Der einzige Weg

Unternehmensskandale und der viel diskutierte Klimawandel lassen den Ruf nach sichtbarer unternehmerischer Verantwortung laut werden. Anleger, Kunden und Mitarbeiter stellen sich nicht mehr die Frage, ob ein Unternehmen Verantwortung übernehmen sollte, sondern auf welche Weise

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Unternehmensskandale und der viel diskutierte Klimawandel lassen den Ruf nach sichtbarer unternehmerischer Verantwortung laut werden. Anleger, Kunden und Mitarbeiter stellen sich nicht mehr die Frage, ob ein Unternehmen Verantwortung übernehmen sollte, sondern auf welche Weise

 

 

Die meisten globalen Großunternehmen haben heute ein Konzept für Corporate Social Responsibility (CSR), das auf der Website der Unternehmen sowie in ihren Jahresberichten für jedermann zugänglich ist. Mit Hilfe von Richtlinien wie Global Reporting Initiative lässt sich das Engagement eines Unternehmens in den Bereichen Umwelt, soziale Verantwortung sowie hinsichtlich der Führungs- und Kontrollmechanismen dokumentieren. Nicht-staatliche Organisationen und die Medien nehmen Wirtschaftsbetriebe und deren Zulieferer unter die Lupe, um eventuelle Abweichungen von deren Verhaltenskodex in ethischen, sozialen und ökologischen Fragen zu enthüllen. In nur wenigen Jahren ist CSR zu einem zentralen Thema geworden.

Es gibt keine einfachen Wege oder schnellen Lösungen und auch kein Patentrezept für die Einführung eines guten CSR-Modells. „Bei CSR geht es darum, Verantwortung zu übernehmen. Damit ist nicht nur gemeint, Gesetze und allgemeine Vorschriften zu befolgen, sondern sich auch für jene Themen aktiv einzusetzen, denen man besondere Wichtigkeit einräumt“, erklärt Tommy Borglund, führender Berater bei der schwedischen Kommunikationsberatungsfirma Hallvarsson & Halvarsson. „Um glaubwürdig zu sein, muss man auch den Mut aufbringen, heikle Fragen anzugehen.“

Meistens messen jene Unternehmen, die von dieser Thematik besonders betroffen sind, Corporate Social Responsibility einen besonders hohen Stellenwert bei, da sie unter ständiger Beobachtung stehen, sagt er.

 

Die Wahl der jeweilsrelevanten Themen hängt von jedem Stakeholder, den Mitarbeitern und Investoren sowie von den Kunden des Unternehmens ab, erläutert Borglund und weist darauf hin, dass auch Arbeitsbedingungen und Menschenrechte typische Themenbereiche für CSR sind. Die Erwartungen an globale Unternehmen steigen und das Spektrum der Verantwortungsbereiche wird immer breiter.

Große Unternehmen tragen eine höhere Verantwortung, weil mehr Menschen von ihrer Tätigkeit betroffen sind. Je mehr Macht man hat, desto mehr Verantwortung muss man übernehmen, behauptet er.

„In einigen Branchen wird das besonders deutlich“, meint Borglund. „Wenn ein großes Unternehmen mit einem bedeutenden Marktanteil beschließt, an alle Zulieferer CSR-Forderungen zu stellen, erhalten die Betriebe, die diese Forderungen erfüllen, einen Wettbewerbsvorteil. Das gilt für die Automobil-, Lebensmittel-, Pharma- und Getränkeindustrie sowie für den gesamten Energiesektor.“

Obwohl das CSR-Konzept weltweit ähnliche Züge aufweist, gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen Unternehmen – abhängig von deren Größe“, kommentiert Ralf Frank, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA).

„Autohersteller sind sich in der Regel ihrer unternehmerischen Verantwortung bewusst und haben auf diesem Gebiet einiges vorzuweisen“, meint Frank. „Bei ihren Zulieferern sieht es dagegen oft anders aus. Für kleine und mittelständische Betriebe ist dies eine riskante Situation, weil die großen Anleger mehr und mehr CSR-Arbeit verlangen. Die meisten globalen Unternehmen betonen, wie wichtig Corporate Social Responsibility ist, aber man hört selten, dass die Unternehmensleitung mit Investoren oder anderen Stakeholdern über die Bedeutung von CSR spricht. CSR scheint sich zu einer Art Kommunikationsübung zu entwickeln, die einer speziellen Abteilung zugewiesen wird und hinter der viele eine PR- oder Marketinginitiative des Unternehmens vermuten.“

Tommy Borglund kann da nur zustimmen. „Es gibt Unternehmen, die im Grunde gar nichts an ihrer Geschäftstätigkeit oder ihrem Verhalten ändern. Sie reiten lediglich durch externe Kommunikation und Werbekampagnen auf der CSR-Welle mit. Wenn sich diese Unternehmen nicht ernsthaft mit den gewählten Themen auseinandersetzen, laufen sie Gefahr, von den Medien und nicht-staatlichen Organisationen durchschaut zu werden und in den Mittelpunkt der öffentlichen Kritik zu geraten.“

CSR kann durchaus das Geschäft beleben, sagt er. Ein gutes Konzept, das auch Fortbildungsprogramme für die Mitarbeiter umfasst, stärkt das Unternehmen sowohl intern als auch in den Augen der Kunden und Investoren. Eine klimaneutrale Lösung lässt sich als wirksames Verkaufsargument nutzen, und Corporate Responsibility ist zweifellos ein Wettbewerbsvorteil. Aber reicht das als Anreiz aus?

Aus Investorensicht ist CSR eine Möglichkeit, langfristig die Finanzwerte zu verbessern und kurzfristig das Risiko zu minimieren, dass ein Unternehmen in einen Skandal über ethische Fragen gerät und damit seinen Markennamen und Ruf schädigt.

Das Thema Ethik ist in großen Konzernen keineswegs neu. Die Debatte über unternehmerische Verantwortung begann in den 1980er und 1990er Jahren als Reaktion auf das wachsende Umweltbewusstsein und eine Reihe von Unternehmens- und Finanzskandalen. 1987 veröffentlichten die Vereinten Nationen den Brundtland-Bericht über nachhaltige Entwicklung, der die ökologischen Herausforderungen der Zukunft hervorhob.

„Zu jener Zeit machten sich nur nicht-staatliche Organisationen für Menschenrechte und Umweltfragen stark“, erklärt Borglund. „Erst nach der Jahrtausendwende gelangten Unternehmen allmählich zu der Einsicht, dass sie Verantwortung tragen. So gesehen ist das CSR-Modell nur zehn Jahre alt.“

 

Borglund nennt dreiHauptgründe, warum Unternehmen damals den Forderungen der nicht-staatlichen Organisationen nachgaben. Zum einen waren es die Skandale bei Enron, World Com und Tyco in den USA sowie bei Parmalat in Europa. Ein weiterer Grund waren die Demonstrationen der Globalisierungsgegner anlässlich der Gipfeltreffen in Seattle, Genf und Göteborg, und der dritte Grund war der Zusammenbruch des Telekom-Geschäfts an den Börsen. Die Politiker reagierten darauf mit der Einführung neuer Bestimmungen. Die Vereinten Nationen initiierten den Global Compact, eine Aufforderung an die Unternehmen, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden, um die Globalisierung sozialer und ökologischer zu gestalten. Die Unternehmen suchten nach Wegen, um Vertrauen zu gewinnen, und so nahm das CSR-Modell allmählich Form an.

„CSR wurde zu einer Bewegung, die in der Fertigungsindustrie ihren Anfang nahm“, so Borglund. „Vor einigen Jahren dachten wir, der Höhepunkt sei erreicht, aber heute sehen wir einen neuen umfassenderen Prozess, in den auch der Finanzsektor involviert ist.“

Laut Borglund haben sich Großanleger wie JP Morgan, AXA und Pictet dem Global Compact angeschlossen. Das heißt, von jedem Unternehmen, in das sie investieren, wird eine klare ethische Stellungnahme verlangt. Die gegenwärtige Finanzkrise hat Ethik wieder ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt.

„Wenn mit Diskussionen über Bonussysteme und andere finanzielle Anreize schlecht umgegangen wird, können sie dem Markennamen des Unternehmens schaden“, fährt Borglund fort. „Auch die Bankbranche ist wegen der hohen Risiken, die zum Zweck der Gewinnmaximierung in Kauf genommen werden, intensiven Diskussionen ausgesetzt.“

Borglund und Frank sind davon überzeugt, dass die Finanzkrise kaum einen Einfluss auf das Engagement für CSR haben wird.

„Das Investitionsvolumen wird natürlich geringer ausfallen“, glaubt Borglund, „aber verglichen mit anderen Bereichen wird CSR noch gut abschneiden, weil diesbezügliche Investitionen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Befürworter von CSR sind so stark, dass sie ihre Sache vorantreiben werden.“

 

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