Auf den Spuren der Vergangenheit

Die Rekonstruktion eines historischen schwedischen Ostindienfahrers wird im nächsten Jahr noch einmal jene Reise antreten, die das Originalschiff im 18. Jahrhundert in den Orient führte

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Auf der Terra Nova-Werft im schwedischen Göteborg wird zurzeit die Rekonstruktion eines Handelsschiffes aus dem 18. Jahrhundert gebaut. Mit jedem Tag nimmt das Projekt deutlichere und prachtvollere Formen an. Nach Fertigstellung wird es die erste Rekonstruktion dieser Art sein, die sich tatsächlich auf eine Seereise begibt, und zwar um die halbe Welt – nach China. Dorthin fuhr nämlich das Originalschiff bei seinen Handelsmissionen während der Blütezeit der Svenska Ostindiska Companiet (Schwedische Ostindische Kompanie). Lesen Sie dazu auch „Handelsreisen für Tee“.

„Bei dem Projekt geht es nicht nur darum, schwedische Geschichte zu schreiben, sondern auch chinesische. Außerdem wollen wir die Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern verbessern“, erklärt Jörgen Gabrielson, Geschäftsführer der heutigen Svenska Ostindiska Companiet, die 1993 gegründet wurde.

Die Reise des neuen Schiffes soll im Herbst 2004 starten. Geplant sind Zwischenstopps in Spanien, Brasilien, Südafrika, Australien und Indonesien, bevor es sein Endziel, Guangzhou in China, erreicht. In jedem Hafen werden Ausstellungen und Aktivitäten stattfinden, um die schwedische Kultur und Wirtschaft zu vermarkten.

„Unsere Vergangenheit verbindet uns auch mit der Zukunft“, meint Gabrielson. Er ist davon überzeugt, dass sich das Projekt positiv auf die schwedisch-chinesischen Handelsbeziehungen auswirken werde. „Es ist wichtig, eine Beziehung zu China und zu anderen Ländern zu haben“, fügt er hinzu.

Zwillinge
Die auf den Namen Ostindienfararen Götheborg III getaufte Rekonstruktion wird eine nahezu identische Kopie des 1738 gebauten Ostindienfahrers Götheborg I sein, der 1745 nach der Rückkehr von seiner dritten Handelsreise nach China in der Hafeneinfahrt von Göteborg unterging. Es gab auch einen Ostindienfahrer Götheborg II, das zweitgrößte Handelsschiff in der Ostindienflotte der Svenska Ostindiska Companiet. Es versank 1796, zehn Jahre nach seinem Stapellauf, in der Table Bay in Südafrika.

Die Idee zu dem aktuellen Götheborg-Projekt entstand bei der Ausgrabung des Originalschiffes. Bergungsversuche wurden im Laufe der Jahrhunderte immer wieder unternommen. Von 1986 bis 1994 gelang es Meeresarchäologen, das Wrack auszugraben und Tonnen von Porzellan, Tee, Ingwer, Seide, Gewürzen und vieles mehr von der Ladung des Schiffes sowie persönliche Gegenstände der Besatzung zu bergen.

Joakim Severinson, Schiffsbaumeister der Rekonstruktion, gehörte zu den 100 Tauchern, die an den Ausgrabungsarbeiten beteiligt waren. Der langjährige Hobbytaucher Severinson brachte bereits schiffbauliche Erfahrungen von großen Holzschiffen mit, als er sich 1986 dem Ausgrabungsprojekt anschloss.

„Als der Gedanke aufkam, eine Rekonstruktion tatsächlich zu segeln, hielten uns viele für ein bisschen verrückt, und vielleicht waren wir es auch“, sagt Severinson. Das 1996 eingeleitete Schiffbauprojekt unterscheidet sich von anderen Projekten dahingehend, dass die Götheborg III in jeder Hinsicht die für die Hochseeschifffahrt geltenden internationalen Bestimmungen erfüllt und somit voll seetauglich ist.

Vielfältige Probleme
Severinson und sein Team aus 137 Schiffbauern haben viele Probleme zu lösen. Zunächst einmal gab es keine konkrete Vorlage, da nur sehr wenig des Originalschiffes erhalten geblieben war und weder Zeichnungen noch Modelle des Schiffes zur Verfügung standen. In der Vergangenheit arbeiteten die Schiffbauer sehr selten nach Zeichnungen oder Vorschriften – sie hatten alles im Kopf. Bei der Anfertigung einer Zeichnung für die Rumpfkonstruktion verließ sich Severinson auf die bei den Ausgrabungen gefundenen Einzelheiten sowie auf Dokumente aus historischen Archiven. Auch Schiffsmodelle und Zeichnungen von anderen Handelsschiffen derselben Epoche sowie Schiffbauregeln und ein Buch über Takelage erwiesen sich als hilfreich.

Severinson brauchte für die Fertigstellung der Zeichnungen etwa zwei Jahre, von 1993 bis 1995. „Die meisten Schiffe aus dieser Zeit sahen ungefähr gleich aus. Sie unterschieden sich oft nur geringfügig in der Länge und Ausschmückung. Die Rumpfkonstruktion war jedoch praktisch immer die gleiche. „Wir können nicht behaupten, wir bauen eine exakte Kopie des Originalschiffes, aber wir bauen einen für die Mitte des 18. Jahrhunderts typischen schwedischen Ostindienfahrer mit allem, was wir über das Originalschiff wissen. Wir kommen dem Original so nahe, wie es möglich ist.“

Ein weiteres Problem bei den Bauarbeiten war die Suche nach geeigneten Werkstoffen. Für den Bau eines Schiffes aus dem 18. Jahrhundert benötigt man viele Rohstoffe, die heute nicht mehr so ohne Weiteres zu finden sind, wie etwa Kiefern- und Eichenholz eines bestimmten Alters und mit speziellen Abmessungen oder Teer, Eisen und besondere Segelstoffe.

Die größte Herausforderung besteht jedoch laut Severinson darin, die moderne Bordausrüstung so geschickt zu verstecken, dass das Schiff möglichst authentisch aussieht. Das bedeutet, sie muss so weit wie möglich unter Deck angebracht werden, was viel Geduld und so manchen Kompromiss abverlangt. Ohne moderne Technologie wäre jedoch das Unternehmen nicht durchführbar, weil der neue Ostindienfahrer alle Bestimmungen der internationalen Schifffahrtsbehörden erfüllen muss. „Wir können keine Ausnahmen machen“, erklärt Severinson.

Finanzierung
Als letztes ist da noch die Finanzierung. Der Bau der Götheborg III zieht sich wegen Finanzierungsprobleme länger hin, als erwartet. Von den für das Projekt veranschlagten 300 Millionen Schwedenkronen (etwa 36 Millionen Euro) sind bisher 95 Prozent bereitgestellt. Zur Beschaffung der restlichen Mittel bearbeitet Gabrielson zurzeit noch verschiedene Sponsoren. Rund 130 schwedische Unternehmen haben zum Bau des Schiffes beigetragen. Die Svenska Ostindiska Companiet sucht jedoch weitere fünf bis zehn große internationale Gesellschaften, die bereit sind, sich an den Kosten für die Seereise nach China zu beteiligen.

Wenn die erste Seereise der Götheborg III ein Erfolg wird, plant Gabrielson weitere Missionen. Nach seiner Rückkehr aus China im Jahre 2006 soll der Ostindienfahrer eine neue PR-Reise antreten, die über Norwegen durch den Panamakanal nach Amerika führen wird. Danach wird er seine Reise nach Tokio (Japan) und schließlich nach Shanghai (China) fortsetzen, um dort 2010 an der Weltausstellung teilzunehmen. „Wir werden Geschäftsbeziehungen mit Japan, den Philippinen und Singapur aufbauen, um schwedische Unternehmen, die in diesen Regionen tätig sind, zu vermarkten“, erzählt Gabrielson. „Ob unsere Mission gelingen wird, hängt von dem richtigen Zeitpunkt und einem bisschen Glück ab.“


Mit von der Partie

SKF gehört seit mehreren Jahren zu den Sponsoren des Ostindienfahrer-Projekts Götheborg. Wie Danerik Hägglund, Leiter der internen Kommunikation sagt, sponsert SKF nur selten einzelne Projekte, unterstützt jedoch das Götheborg-Projekt, weil die Initiative neue Geschäftsmöglichkeiten bedeutet und in ihrer Dimension mit der globalen Expansion vergleichbar ist, die SKF Gründer, Sven Wingquist, im ersten und zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts startete.

Die Verbindung zu dem Götheborg-Projekt könnte sich für das Unternehmen auszahlen, vor allem weil SKF einen besonderen Schwerpunkt auf die Entwicklung des China-Geschäfts legt, meint Hägglund. SKF könne auch von Chinas Tradition, langfristige geschäftliche und diplomatische Beziehungen aufzubauen, profitieren.

Im Zusammenhang mit den Zwischenstopps in den einzelnen Häfen wird SKF an verschiedenen kommerziellen Aktivitäten teilnehmen. Von großem Nutzen wird die mögliche Teilnahme von global agierenden Markenfirmen sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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