Al Gore Klima-Kreuzritter
Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore hat mit seinem Kampf für eine Lösung der Klimakrise eine neue Aufgabe gefunden
Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore hat mit seinem Kampf für eine Lösung der Klimakrise eine neue Aufgabe gefunden
„Hallo, mein Name ist Al Gore,und ich sollte einmal der nächste Präsident der Vereinigten Staaten werden.“
Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore muss sich eigentlich nicht vorstellen. Der Mann, der 2000 die Präsidentschaftswahl gegen George W. Bush nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs spektakulär verlor, hat sich geschickt von einem Objekt des Mitleids in einen entschlossenen Umweltkämpfer, Investmentbanker, Dozenten, Medienmogul, außenpolitischen Experten und Internet-Enthusiasten verwandelt. In Interviews gibt er an, es sei ihm noch nie so gut gegangen wie zurzeit.
Und falls Al Gore noch nicht überall bekannt war, so wurde er es spätestens, als 2006 sein Film Eine unbequeme Wahrheit weltweit in die Kinos kam. Gewöhnlich werden Filmstars Politiker. Bei Al Gore ist es umgekehrt.
Der Film basiert auf über 1.000 Vorlesungen von Al Gore und zeichnet ein düsteres Bild von der Bedrohung der Zivilisation durch die Erderwärmung. Wenn die Menschen auf diesem Planeten überleben wollen, so Gores Botschaft, haben sie noch etwa zehn Jahre Zeit, um eine Wende herbeizuführen.
Al Gore bezeichnete sich einmal selbst als „genesender Politiker“ und nannte die Politik „vergiftend“ – eine Einstellung, die aus seiner Sicht völlig verständlich ist, wenn man bedenkt, dass er den Posten als mächtigster Mann der Welt schon in greifbarer Nähe hatte und nur mit einer Handvoll Stimmen und einem Urteil des Obersten Gerichtshofs unterlag.
Heute ist Al Gore gefragter denn je. Trotz seiner enormen Beliebtheit weist er jedoch in allen Interviews Pläne für ein politisches Comeback und eine erneute Präsidentschaftskandidatur bei den Wahlen 2008 entschieden zurück. Der ehemalige Vizepräsident sitzt im Aufsichtsrat von Apple und berät das Topmanagement von Google, zweifellos zwei der fortschrittlichsten Technologieunternehmen der Welt.
Vor zwei Jahren bildeten Al Gore und David Blood, ehemals Chef der Vermögensverwaltung von Goldman Sachs, einen Investmentfonds, der auf den Prinzipien der Nachhaltigkeit basiert. Der Name der Fondsgesellschaft ist Generation Investment Management. Der Grundgedanke ist, in einer Wirtschaft mit stark vermindertem Kohlendioxidausstoß, wie es Gore und Blood für die nahe Zukunft voraussagen, hohe Gewinne zu erzielen. Die Financial Times konnte sich die Überschrift nicht verkneifen: „Blood and Gore lancieren ein etwas anderes Unternehmen.“
Anschließend brachten Gore und ein Investorenkonsortium 70 Millionen US-Dollar (52 Millionen Euro) auf und erwarben einen unbedeutenden Kabelsender, der in Current TV umbenannt wurde. Die Idee ist, die Zuschauer an der Programmgestaltung zu beteiligen, etwa nach dem Muster des beliebten Videoblogs YouTube im Internet. Ironischerweise schrieb Gore seine Diplomarbeit an der Havard University über das Verhältnis des Fernsehens zum Präsidentschaftsamt. Während seines Studiums teilte er übrigens ein Zimmer mit dem Hollywood-Schauspieler Tommy Lee Jones.
Wie passen alleseine verschiedenen Rollen – Filmstar, Internetfreak, Journalist, politischer Experte, Umweltaktivist, Lehrer, Investmentbanker, Medienmogul und Dozent – zusammen?
In Gores Welt sind diese Engagements Teile desselben Puzzles. Gore ist ein neogrüner Unternehmer mit einem messianischen Glauben daran, dass sich die Erderwärmung auf technologischem Weg stoppen lässt. Sein Ziel ist, marktgesteuerte technologische Lösungen für die Klimakrise durch eine Kombination von öffentlichem Bewusstsein, politischen Aktionen und dem guten alten Kapitalismus zu finden. Er nennt die Klimakrise ein von ideologischen Strömungen unabhängiges Thema.
Nach Gores weltweitem Kinodebüt soll der Film Eine unbequeme Wahrheit nun kostenlos in amerikanischen Schulen gezeigt werden, sozusagen als eine Art Dienst an der Öffentlichkeit. Gore und seine Frau bilden derzeit eine ganze Armee von Personen aus, die mit der im Film verwendeten PowerPoint-Präsentation und dem Bildmaterial auf Tournee gehen und Gores Botschaft verbreiten werden.
Es ist ziemlich ungewöhnlich, dass ein ehemaliger US-Vizepräsident nach Verlassen seines Amtes eine so starke Medienpersönlichkeit wird. Der springende Punkt ist, dass Gore, als er Vizepräsident war und für das Präsidentschaftsamt kandidierte, von seinen Beratern den Tipp erhielt, Umweltfragen nicht in den Mittelpunkt zu stellen. Präsident Bush nannte ihn einmal in einer denkwürdigen Debatte den „Ozonmann“.
Ob Ozon oder Eisschmelze, Al Gore ist es gelungen, sich die Macht des Internets für seine Sache zunutze zu machen. Als Gore noch im Amt war, galt er nicht direkt als Medienmagnet und wurde oft von Bill Clintons glanzvollen Auftritten überschattet.
„Es hat sich gezeigt, dass die Person Al Gore, die Al Gore selbst ins Rampenlicht rückt, eindeutig interessanter und attraktiver ist, als der seriöse steife Politiker, den die Medien präsentierten und an den sich die Wähler erinnern“, schreibt Ezra Klein in einem Artikel der liberalen Zeitschrift American Prospect.
Und so tritt Al Gore heute in der Öffentlichkeit auf. Befreit von politischen Ämtern und ohne Zwänge kann er sich auf das konzentrieren, was ihn am meisten interessiert.
Im Laufe der Jahre hat es ihn oft hart getroffen, wie er in den Medien dargestellt wurde. Der ausgebildete Journalist wurde als enormer Übertreiber, ideologisches Chamäleon und Langweiler beschimpft. Gore verteidigt sich damit, die Presse erfülle nicht ihre Aufgabe und würde die Menschen nicht richtig informieren.
Um der kritischen Musterungdurch die Presse nach seiner Niederlage bei der Präsidentschaftswahl zu entgehen, stellte er seine Reden ins Internet und veröffentlichte sie auf der Website MoveOn.org, die sich als eine führende politische Kraft etabliert hatte und Gore einen direkten Zugang zu Millionen von engagierten Aktivisten weltweit eröffnete.
Auf diese Weise kann man die herkömmlichen, altbewährten Medien umgehen und ein noch größeres Publikum erreichen, das Al Gores Botschaften zu schätzen weiß.
„Gore will Dinge verändern und sich von dem verzerrenden und erdrückenden Prozess der Standardmedien lösen“, sagte der einstige Vorsitzende der Federal Communications Commission (FCC), Reed Hundt, ein enger Freund von Gore, in einem Artikel in der Zeitschrift Wired.
Jedes Mal, wenn Gore sich zu Wort meldet, erhalten garantiert drei Millionen MoveOn-Mitglieder einen Hinweis als Link direkt in ihrer Mailbox. Es ist Gore live, und jeder kann ihn sehen.