Buckeye Bullet schlägt alle Rekorde

In den Bonneville Salt Flats, einer Salzwüste in Utah, USA, versuchen jedes Jahr eine Vielzahl unterschiedlichster Fahrzeuge einen Geschwindigkeitsrekord zu Land aufzustellen. Bei den Wettbewerben im Oktober 2004 siegte Buckeye Bullet, ein von Studenten der Ohio State University entwickeltes Auto mit Elektroantrieb

Ähnliche Inhalte

In den Bonneville Salt Flats, einer Salzwüste in Utah, USA, versuchen jedes Jahr eine Vielzahl unterschiedlichster Fahrzeuge einen Geschwindigkeitsrekord zu Land aufzustellen. Bei den Wettbewerben im Oktober 2004 siegte Buckeye Bullet, ein von Studenten der Ohio State University entwickeltes Auto mit Elektroantrieb

 

 

Die Bonneville Salt Flats sind eine weiße Salzwüste im amerikanischen Bundesstaat Utah, die sich über eine Fläche von 120 Quadratkilometern erstreckt. Sie liegt rund 150 Kilometer von Salt Lake City entfernt, im Westen der USA. Der harte, ebene Untergrund der Salzwüste macht Bonneville zum idealen Platz für ein Geschwindigkeitsrennen mit ungezügelten Pferdestärken, bei dem der Begriff ‚schnell’ immer wieder neu definiert wird.

Dieser Aufgabe stellte sich auch ein Team von Studenten der Anfangssemester an der Ohio State University. Sie begaben sich im Oktober 2004 mit ihrem Buckeye Bullet, einem batteriegetriebenen Elektrofahrzeug, zur jährlichen Endausscheidung (World Finals) nach Bonneville und kehrten mit einer Handvoll neuer Geschwindigkeits­rekorde nach Hause zurück.

Der Weg nach Bonneville war lang, erklärt Giorgio Rizzoni, Leiter des interdisziplinären Forschungs­zentrums CAR (Center for Automotive Research), das der technischen Fakultät der OSU angegliedert ist. Der Bullet ist ein CAR-Projekt. Die Studenten der OSU hatten bereits vor zehn Jahren erfolgreich an einer Rennserie unter Universitäten mit Elektrofahrzeugen teilgenommen. Danach entstand der Gedanke, sich an Geschwindigkeitsrekorde für Fahrzeuge mit Elektro­antrieb zu machen.

Geplant war ein elektrisch angetriebener „Stream­liner“. So werden die langen, schmalen Hochge­schwindigkeitsfahrzeuge genannt, die offiziell von Organisationen wie der International Federation of Automobiles und der Southern California Timing Association – sie misst bei Geschwindigkeitsrekord­rennen in Bonneville die Zeit – anerkannt sind.

Die nächsten zwölf Monate waren ausschließlich der Entwicklung und Konstruktion des Fahrzeugs gewidmet – und natürlich den Bemühungen, die entsprechenden Mittel aufzutreiben und Partner für das Pro­jekt zu finden. Anschließend verbrachten die Studenten weitere zwei Jahre mit dem Bau des Fahrzeugs und der Lösung des Problems, wie man 400 PS (295 Kilowatt) und potenzielle Geschwindigkeiten von mehr als 500 Stundenkilometer mit einem rund 2.000 Kilogramm schweren flugzeugähnlichen Gefährt realisieren kann.

„Das Geheimnis war, die Probleme Schritt für Schritt anzugehen“, sagt der Leiter des Studententeams, Isaac Harper. „Wir gingen nicht direkt in das Rennen und versuchten, 500 Stundenkilometer zu erreichen, sondern steigerten uns schrittweise. So konnten wir testen, wie sich das Getriebe, die Aufhängung und ähnliche Dinge verhielten. Jedes Mal fuhren wir etwas schneller und hatten neue Probleme zu lösen. Zum Beispiel stellten wir beim ersten Mal, als wir 500 Stundenkilometer erreichten, fest, dass die Reifen heiß wurden, sich Blasen bildeten und sogar durch die Zentrifugalkraft auseinander gingen. Wir schälten den überschüssigen Gummi ab, damit die Hitze schneller entweichen konnte.“

Die erste Reise nach Bonneville unternahm das Team im Oktober 2002, nur um zu sehen, was der Bullet zu leisten im Stande war. „Das Fahrzeug brachte es auf circa 380 Stundenkilometer“, erinnert sich Rizzoni. „Das bedeutete, das Konzept funktionierte, und wir waren alle sehr aufgeregt.“

Rennen in der Salzwüste von Bonneville sind nicht mit gewöhnlichen Autorennen vergleichbar, da die Fahrzeuge einzeln fahren. „Es ist ein Rennen gegen die Zeit, nicht gegen andere Fahrzeuge“, erklärt Rizzoni. Die Strecke ist fünf Meilen (acht Kilometer) lang – eine Beschleunigungsstrecke von zwei Meilen (3,2 Kilometer) und drei Abschnitte à eine Meile (1,6 Kilometer), in denen die Zeit erfasst wird. Die Geschwindigkeiten, die in jedem dieser Abschnitte gefahren werden, werden gemittelt und errechnen sich aus der jeweiligen Einfahr- und Ausfahrgeschwindigkeit. „Unser US-Rekord liegt derzeit bei mehr als 507 Stundenkilometern. Es ist der Durchschnitt des letzten Streckenabschnitts von zwei Durchläufen.“ Der zweite Durchlauf ist erforderlich, um die Rekordgeschwindigkeit zu bestätigen.

Wie Rizzoni sagt, liegen die tatsächlich erzielten Geschwindigkeiten oft erheblich über den Rekord­geschwindigkeiten. Neben anderen Geschwindigkeits-messungen, die in jedem Durchlauf vorgenommen werden, misst man auch an zwei Stellen die Höchst­geschwindigkeit, und zwar bei der Einfahrt in die dritte Meile und bei der Ausfahrt aus der fünften. „Die Aus­fahrgeschwindigkeit am Ende des letzten Strecken­abschnitts ist die Höchstgeschwindigkeit“, so Rizzoni. Hier erzielte der Bullet in einem der beiden Durchläufe im Oktober 2004 ein Tempo von fast 518 Stunden­kilometern. „Bis dahin lag der Höchstgeschwindigkeitsrekord für Fahrzeuge mit Elektroantrieb bei 515 Stundenkilometern. Diesen hielt der französische Hochgeschwindigkeitszug TGV (Train à Grande Vitesse).“

Im Herbst 2004 brach der Bullet außerdem den internationalen Geschwindigkeitsrekord, wenn auch mit einem Ergebnis, das unter dem der anderen Rennen lag. Die internationalen Regeln verlangen, dass die Ge­schwindigkeit über einen „fliegenden Kilometer“ gemessen wird, also über eine kürzere Distanz als die „fliegende Meile“, die nach den amerikanischen Regeln gilt. Außerdem ist vorgeschrieben, dass die Durchläufe in entgegen gesetzter Richtung erfolgen sowie innerhalb von 60 Minuten stattfinden. Nach dem amerikanischen Regelwerk müssen beide Durchläufe innerhalb von vier Stunden abgehalten werden. „Das macht die Sache schwieriger“, meint Rizzoni. „Zum einen brauchen diese Fahrzeuge eine Strecke von zwei bis drei Meilen, um zum Stillstand zu kommen. Danach muss man das Fahrzeug zu einem neuen Startpunkt zurückbringen. Die Fallschirme, die zum Bremsen des Fahr­zeugs unbedingt erforderlich sind, müssen wieder eingepackt werden, was bis zu 50 Minuten dauern kann. Hinzu kommen noch die notwendigen Funktions­prüfungen vor jedem Start und das Laden der Batte­rien, deren Energie für zwei Durchläufe nicht ausreicht. Das alles in einer Stunde zu schaffen, stellt hohe Anforderungen.“

Am 13. Oktober 2004 gelang es dem Team in den beiden entscheidenden Rennen, alles in 57 Minuten zu erledigen und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 437,318 Stunden­kilometern zu erzielen. Der bisherige Rekord lag bei 394 Stundenkilometern, also eine beachtliche Steigerung.

Die Saison 2001 ist vorbei, und Harper richtet den Blick in die Zukunft:

„Wir hoffen auf eine Höchstge­schwindigkeit von 530 bis 540 Stundenkilometer. Das würde einer Leis­tungssteigerung von rund 25 bis 40 Kilometern pro Stunde entsprechen. Außerdem wollen wir den internationalen Rekord auf 480 Stundenkilometer steigern.“

Bevor es jedoch so weit ist, muss zunächst ein Fall­schirmproblem gelöst und das Batteriesystem verbessert werden. Daran wird zurzeit gearbeitet. „Wir haben in den letzten zwölf Monaten große Fortschritte bei den Batterien gemacht, aber sie neigen zum Über­hitzen“, sagt er. „Beim internationalen Rekord hat man nur eine Stunde für das Abkühlen und Aufladen der Batterien. Das heißt: entweder sind wir in der Lage, genug Geld aufzubringen, um einen zweiten Batterie­satz zu kaufen (Preis: 30.000 Euro), damit wir die gesamte Einheit einfach austauschen können, oder wir entwickeln ein besseres Kühlsystem.“

Hilfreich wäre natürlich, wenn weitere Sponsoren gefunden werden könnten. „Es gibt bessere und leichtere Batterien“, meint Harper, „aber die kosten eine Million Dollar (900.000 Euro). Zurzeit haben wir für so etwas keine Mittel. Wir suchen ständig nach neuen Finanzierungsquellen.“


 

Buckeye Bullet in Meilen und Metern:

US Rekord: 314,958 mph = 506,876 km/h

Internationaler Rekord: 271,737 mph = 437,318 km/h

Spitzengeschwindigkeit: 322 mph = 518 km/h

 

 

 

 

 

 

 

 

Halten Sie mich auf dem Laufenden

Sind Sie interessiert an Themen, die sich mit Engineering und Technik beschäftigen? EVOLUTION bietet Inhalte, die Ihnen Einblick in neue Techniklösungen gibt. Lesen Sie über neue Entwicklungen in spannenden Unternehmen, Industrien und Themenfeldern.

Newsletter erhalten