Aufs Maximum minimiert
Bereits 1848 legte der Schmiedemeister Gerhard Elsinghorst den Grundstein für die heutige G. ELSINGHORST Stahl und Technik GmbH. Seither verknüpft das Unternehmen seine betriebliche Tradition mit kontinuierlicher Innovation: Inzwischen feilen die Spezialisten für Stahl und Industriebedarf an ihrer Zukunft im „Industrie 4.0“-Zeitalter. Mit der Einführung des intelligenten Lagermanagement-Systems „Vendor Managed Inventory“ von SKF hat der Bocholter Vertragshändler eine deutschlandweite Pionierleistung vollbracht, die sich schon jetzt mehr als bezahlt macht.
Jeder Verbraucher freut sich, wenn ein gewünschtes Produkt beim Händler seines Vertrauens sofort verfügbar ist. Ergo stellt ein gut sortiertes Lager für jeden Händler ein mächtiges Instrument zur Kundenbindung dar. Allerdings ist die Lagerhaltung zugleich ein beträchtlicher Kostenfaktor: Beispielsweise verlangt der ständige Fluss der Güter nach einem permanenten Abgleich von Warenverkauf, -bestand und -nachbestellungen. Das verursacht sowohl administrativen als auch personellen Aufwand. Außerdem binden die bevorrateten Produkte zum Teil unnötig viel Kapital, was sich im Falle so genannter „Ladenhüter“ am leichtesten nachvollziehen lässt.
„Wer sein Lager auf Effizienz trimmen will, kann an zwei wesentlichen Punkten ansetzen“, meint Dennis Seeger vom Einkauf bei der G. ELSINGHORST Stahl und Technik GmbH (Elsinghorst): „Zum einen sollte die Verwaltung der Bestände und Bestellungen möglichst weitgehend automatisiert werden. Zum anderen muss der Gesamtbestand nicht einfach nur minimiert, sondern vor allem so justiert werden, dass die gewünschte Verfügbarkeit erhalten bleibt.“ Es komme also in hohem Maße darauf an, das Produktportfolio sowie die einzelnen Produkt-Bestände präzise an den jeweiligen Kundenbedarf anzupassen.
So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig
Mit diesem Ziel vor Augen hatte Elsinghorst natürlich schon eigene Lagermanagement-Systeme samt Berechnungsmöglichkeiten geschaffen. „Aber wir wollten – unserer Tradition gemäß – mal wieder neue Wege beschreiten“, wie der Datenexperte bei Elsinghorst, Sebastian Brinks, berichtet. „Und dabei schwebte uns angesichts der Fortschritte in der Informationstechnik eine leistungsfähigere Lösung vor, die den Warenbestand quasi ,selbsttätig‘ überwacht, die erforderlichen Bestellungen automatisch auslöst und außerdem den Warenfluss analysiert.“
An genau dieser Stelle kam SKF ins Spiel: „Einige unserer Vertragshändler im Ausland hatten bereits hervorragende Erfahrungen mit unserem ,Vendor Managed Inventory‘ gesammelt“, weiß Jürgen Schäfer vom Distribution Development der deutschen SKF. Beim kurz „VMI“ genannten System handelt es sich um ein digitales Management-Tool für Lagerbestände, das die Planung auf Basis von gemeinsam definierten Sortiments- und Servicevorgaben automatisiert. „Es passt die Bestandsplanung dynamisch an das Bestellverhalten der Kunden an und optimiert dadurch den Lagerumschlag und die Verfügbarkeit“, erläutert Schäfer. „Außerdem senkt das VMI den Verwaltungsaufwand des Händlers, indem es unter anderem die benötigten Produkt-Nachbestellungen bei SKF automatisch in Gang setzt.“
Neuland in Deutschland
Mit einem solchen Leistungsspektrum stellte das VMI für die Elsinghorst-Anforderungen eine geradezu prädestinierte Lösung dar. Um diese zu installieren, betrat Elsinghorst daraufhin ebenso technologisches Neuland wie die deutsche SKF: Hierzulande gab es noch keine Referenzfälle bzw. Experten. „Das war für einen Mittelständler wie uns durchaus eine Herausforderung“, erinnert sich Seeger, „weil wir’s plötzlich mit IT-Fachleuten in Warschau und Logistik-Spezialisten von SKFs europäischem Distributionszentrum im belgischen Tongeren zu tun bekamen.“
Ein Großteil der Kommunikation lief demzufolge auf Englisch ab, und Kommunikationsbedarf gab es reichlich: „Beispielsweise mussten wir unsere vorhandenen Waren-Datensätze erst mal ins neue System übertragen“, so Brinks. „Dafür existierte zwar eine Art ,Formblatt‘, aber um die technische Anbindung bis zur Funktionstüchtigkeit voranzutreiben, waren viele Detailgespräche erforderlich“. So galt es unter anderem, diverse Schnittstellen zu definieren und sich über Kompatibilitäts-Aspekte auszutauschen, um den gegenseitigen Datentransfer sicherzustellen. „Hinzu kamen einige Debatten über Themen wie Einkaufsmengen oder Durchsätze“, ergänzt Seeger.
Kontrolle weicht Vertrauen
Nachdem alle Rahmenbedingungen erfüllt waren, ging das System im Sommer 2015 erstmals „ans Netz“. Im Rahmen des anfänglichen Probebetriebs justierten die Bocholter VMI-Vorreiter gemeinsam mit den SKF Experten noch einige Parameter nach. „Außerdem haben wir täglich manuell überprüft, ob die Vorschläge des Systems zur Bestandsbereinigung beziehungsweise -auffüllung überhaupt Sinn machen und ob die entsprechenden Bestellungen auch tatsächlich rausgegangen sind“, erinnert sich Brinks. „Zu Beginn waren nicht nur wir Projektleiter, sondern beispielsweise auch unsere Vertriebler etwas nervös“, gesteht Seeger, „schließlich wollten die Kollegen nicht mit ,leeren Händen‘ vor den Kunden stehen müssen, weil der Bestellvorgang versagt.“
Inzwischen hat das System derartige Zweifel jedoch komplett ausgeräumt. „Das VMI gleicht unsere Lagerbestände und Abverkäufe ständig ab. Die kontinuierlichen Berechnungen zur Bestandsplanung funktionieren ebenso zuverlässig wie die Bestellungen. Außerdem warnt uns das System sogar vor, wenn sich mal ein zu geringer Bestand anbahnt. Alles zusammen vermittelt inzwischen eine Sicherheit, die wir uns zuvor kaum vorstellen konnten“, meint Brinks. „Darüber hinaus erhalten wir jeden Monat Statistiken mit wichtigen Kennzahlen. Und die lassen keinen Zweifel daran, dass wir unser Lager im besten Sinne ,gesundschrumpfen‘ konnten: Unser Gesamtbestand ist drastisch gesunken, während sich Umschlagshäufigkeit und Verfügbarkeit enorm verbessert haben“, berichtet Seeger. „Und dies trotz des zusätzlichen Vertriebskanals, den wir 2016 mit einem weiteren, frei zugänglichen Online-Shop eröffnet hatten!“
Der elektronische Pioniergeist von Elsinghorst kommt im Endeffekt auch SKF zugute, wie Kundenbetreuer Schäfer erläutert: „Durch die direkte Händler-Anbindung an unsere Infrastruktur können wir letztlich unsere eigene Lagerhaltung optimieren, den Vertrieb besser planen und unsere Produktion effektiver auf Nachfrageschwankungen einstellen.“
Blick nach vorn
Das gilt umso mehr, als das Bocholter Unternehmen mit rund 200 Mitarbeitern an fünf Standorten schon einen Schritt weiter denkt: „Je genauer man die System-Parameter einstellt, desto besser funktioniert es. Das vereinfacht die gesamte Disposition von Auftrag bis Rechnungsstellung“, erklärt Dennis Seeger, „und dadurch werden Ressourcen frei. Auch deshalb können wir das VMI jedem Händler empfehlen, der ein wenig ,Daten-Affinität‘ mitbringt. Denn unsere Erfahrungen zeigen eindeutig, dass selbst der traditionelle Mittelstand von den modernen Möglichkeiten des ,Industrie 4.0‘-Zeitalters profitieren kann.“