Citroën im Höhenflug
Im internationalen Rennsport kommt es nicht nur auf die Fähigkeiten der Rennfahrer an. Weniger Gewicht und Reibung entscheiden oft über Sieg oder Niederlage
Im internationalen Rennsport kommt es nicht nur auf die Fähigkeiten der Rennfahrer an. Weniger Gewicht und Reibung entscheiden oft über Sieg oder Niederlage
Im vergangenen Oktoberholte die Nummer 1 unter den Fahrern des Citroën-Teams, Sébastien Loeb, in seinem Xsara in der gleißenden Sonne Korsikas bei der Rallye-Weltmeisterschaft für Citroën Sport sowohl den Fahrer- als auch den Konstrukteurstitel. Er war wirklich in Toppform. Aber Loeb, Copilot Daniel Elena und das gesamte Team wollten mehr – ein besseres, ein schnelleres Fahrzeug.
Im selben Monat, als Citroën die Rallye-WM gewann, befand man sich bereits mitten in konkreten Verhandlungen mit SARMA, dem Lieferanten für Speziallager, und diskutierte Verbesserungsmöglichkeiten.
Während der Verhandlungen schlug SARMA dem Chassis-Entwicklungsteam von Citroën Sport verschiedene Verbesserungsalternativen vor, darunter auch ein neues, besonders innovatives Teil.
Im Januar 2005, nur etwa zehn Wochen, nachdem die Produktidee erstmalig zur Sprache kam, besuchen Stéphane Gehu, Leiter der Konstruktionsabteilung von SKF Aerospace Bearing Division, und der Konstrukteur, Pascal De Leo, Citroën Sport in Paris, um ein neues Bauteil vorzustellen, das Citroën testen soll.
In der klinisch sauberen Werkstatt herrscht reges Leben und Treiben. Die Techniker in ihren charakteristischen roten Citroën-Overalls haben alle Hände voll zu tun, um ihre beiden Fahrzeuge auf das erste Rennen der Saison, die Rallye Monte Carlo, vorzubereiten. Da jedes Rennen seine eigenen Herausforderungen hat, werden die Wagen komplett abgerüstet und für jeden Lauf neu zusammengesetzt. „Monte Carlo ist ein Rennen auf gewöhnlichem Straßenbelag“, erklärt Brilland. „Hier kommt es besonders auf die Reifen und das fahrerische Können an.“
Insgesamt sind es vier Rennwagen und drei Testwagen in unterschiedlichem Zustand, die hergerichtet werden müssen. Draußen stapeln sich die Paletten mit Ersatzteilen und Ausrüstung und warten darauf, für die Reise nach Monaco verladen zu werden.
Wie alle Rallyefans inzwischen wissen, gewann Citroën mit Sébastien Loeb die Rallye Monte Carlo mit fast drei Minuten Vorsprung.
Neben der Reibung geht es bei Rennwagenkomponenten in erster Linie um das Gewicht. Für beides gilt: je weniger desto besser. Das Mindestgewicht eines Rallyefahrzeugs beträgt 1.230 Kilogramm. In Wirklichkeit sind die Fahrzeuge jedoch leichter. Je nach den Anforderungen der einzelnen Rennen werden verschiedene Teile des Wagens mit zusätzlichem Gewicht versehen. Die Extrakilos befinden sich hauptsächlich im Heckbereich als Ausgleich für das Gewicht des Motors vorn. Schon der 2005er Xsara wiegt einige Kilo weniger als das Siegermodell der Rallye-WM 2004. SARMAs neues Teil ist ebenfalls leichter als die Komponente, die es ersetzt.
„Es besteht größtenteils aus Titan statt aus Edelstahl oder Kohlenstoffstahl“, erklärt Ingenieur Arnaud Brilland, der bei Citroën Sport für die Chassis-Entwicklung zuständig ist. „Titan ist um 40 Prozent leichter als Stahl. Das bedeutet eine Ersparnis von 20 bis 60 Gramm pro Komponente bei einem Gesamtgewicht von 70 bis 190 Gramm.“
Das Interesse vonPSA Peugeot Citroën, Europas zweitgrößtem Automobilhersteller am prestigebehafteten Rallyesport, liegt auf der Hand. Citroën Sport hat durch seine Erfolge einen radikalen Imagewandel herbeigeführt und damit ein wichtiges Marketingziel erreicht. Aber welchen Nutzen hat SARMA, seit über vier Jahren Partner von Citroën Sport und Zulieferer der meisten Formel-1-Teams, von der Vermarktung seiner Produkte im Rennsport?
Technologietransfer treibt den Fortschritt voran, um es einfach auszudrücken. In einem Rennwagen werden die Lager einem echten Härtetest unterzogen. Der- artige Erfahrungen können bei der Verbesserung von Flugzeugapplikationen eine nützliche Hilfe sein. „Der Rennsport ebnet den Weg für die hohen technischen Anforderungen der Luftfahrttechnik“, meint Stéphane Gehu. „Unser Geschäft konzentriert sich zu 95 Prozent auf die Luftfahrtindustrie, aber diese Branche unterliegt starken Schwankungen, die wir durch unser Engagement in anderen Märkten ausgleichen können.“
Im Rallyesport geht die Entwicklung schneller voran als in der Luftfahrttechnik. Werden beispielsweise im Rallyesport vom Entwurf bis zum Test 10 Wochen gebraucht, so werden bei Flugzeugapplikationen
30 Wochen benötigt.
Brilland meint dazu: „Wir sind von dem neuen Teil begeistert, das wir zusammen konstruiert haben. Es ist ein gutes Beispiel für ein integriertes Lager. In Monte Carlo wird es noch nicht zum Einsatz kommen, es soll aber schon sehr bald getestet werden.“
Brilland kehrt in seinBüro zurück, denn dort wird gerade der Prototyp eines weiteren neuen Bauteils demonstriert, der das Fahrzeug um mehr als ein halbes Kilo leichter machen könnte – eine beeindruckende Gewichtseinsparung.
„Der Motorsport erfordert ständige Innovationen, ansonsten wird man buchstäblich von der Konkurrenz überholt“, bemerkt Brilland. „Deshalb freuen wir uns, den Prototyp einer weiteren gewichtssparenden Komponente zu bekommen.“
Eine Spitzenposition im Rallyesport zu verteidigen, ist ein kontinuierlicher Kampf – nicht nur auf der Rennstrecke, auch in den Werkstätten.
SARMA und SKF Racing
SARMA stellt Standard Kugellager und Pendelrollenlager für Rennwagenapplikationen her und passt Standardprodukte aus der Luftfahrttechnik an Rennsporterfordernisse an. So sind beispielsweise Kadmiumüberzüge in Rennwagen verboten. Auch das übliche Schmierfett, das in der Luftfahrttechnik verwendet wird, ist hier nicht geeignet. Das LGHB-2-Schmierfett von SARMA wurde speziell auf Rennsportapplikationen zugeschnitten.
SKF Racing wurde im April 2001 gegründet, obgleich SKF schon seit fast 100 Jahren Partner des Rennsports ist. Inzwischen gehen die leichten, reibungsarmen und verschleißfesten Lager von SARMA in erster Linie an SKF Racing statt an die einzelnen Rennteams. Mit Hilfe eines rechnergestützten Simulationssystems sind die Ingenieure in der Lage, die Lagerleistung in verschiedenen Fahrzeugen unter verschiedenen Rennbedingungen zu beeinflussen.