Achsen die rollen und rollen…
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Achsen sind bereits seit 1898 das Stammgeschäft der BPW Bergische Achsen KG. Auf Fahrwerken des Unternehmens rollen heute Traktoren und Anhänger auf der ganzen WeltDas Werk der BPW Bergische Achsen KG liegt ausgestreckt im Wiehltal im Bergischen Land und bezeichnet den Flecken, an dem das Unternehmen vor über 100 Jahren gegründet wurde. Als die Familie Kotz das Unternehmen im Jahr 1898 errichtete, war es das Wasser der Wiehl, das die Hämmer der Schmiede antrieb, die Achsen für Pferdefuhrwerke herstellte. Damals erfolgten Verkauf und Vertrieb der Achsen noch ausschließlich vor Ort – erst, als sich die Eisenbahn durchs Tal schlängelte, begann BPW, seine Produkte auch über die Region hinaus zu vertreiben.
Heute ist BPW einer der weltgrößten Hersteller von Achsen und Fahrwerken für gezogene Fahrzeuge. Noch immer fertigt man Achsen und Fahrwerke auch für Landmaschinen und sonstige Anwendungen von geringerer Achslast, der größte Teil der Produktion widmet sich jedoch Achsen für Schwerlast-Anhänger und -Auflieger – um im Bilde zu bleiben, jenen Arbeitspferden, die heute die Güter der Welt transportieren. Die Fertigungsstätten des Unternehmens in Ungarn, Italien, China, Südafrika und Australien sowie an mehreren Standorten in Deutschland liefern pro Jahr eine Viertelmillion solcher Achsen aus.
Von einem Unternehmen solch internationalen Zuschnitts wird erwartet, dass es Maßstäbe setzt. BPW beschäftigt über 100 Ingenieure, die ihren Beitrag dazu leisten, dass das Unternehmen die technologische Spitzenposition, die es innerhalb der Branche einnimmt, auch bewahrt. In seiner Werbung verweist BPW mit Stolz auf seine 2.500 Produktinnovationen und 400 Patente. Tatsächlich stand bereits am Anfang des Werksbetriebs eine patentierte Achskonstruktion, die sich durch eine permanente Ölschmierung auszeichnete. Seit jeher ist Innovation ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur.
Einen großen Aufschwung habe das Unternehmen im Jahr 1923 genommen, als es sich zur Schaffung der ersten mit Kegelrollenlager versehenen Anhängerachse mit SKF Norma zusammentat, erzählt Rupert Habersatter, Marketingleiter bei BPW. Die bis dahin verwendeten einfachen Achslager hatten noch ungefähr im Wochenabstand der Schmierung bedurft. Die 1923 vorgestellten Achsen waren nichts weniger als revolutionär, ermöglichten sie doch mit einem Schlag mit derselben Zugkraft eine um 50 Prozent höhere Ladekapazität bei gleichzeitiger Einsparung von 80 Prozent Schmiermittel und 10 Prozent Kraftstoff. Die neuen Achsen gestatteten zugleich höhere Geschwindigkeiten, da sich die Kegelrollenlager nicht so rasch erhitzten. Außerdem kamen sie mit nur mehr einer Schmierung pro Jahr aus.
Vor zehn Jahren entwickelte BPW seine ECO-Nabe. Ihr hervorstechendes Merkmal war eine Radnabe, in der die Lager und die Druckscheibe sich nach dem Lösen lediglich einer Mutter gemeinsam von der Achse nehmen ließen. Zugleich konnten die verschiedenen Teile der Nabe wie Lager und Dichtungen einzeln ausgewechselt werden. Diese Entwicklung wurde von der Industrie begeistert aufgenommen.
Wie der technische Direktor von BPW, Dr. Jörg Ebert versichert, habe er, als er 1996 zum Unternehmen stieß, erst einmal sechs Monate lang den Markt beobachtet, bevor er die Aufnahme eines neuen Produkts in das Programm von BPW empfahl. Im Januar 1997 begann die Entwicklung dessen, woraus die ECOPlus-Nabe hervorgehen sollte. „Unser Ziel“, erläutert Ebert, „bestand in der Entwicklung einer Nabe, die in punkto Wartungsbedarf selbst noch die ECO-Nabe in den Schatten stellen sollte, dabei jedoch im Falle eines Falles einen absolut problemlosen Teileaustausch zulassen würde.“
„Wir verfügen über einen eigenen Prüfstand für unsere Lager“, fährt Ebert fort, „und wir sind weltweit das einzige Unternehmen, dessen Hauptgeschäft nicht in der Fertigung von Lagern besteht, das dies von sich feststellen kann.“
Die Tests enden indes nicht am Prüfstand. BPW testete die neue Nabe sowohl in einem staubigen Steinbruch in Australien als auch im skandinavischen Tiefschnee. Sie wurde durch Flüsse getrieben und, was am wichtigsten ist, wiederholten Rangiermanövern ausgesetzt, die eine Anhängerachse besonderen Belastungen aussetzen.
„Der Transport einer Ladung Tomaten von Südspanien in den Norden Dänemarks ist für das Material eine Kleinigkeit“, meint Ebert. „Was die Achse wirklich belastet, sind die Rangiermanöver am Ende der Fahrt.“ Beim genauen Positionieren des Anhängers wird die Lenkung oft im Stand betätigt, was die Nabe in besonderer Weise belastet.
Die Lösung für all diese Probleme wurde im November 1999 präsentiert. BPW hatte das SKF Programm an Nabeneinheiten für Lkw ausprobiert, entschied sich dann jedoch für die Entwicklung einer eigenständigen Lösung, die im Einklang mit den traditionellen Konstruktionsprinzipien des Unternehmens stehen würde. BPW-Ingenieure entwarfen eine BPW-Einheit, in der Standard-DIN-ISO-Kegelrollenlager zum Einsatz gelangten, die es in jeder gut sortierten Werkstatt geben würde, sollte auf der Fahrt einmal etwas schief laufen.
Lagervorspannung
Einen kritischen Parameter für die Lebenserwartung einer Nabe stellt die Lagervorspannung dar. Eine zu hohe oder zu geringe Lagervorspannung außerhalb eines schmalen Bereichs kann die Lebensdauer eines Lagers erheblich verkürzen. Bei der ECO-Nabe musste der Wartungstechniker die Achsmutter mit einem bestimmten Drehmoment anziehen und zu deren Sicherung einen Splint einstecken.
Das besondere Merkmal des ECOPlus-Systems war nun ein Ratschen-Spannscheiben-System, welches sicherstellt, dass die Mutter nur bis zu einem bestimmten Drehmoment angezogen werden kann. Bei einem höheren Anzugsmoment springt die Ratsche über. Und auch die Splintsicherung verabschiedete sich. Ein kleiner Keil wird axial in eine Verzahnung eingedrückt und mit einem Ring gesichert. „Wir haben jede Menge komplizierterer Lösungen ausprobiert, bis wir diese Lösung fanden“, meint Ebert. „Die einfachste ist eben meistens auch die beste.“
Das der ECOPlus-Nabe zugrunde gelegte Konzept lautet: „wartungsfrei, dabei uneingeschränkt wartungsfähig“. Dies bedeutet, dass die Nabe im Normalfall keinerlei Nachjustierung oder Reparatur bedarf; sollte dennoch einmal ein Wartungseingriff erforderlich sein, lässt sich dieser mit Standardwerkzeug vornehmen. Auf demselben Prinzip fußt auch das neue Aufhängungssystem Airlight II, das sich zudem durch ein gegenüber früheren Systemen um 25 bis 31 Kilogramm geringeres Gewicht auszeichnet.
Das Vertrauen, das BPW seiner ECOPlus-Nabe entgegenbringt, geht so weit, dass es bereit ist, bei ausschließlichem Straßeneinsatz auf seine Achsen eine europaweite fünfjährige Garantie ohne Kilometerbeschränkung zu bieten. „Schließlich“, gibt Ebert zu bedenken, „ist es nicht die Kilometerzahl, sondern das Manövrieren, das Probleme schafft.“ Nach einer Durchprüfung verlängert sich die Garantie um weitere drei Jahre.
Zuverlässigkeit, Effizienz und geringer Wartungsbedarf sind ein Jahrhundert nach der Gründung des Unternehmens durch die Familie Kotz weiterhin die Garanten für den Erfolg von BPW. Noch immer sind im Verwaltungsrat Angehörige der Familie vertreten, und noch immer liegt das Werk ausgestreckt an den Ufern der Wiehl. BPW ist einer jener deutschen Produktionsbetriebe, die den Schritt vom lokalen Handwerksbetrieb zu einem international erfolgreichen Unternehmen geschafft haben.
Michael Lawton
Journalist mit Wohnsitz in Köln
Fotos BPW und Getty Images