Damit Hochleistungsbauteile wirtschaftlich gefertigt werden können

Heutige Komponentenfertigung

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Bei der Entwicklung einer neuen Reihe von Stählen
war deren umweltfreundliche und wirtschaftliche Verarbeitung zu Hochleistungsbauteilen das Gebot
der Stunde.
Ovako Steel, ein zur SKF Group gehörendes Unternehmen in Schweden, hat unter
der Bezeichnung Ovatec eine neue „Stahlfamilie” entwickelt. Ovatec ist ein
eingetragenes Warenzeichen, und Ovako hält das Patent auf diese Stähle. Auslöser
für diese Entwicklung waren die immer höheren Leistungsanforderungen an die
Maschinenbauteile, die in Millionen von Stück allein in Europa jedes Jahr
gefertigt werden. Sie sind unterschiedlichsten Betriebsbedingungen, wie etwa
hohen Belastungen, hohen Temperaturen oder einer verunreinigten Umgebung,
ausgesetzt. Dennoch sollen alle fehlerfrei über lange Zeiträume funktionieren
und kostengünstig gefertigt werden können.

Typische Beispiele sind Wälzlagerteile oder Zahnräder. Hier
sind Werkstoffe von gleichbleibender Güte, guter Qualität und hoher
Maßstabilität gefragt; Voraussetzung für eine spätere Kundenzufriedenheit.

Die Stähle, aus denen solche Bauteile auch heute noch
hergestellt werden, wurden vor über 100 Jahren entwickelt. Sie haben sich
bewährt, doch machten die heutigen Anforderungen an Umweltschutz, Produktivität,
Kostenaufwand und Stahleigenschaften Neuentwicklungen bei der Stahlherstellung
auf der Basis nun schon hundertjähriger Erfahrung nötig.

Heutige Komponentenfertigung

Die Massenproduktion von Maschinenteilen hängt eng mit dem Siegeszug des
Automobils ab Anfang des 20. Jahrhunderts zusammen. In dieser Zeit wurden enorme
Anstrengungen unternommen, um die Fertigung und Leistungsfähigkeit solcher Teile
zu verbessern. Bei den Stählen lag der Schwerpunkt der Forschungs- und
Entwicklungstätigkeiten auf der Verbesserung der

Bearbeitbarkeit bei der

  • Warmumformung
  • Weichbearbeitung
  • Hartbearbeitung
  • Belastbarkeit durch
  • Erhöhung des Reinheitsgrads
  • Optimierung der Wärmebehandlung
  • Verringerung der Formabweichung

Produktivität durch

  • Vereinfachung der Wärmebehandlung
  • Erhöhung der Formgenauigkeit.

Zukünftige Komponentenfertigung

Anhand der vielfältigen langjährigen Erfahrungen, aber auch neuerer
Methoden, die Gefügeausbildung in Stählen im voraus bestimmen zu können, wurde
eine ganz neue Reihe von Stählen entwickelt, die zwischenzeitlich auch durch
Patente geschützt ist.

Allen Stählen dieser kleinen „Familie“ gemein ist ihre
Eignung, in großen Mengen erschmolzen werden zu können, wie auch Eignung für
seriengefertigte Bauteile, wie dies früher nicht der Fall war. Die Ovatec-Stähle
können beispielsweise durch Abkühlen an der Luft gehärtet werden. Ein weiterer
Vorteil ist ihre hohe Belastbarkeit, die sie unter anderem für
Hochleistungsbauteile aller Art geeignet macht.

Heute stehen Hunderte von genormten Stählen für die Fertigung von Bauteilen zur
Verfügung. Viele von ihnen müssen härtbar sein, damit die Bauteile die
erforderliche Härte und Verschleißfestigkeit erhalten.

Um die gewünschten Eigenschaften zu erzielen, werden heute
zur Wärmebehandlung von Stählen hauptsächlich Einsatzhärten, Vergüten und
Durchhärten eingesetzt. Aus diesem Grund unterscheidet man auch zwischen den
drei Stahlsorten: Einsatzstahl, Vergütungsstahl und durchhärtendem Stahl. Das
typische Beispiel für einen durchhärtenden Stahl ist der Wälzlagerstahl.

Der Ovatec-Stahlfamilie gehören deshalb Stähle aller drei
Sorten an (Abb. 1). Diese Stähle können Hunderte von anderen Stahlvarianten
ersetzen, was erhebliche Vorteile hinsichtlich erhöhter Wirtschaftlichkeit,
besserer Bearbeitbarkeit, aber auch höherer Umweltverträglichkeit mit sich
bringen würde. Alle Stähle der Ovatec-Familie können nach der Wärmebehandlung
durch Abkühlen an der Luft gehärtet werden. Die heutigen härtbaren
Standardstähle müssen (teilweise) sehr schnell abgeschreckt werden, um die
gewünschten Werkstoffeigenschaften zu erzielen. Meist ist dies aber nur in
umweltbelastenden und gesundheitsschädlichen Medien zu erreichen.

Reinheitsgrad des Stahls

Für die Maschinenteile, die im Betrieb hohen Beanspruchungen ausgesetzt sein
werden, sind Stähle hoher Reinheit erforderlich. Da nicht-metallische
Einschlüsse in jedem Stahl vorhanden sind, muss ihre Gesamtmenge möglichst
gering und ihre Verteilung möglichst gleichmäßig sein. Durch Auffinden größerer
Einschlüsse mit Hilfe des modernen Ultraschall-Tauchverfahrens und mit Hilfe der
neuen Legierungsbestandteile lassen sich Stähle hoher Reinheit erzeugen. Aus
Abb. 2 ist ersichtlich, dass der Sauerstoffgehalt im Ovatec-Stahl 677 etwas
geringer ist als der in Standard-Wälzlagerstählen. Sauerstoff verursacht harte,
spröde Oxideinschlüsse, die die Ermüdungsfestigkeit der Stähle herabsetzen.

Warmumformbarkeit

Die Warmumformbarkeit ist wichtig, wenn Bauteile, beispielsweise durch Rollen,
vorgeformt werden sollen. Die Ovatec-Stähle lassen sich warm oder halbwarm wie
Standardstähle umformen. Neu ist jedoch, dass mit der Umformwärme die
gewünschten Eigenschaften wie nach einer herkömmlichen Wärmebehandlung sofort
erzielt werden können. Die Warmumformung kann wie bisher erfolgen, wobei
manchmal eine etwas größere Umformkraft erforderlich sein kann. Bauteile aus
herkömmlichen Stählen erreichen ihre endgültigen Eigenschaften nicht allein mit
den Umformtemperaturen.

Bearbeitbarkeit

Für alle drei Ovatec-Stähle wurden Wärmebehandlungszyklen erarbeitet. So erhält
man eine gleichwertige, in vielen Fällen sogar bessere, Bearbeitbarkeit als bei
herkömmlichen Stählen, weil die Ovatec-Stähle in allen Varianten ein absolut
homogenes Gefüge aufweisen. Abb. 3 stellt hierzu die Bearbeitungsdaten für die
Stähle Ovatec 677 und SKF 3 gegenüber.

Wärmebehandlung und Verzug

Die Ovatec-Stähle sind auf ein sehr hartes und belastbares Gefüge härtbar, auch
wenn die gehärteten Bauteile in unbewegter Luft abkühlen. Das unterscheidet sie
von herkömmlichen Stählen, die innerhalb von Sekunden abgekühlt werden müssen,
damit die Bauteile die gewünschten Eigenschaften erhalten. Gerade dieses
schnelle Abschrecken ist die Hauptursache für unerwünschte und unvorhersehbare
Maßänderungen, eines der Probleme bei der Wärmebehandlung überhaupt. Wegen der
speziellen Legierungszusammensetzung weisen die neuen Stähle auch bei wesentlich
langsamerer Abkühlung die gewünschten Eigenschaften auf (und übertreffen diese
in mancherlei Hinsicht sogar). Durch die langsamere Abkühlgeschwindigkeit tritt
wesentlich geringerer Härteverzug an den Bauteilen auf. Entsprechend kann der
aufwendige Arbeitsgang Schleifen reduziert werden, mit dem sonst die
geometrische Genauigkeit wiederherzustellen ist. Beispielhaft zeigt dies Abb. 4,
die die Unrundheit an 50 kleinen Pendelrollenlager-Außenringen vor und nach dem
Lufthärten gegenüberstellt.

Außerdem bringen die Ovatec-Stähle wesentlich mehr
“Großzügigkeit” in die Wärmebehandlung. Bei einem Standard-Wälzlagerstahl muss
die Temperatur auf 10 ºC genau eingehalten werden, um die gewünschten
Eigenschaften zu erreichen, die robusten Ovatec-Stähle dagegen vertragen eine 30
Mal größere Temperaturstreuung.

Wärmebehandlung in der Fertigungslinie

Heute erfolgt die Wärmebehandlung von Bauteilen meistens zentral in der
Werkshärterei oder wird extern vergeben. Verwendung von Ovatec-Stählen kann eine
Härterei-Einheit in die Fertigung zwischen Weich- und Hartbearbeitung
integrieren. Gefährliche und gesundheitsschädliche Medien werden in der
Fertigung dann nicht mehr benötigt. Ovako Steel hat eine Pilotanlage zur
Lufthärtung von Bauteilen installiert. Gebaut und geliefert wurde sie vom
schwedischen Unternehmen Inline-Hardening. Zur Fertigungszelle gehören eine
Einheit zur Weichbearbeitung und ein Roboter, der die Pilot-Härteanlage
automatisch bestückt. Die Teile werden in einem Magnetanwärmer austenitisiert,
in einem abgeschlossenen Tunnel in Luft abgekühlt und danach in einem zweiten
Magnetanwärmer angelassen. Der Prozess ist schnell, unempfindlich und
umweltfreundlich, und die Teile können innerhalb sehr enger Toleranzen gefertigt
werden.

Hartbearbeitbarkeit

Den bei der Wärmebehandlung aufgetretenen Verzug wieder zu beseitigen, ist
heute noch ein sehr kostspieliger Arbeitsgang. Denn es ist nicht ungewöhnlich,
dass das Fertigschleifen eines Bauteils, etwa eines Lagerrings oder Zahnrads, 20
bis 40 % der Gesamtkosten ausmacht.

Es ist nachgewiesen, dass die Ovatec-Stähle wegen des geringeren Härteverzugs
wesentlich geringere Kosten verursachen. Auch werden die Hartbearbeitung
erheblich vereinfacht und neue Bearbeitungsverfahren möglich, auf die später
noch eingegangen werden soll (Abb. 5.).

Leistungsfähigkeit

Zahlreiche Versuche bei SKF und anderen Unternehmen bestätigten, dass
Bauteile aus Ovatec-Stählen eine wesentlich längere Lebensdauer, verbessertes
Verschleißverhalten, bessere Maßstabilität und signifikant geringere
Härteverzüge aufweisen.

Neue Verarbeitungsmöglichkeiten

Mit Ovatec-Stählen eröffnen sich für die Komponentenfertigung vollkommen
neue Wege. Der Grund hierfür ist, dass die Komponenten beim Abkühlen aus der
Warmformgebungstemperatur gleichzeitig härten, was bei herkömmlichen Stählen
nicht möglich ist. Bauteile aus normalem Wälzlagerstahl dürfen nicht so ohne
weiteres auf über 930 °C erwärmt werden. Bauteile aus Ovatec-Stählen dagegen
unterliegen auch bei der Erwärmung auf 1200 °C und Abkühlung an der Luft keinen
Qualitätseinbußen.

Das bedeutet auch, dass die bei der Fertigung entstehende
Prozesswärme gleich zum Härten der Bauteile eingesetzt werden kann. Es wurde
nachgewiesen, dass direkt aus Rohren gefertigte Rillenkugellagerringe auf dem
Kühlbett der Ringwalzanlage gehärtet werden können.

Das zeigt, dass man die Arbeitsgänge Weichglühen, Weichbearbeitung, Härten und
Schleifen durch die Arbeitsgänge Trocken-Hartdrehen und Fertigschleifen ersetzen
kann.

Ein zweites Beispiel: Nach dem soeben beschriebenen,
verkürzten Verfahren hergestellte Lager wurden erfolgreich einem Lebensdauertest
unterzogen. Das Ergebnis: Die Ringe mittelgroßer Lager müssen nicht mehr
gewalzt, weichgeglüht, weichbearbeitet, wärmebehandelt, geschliffen und poliert
werden; es reichen Walzen, Hartdrehen und Polieren.

Beide Beispiele zeigen, dass sich die Umweltbelastung
erheblich verringern lässt. Anlassen ist sehr energieintensiv, genauso wie die
spätere Wärmebehandlung. Die Weichbearbeitung ist nur mit umweltschädigenden
Kühlmitteln möglich. Die zum Härten erforderlichen Schutzgase und
Abschreckmittel sind gesundheitsschädlich und feuergefährlich, bei den
Schleif-Kühlmitteln stellt sich das Problem der Aufbereitung der Rückstände. Die
Ovatec-Stähle ermöglichen dank ihrer Härtbarkeit an Luft eine wesentlich
umweltschonendere Komponentenfertigung.

Thore Lund

Ovako Steel AB, Schweden

 

 

 

 

 

 

 

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