicht mehr kaufen, sondern gegen eine monatliche Gebühr leasen.
   Interface übernimmt die Wartung des Teppichbodens, den Austausch von abgenutzten Teilen sowie die Entsorgung des Bodenbelags am Ende seiner Nutzungsdauer.
   Das neue Geschäftsmodell hat sich für Interface ausgezahlt. Der Verlust an Arbeitsplätzen durch den Rückgang des Teppichverkaufs um anfänglich 80 Prozent wurde durch neue Arbeitsplätze im Verlege- und Servicebereich ausgeglichen. In nur vier Jahren, in denen außerdem radikale Abfallvermeidungsprogramme durchgeführt wurden, konnte Interface seine Umsatzerlöse mehr als verdoppeln, sein Betriebsergebnis mehr als verdreifachen und die Zahl der Beschäftigten nahezu verdoppeln. Seit 1994 hat das Unternehmen durch Abfallvermeidung 164 Millionen US-Dollar
(185 Millionen Euro) eingespart – Mittel, die in den laufenden Umstrukturierungsprozess reinvestiert wurden.
   Als nächsten Schritt auf dem Weg zu einer Produktion in geschlossenem Kreislauf führte Interface einen klimaneutralen, gift- und chlorfreien Bodenbelag unter der Bezeichnung Solenium ein, zu dem sich inzwischen eine ganze Palette ähnlicher Produkte gesellt haben. Solenium erfordert 35 Prozent weniger Rohstoffe als herkömmliche Teppichböden, hält viermal so lang und ist hundertprozentig recycelbar. Wenn Interface Solenium in ausreichenden Mengen verkauft, wird das Unternehmen in Zukunft einen geschlossenen Kreislauf haben, dessen Wirkungsgrad verglichen mit dem früheren Geschäftsmodell um 97 Prozent höher ist. Der Verbrauch von Erdöl und die Abfallentsorgung auf Mülldeponien werden dann endgültig der Vergangenheit angehören. Dies hätte enorme Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit.
   Lovins meint dazu: „Wenn Sie Ihr Geschäftskonzept so grundlegend umstellen, wird kaum ein konventionelles Unternehmen mit Ihnen konkurrieren können.“
Hypercars
Ein anderes revolutionäres amerikanisches Produkt, das sich bereits im Prototypstadium befindet, ist das Auto der Zukunft. Das völlig neue Fahrzeugkonzept basiert auf leichten Materialien aus hochentwickelten Verbundwerkstoffen und einer optimalen Aerodynamik, die den Luftwiderstand um ein Drittel senkt. Das von Wasserstoff-Brennstoffzellen angetriebene Ultraleichtfahrzeug soll in der Lage sein, sechs Personen bequem und sicher zu befördern, und das bei einem Kraftstoffverbrauch von bescheidenen 3,5 Litern auf 100 Kilometern und einer Reichweite von 1.000 Kilometern.
   Hypercar Inc hat seinen Sitz in Basalt (Colorado), unweit des von Amory Lovins gegründeten und geleiteten Rocky Mountain Institute. Lovins ist auch Vorstandsvorsitzender von Hypercar Inc. „Fahrzeuge wie diese wird man in fünf Jahren überall bekommen können. In zehn Jahren werden sie auf dem Markt dominieren und in 20 Jahren werden sie Kraftfahrzeuge mit konventionellem Antrieb verdrängt haben“, prognostiziert Lovins. Selbst das konservative Verkehrsministerium in Deutschland sagt Brennstoffzellenantrieben einen zehnprozentigen Marktanteil bis 2010 voraus.
   Michael Brylawski, Vice President von Hypercar Inc, nennt noch weitere Vorzüge der umweltfreundlichen Konstruktionsplattform. „Die Technologie, die bei
diesem Fahrzeug für eine hohe Energieeffizienz sorgt, bringt auch finanzielle
Vorteile mit sich, so zum Beispiel eine längere Lebensdauer. Moderne Verbundwerkstoffe rosten oder
verbeulen nicht und halten deshalb erheblich länger als Metallkonstruktionen.“
   All dies wäre nichts wert, wenn sich das Fahrzeug auf dem Markt nicht absetzen ließe. Dazu Brylawski: „Der entscheidende Punkt ist, dass umweltfreundliche Technologie auch das Ergebnis verbessern muss, sonst wird sie kein Erfolg auf dem Markt. Das wiederum würde bedeuten, dass sie sich nicht in ausreichendem Umfang durchsetzen könnte, um einen positiven Einfluss auf die Umwelt auszuüben.“ Für das Hypercar-Konzept sprechen nicht zuletzt auch die niedrigeren Entwicklungskosten sowie das geringere zur Kostendeckung erforderliche Produktionsvolumen.
Umweltfreundlicher Apfelwein
Für Hypercar wird es noch einige Jahre dauern, bis die Produktion in Gang kommt. Das umweltbewusste britische Unternehmen Bulmers hingegen ist bereits erfolgreich, und das seit über 100 Jahren. Bulmers ist einer der weltweit größten Produzenten von Apfelwein. Mit Fabriken in sieben Ländern erreicht das Unternehmen einen Jahresumsatz von rund 500 Millionen US-Dollar (565 Millionen Euro).
   Zurzeit läuft bei Bulmers ein ehrgeiziges Programm zur Reduzierung der Umweltbelastungen, das alle Aspekte der Produktion einschließt, aber auch hier steht der Abfall wieder im Mittelpunkt. „Wir arbeiten darauf hin, dass Abfall als ungenutzte Ressource anerkannt wird“, erklärt Richard Heathcote, der bei Bulmers für das Nachhaltigkeitsmanagement verantwortlich ist. Das Unternehmen verarbeitet ein Viertel der gesamten Apfelernte Großbritanniens. Die Apfelreste, die bisher verbrannt wurden, könnten bald als Nährboden für den Anbau von Pilzen genutzt werden und damit eine neue Einkommensquelle aus einem bislang unerkannten Wirtschaftsgut darstellen.
   „Das wird den Umsatz nicht nennensweit steigern“, meint Heathcote, „aber die Abfallproduktion verringern und die Kosten senken. Wir finden, das ist ein innovativer Weg der Gewinnsicherung.“
Ron McMillan
  
Technikjournalist in Schottland
  
Fotos Tony Stone und Hypercar Center
  

Halten Sie mich auf dem Laufenden

Sind Sie interessiert an Themen, die sich mit Engineering und Technik beschäftigen? EVOLUTION bietet Inhalte, die Ihnen Einblick in neue Techniklösungen gibt. Lesen Sie über neue Entwicklungen in spannenden Unternehmen, Industrien und Themenfeldern.

Newsletter erhalten