Auf den richtigen Vergleich kommt es an

Benchmarking ist die Kunst, sich an den Besten zu messen, um mit dem eigenen Unternehmen Spitzenleistungen zu erzielen. Es kommt jedoch darauf an, gegen die Richtigen anzutreten

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Benchmarking ist die Kunst, sich an den Besten zu messen, um mit dem eigenen Unternehmen Spitzenleistungen zu erzielen. Es kommt jedoch darauf an, gegen die Richtigen anzutreten

Benchmarking wird inzwischenin allen Teilen der Welt als Instrument zur Leistungssteigerung genutzt. Viele Betriebe halten sich jedoch für besser als sie sind. Das ist einer der Hauptgründe, weswegen Bemühungen um höhere Zuverlässigkeit oft scheitern, meint Dick Olver, Vorsitzender des „Best Practice“-Komitees der SMRP (Society of Maintenance and Reliability Professionals).

„Man sollte die Schwierigkeit nie unterschätzen, seine eigene Leistung bei Instandhaltung und Zuverlässigkeit richtig einzuschätzen“, sagt er. „Erst durch den neutralen Blick von außen erkennt man, dass man nicht so gut ist, wie man denkt. Benchmarking ist ein Weg, um Menschen die Augen zu öffnen.“

Einige Betriebe vergleichen sich mit anderen, um festzustellen, wie gut oder schlecht sie selbst arbeiten. Sie messen die Unterschiede zwischen der eigenen Leistung und der ähnlicher Unternehmen. Anhand von Leistungsindikatoren analysiert man Schlüsselzahlen und kommt vielleicht zu der Erkenntnis, dass andere Unternehmen viel besser abschneiden als man selbst.

Bevor jedoch Schritte unternommen werden, müssen sich die Unternehmen genauer anschauen, wie sie und andere die Leistungsindikatoren definieren, ermahnt Olver. „Gutes Benchmarking setzt voraus, dass man sich mit den Details auseinandersetzt. Einige schließen zum Beispiel in die Definition des Begriffs Verfügbarkeit die geplante Durchlaufzeit ein, und andere nicht.“

„So etwas macht einen gewaltigen Unterschied aus, wenn man sich die Zahlen anguckt“, fährt Olver fort. „Wenn man nicht genau versteht, wie die Zahlen ermittelt wurden, passiert es leicht, dass man Äpfel mit Birnen vergleicht.“

Branchenübergreifende Verbände wie SMRP und European Federation of National Maintenance Societies bemühen sich, gemeinsame Definitionen der zentralen Leistungsindikatoren und der „Best Practices“ zu erarbeiten, um allen eine einheitliche Ausgangsbasis zu bieten.

Unternehmen wie Dupont, Dofasco und Hercules betrieben schon in den 1980er und 1990er Jahren Benchmarking im Instandhaltungssektor, um hier die besten Methoden zu finden.

„Ein Großteil der heutigen Wartungs- und Zuverlässigkeitsstrategien wie etwa die zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung, die wöchentliche Planung und die Verwendung von Checklisten basiert auf diesen Bemühungen“, erklärt Olver. „Es gibt nicht viel Neues, obwohl einige technische Fortschritte erzielt wurden. Ein Beispiel sind Handcomputer, die heute routinemäßig bei Wartungsrunden eingesetzt werden. Das Wissen ist also vorhanden. Es muss nur noch umgesetzt werden.“

Laut Olver war Rank Xerox das erste Unternehmen, das vor 30 Jahren „Äpfel mit Äpfeln“ verglich. Xerox war damals weltweit der größte Hersteller von Kopierern, aber die Japaner machten bessere Geräte, die sie trotz niedrigerem Preis mit gutem Gewinn verkauften. Einzelheiten dazu sind in dem Buch Benchmarking for Best Practices (C. Bogan & M. English, 1994) beschrieben. Bei einem direkten Vergleich mit den Wettbewerbern identifizierte Xerox mehrere Bereiche, in denen die Konkurrenz besser abschnitt. Das war der Beginn einer neuen Ära bei Rank Xerox und die Geburtsstunde des leistungsorientierten Benchmarking.

 

Aber Xerox richteteauch den Blick auf Unternehmen außerhalb der eigenen Branche. Viele Betriebe, die Vergleichsstudien durchführen, beschränken sich nur auf ihre eigene Branche. Dabei liegen die besten Lösungen oft in anderen Segmenten, betont John Yolton, der die SKF Sparte Global Pulp & Paper als Berater für Instandhaltungsstrategien unterstützt.

„Die eigene Branche ist unter Umständen in einigen Methoden so weit zurück, dass man nie erfahren würde, was in anderen Industriezweigen vor sich geht“, sagt Yolton. So lassen sich etwa neue Technologien und Prozesse, die in der Strom-, Erdgas-, Bergbau- und Metallindustrie entwickelt wurden, schon bald auf beispielsweise die Papierindustrie übertragen.“

Yolton zufolge bringt gutes Benchmarking das hervor, was er als „verborgenen Betrieb“ bezeichnet, das heißt ein unentdecktes Sparpotenzial. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, die Kultur und die Prozesse zu ändern und in vielen Fällen auch neue Technik einzuführen.

„Sind diese positiven Faktoren erreichbar? Sicher!“, fügt er hinzu. „Wird es einfach sein? Sicher nicht! Wie bei jeder Wegstrecke, die zurückgelegt werden soll, steht am Anfang einer Investition die Beurteilung der Ausgangslage und der Entfernung bis zum Ziel.“

Auch neue Organisationen betreiben Benchmarking, um auf diese Weise Ziele zu setzen. Als der finnisch-schwedische Zellstoff- und Papierhersteller Stora Enzo und das brasilianische Unternehmen Aracruz Celulose 2005 gemeinsam die 1,25 Milliarden Dollar teure Zellstofffabrik Veracel in Brasilien errichteten, begannen beide Unternehmen mit einer gründlichen Benchmarking-Übung.

 

Vor dem Bau diesesHightech-Betriebs begab sich Luiz Marcello Dionello Piotto, Veracells technischer Leiter, der auch für Instandhaltung zuständig ist, auf eine Reise, um herauszufinden, welche Indikatoren für Spitzenleistung in der Branche gelten. Diese wurden für Veracell zur Zielvorgabe.

„Ich verbrachte viel Zeit damit, andere Zellstofffabriken in allen Teilen der Welt zu besuchen und dort die Vielzahl von Lösungsansätzen zur Erhaltung der Sachanlagen zu analysieren“, erzählt Piotto. „Wir wollten zwar sicher sein, ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit gewährleisten zu können, aber der von uns eingeschlagene Weg muss auch die Möglichkeit für kontinuierliche Kostensenkungen bieten, wenn sich die Zuverlässigkeit erhöht.“

Bei der praktischen Umsetzung von Ergebnissen aus Vergleichsstudien ist allerdings Vorsicht geboten.

„Die Ziele anderer Unternehmen müssen nicht automatisch mit den eigenen übereinstimmen“, meint Wayne Reed von SKF Reliability Systems, Abteilung Anlagenmanagement Services. „Man will ja nicht sein wie alle anderen, sondern so, wie man ist und sein sollte. Nur weil andere Akteure bessere Leistungen erbringen, verfällt man leicht dem Glauben, es reiche, sie nachzuahmen, um genauso gut abzuschneiden. Das ist einfach Unsinn.“

Die meisten Benchmarking-Studien zeigen in der Tat nur die Diskrepanzen zwischen zwei Unternehmen. „Weiter gehen sie nicht“, so Reed. „Nur in den seltensten Fällen geben sie konkret Auskunft darüber, was man selbst unternehmen kann. Die Erreichung einer Spitzenposition setzt voraus, dass man weiß, wer und was man ist und was man leisten sollte. Das sollte die Basis für Beurteilungen sein und nicht der Vergleich mit den Ergebnissen irgendwelcher „Branchenweltmeister“.

 

 

 

 

 

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