Die technische Entwicklung bei Radsatzlagern für Eisenbahnen – Teil 2: Gegenwart und Zukunft

 

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In Teil 2 dieses zweiteiligen Artikels über die historische Entwicklung von Radsatzlagern für Schienenfahrzeuge werden die gegenwärtigen Entwicklungen behandelt, die für dieses wichtige Bauteil ukunftsentscheidend sind. SKF mit ihrer langjährigen Entwicklungserfahrung in diesem Bereich sieht, dass der Trend in der Bahnindustrie hin zu Gesamtlösungen geht. Diese basieren auf Radsatzlager-Baugruppen
bestehend aus Radsatzlagern oder Lagereinheiten, dem Radsatzlagergehäuse und integrierten Sensoren sowie Zustands-überwachungssystemen und Leistungspaketen einschließlich technischem Service, Wiederinstandsetzung und Schulung.

 

 

Die heutigen Hochgeschwindigkeitszüge mit Reisegeschwindigkeiten von 300 km/h haben die geografischen Bedingungen in Europa verändert: Entfernungen zwischen Großstädten werden nicht länger in Kilometer angegeben, sondern in TGV-, ICE-, Eurostar- oder anderen Zugstunden. Die dunklen Wolken der globalen Erwärmung, die unseren Planeten bedrohen, werden bei diesem äußerst nachhaltigen Transportmittel als Sonnenstrahlen gesehen, und nun folgen auch andere Kontinente und Länder dem von Europa und Japan vorgezeichneten Wachstumskurs. Der Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr ist eine Lösung für den nachhaltigen Mobilitätsbedarf und symbolisiert die Zukunft des Personenverkehrs (Bild 2).

Radsatzlager gehören zu den sicherheitskritischen Subsystemen von Schienenfahrzeugen. SKF verfügt über eine einzigartige Erfahrung in der Entwicklung, Konstruktion, Anwendungstechnik und Herstellung von Radsatzlagern, Lagern, Lagereinheiten sowie von Mechatronik-, Dichtungs- und Schmiersystemen.

In den meisten Fällen werden Radsatzlager speziell nach den Vorgaben der Schienenfahrzeughersteller und den Anforderungen der Bahnbetreiber gefertigt. Manche Radsatzlager für Drehgestellplattformen werden für gleiche oder ähnliche Anwendungen verwendet, die bei verschiedenen Schienenfahrzeugen und Betreibern eingesetzt werden. In zunehmendem Maße werden Radsatzlager mit Mechatronik-Systemen ausgerüstet, die die Betriebsparameter messen und den Drehgestellzustand überwachen.

Bei Güterzugwagen kommen aufgrund der fortschreitenden Standardisierung der Drehgestelle die gleichen oder sehr ähnliche Radsatzlager bei unterschiedlichen Güterzugwagentypen und Betreibern in verschiedenen Ländern zum Einsatz. Anstelle von offenen Lagern werden nun Konstruktionen von Lagereinheiten verwendet, die für mehr Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit sorgen.

 

Radsatzlagereinheiten
Weltweit geht der Trend hin zur stärkeren Verwendung einbaufertiger, vorgefetteter Lagereinheiten mit beidseitig integriertem Dichtungssystem. Diese Lagereinheiten vereinfachen den Einbau drastisch und tragen zu einer höheren Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit bei. Dies ist dadurch bedingt, dass die Wartung dieser Lagereinheiten in die Rekonditionierungsbereiche von Lagerlieferanten oder anderen unabhängigen Spezialbetrieben verlagert wird.

Diese Radsatzlagereinheiten basieren meist auf Kegel- oder Zylinderrollenlagereinheiten (Bild 3a und 3b). Beide Lagerausführungen besitzen einzigartige Vorteile und werden in sämtlichen Schienenfahrzeuganwendungen erfolgreich eingesetzt. Viele Bahnbetreiber und -hersteller haben eindeutige Präferenzen für den einen oder anderen Lagertyp. Für die Wahl einer bestimmten Lagerkonstruktion gibt es ganz unterschiedliche Gründe, die von verschiedenen Kriterien abhängig sind, u. a.

  • spezielle Vorschriften einer bestimmten Region des Landes oder Bahnbetreibers, die es zu beachten gilt,
  • Praxiserfahrung
  • eingeführte Wartungsroutinen in den Instandhaltungswerkstätten
  • neue Schienenfahrzeuge, die mit vorhandenen Drehgestell- und Lagerausführungen ausgerüstet werden.

In manchen Bahnnormen sind für die Einführung einer neuen Radsatzlagerausführung oder auch für Konstruktionsänderungen oder kundenspezifische Änderungen an bestehenden Lagern umfangreiche Labor- und Praxisversuchsprogramme vorgeschrieben. Diese Anforderungen müssen erfüllt sein, bevor eine vorläue und später eine vorbehaltlose Freigabe einer speziellen Lagerausführung oder -größe für eine bestimmte Anwendung im Bahnbereich erteilt wird.

Die ersten Kegelrollenlagereinheiten verfügten über ein schleifendes Dichtungssystem mit speziellen Verschleißringen als Gegenlauffläche, die einen längeren Achsschenkel erforderlich machten. Im nächsten Entwicklungsschritt, heute in der Anwendung, galt es, das Dichtungssystem in das Lager zu integrieren und direkt auf den Innenringen sitzende Dichtungen einzubauen. Diese Kompaktausführungen sind bedeutend schmaler und benötigen einen kürzeren Achsschenkel. Dies führt zu einer verringerten Durchbiegung der Radsatzwelle unter Last und bietet dem Konstrukteur von Drehgestellen viele Vorteile.

Durch die Verwendung von Lagerkäen aus Polymer anstelle von solchen aus Stahl oder Messing kann die Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit erheblich erhöht werden. Nun nähert sich der von umfangreichen Labor- und Praxisversuchen gestützte Einführungsprozess dieser Lager seinem Abschluss und abgesehen von wenigen Ausnahmen stellt der Polymerkä heute die Standardausführung dar.

Dichtungslösungen befinden sich ständig in Entwicklung. Neuere Ausführungen sollen eine geringere Reibung und niedrigere Betriebstemperaturen bewirken, mit einer hieraus resultierenden längeren Fettgebrauchsdauer und längeren Wartungsintervallen.

Radsatzlagereinheiten werden im Werk fettbefüllt und mit schleifenden oder nicht schleifenden Hochleistungsdichtungen ausgerüstet. Diese Ausführungen haben in vielen Fällen eine viel längere berechnete SKF Gebrauchsdauer als zuvor (Bild 4). Diese Berechnung basiert auf den Lastbedingungen, der Zuverlässigkeit und dem SKF Gebrauchsdaueränderungsfaktor, der die Schmierbedingungen und den Grad der Verunreinigung während des Betriebs berücksichtigt. Eine Begrenzung der Gebrauchsdauer am Einsatzort muss wegen der Fettgebrauchsdauer berücksichtigt werden.

Die Radsatzlager von Schienenfahrzeugen sind mit verschiedenen Sensoren ausgestattet, die Betriebsparameter wie beispielsweise Geschwindigkeit, Temperatur und Schwingungen erfassen und überwachen. Diese Sensoren liefern Informationen für mehrere Steuerungssysteme, einschließlich Bremsen- und Zustandsüberwachungssysteme. Die SKF Axletronic Lagereinheiten mit integrierten Sensoren für Schienenfahrzeuge sind ein wesentlicher Bestandteil von Überwachungssystemen.

 

Zustandsüberwachung bei Drehgestellen
Das bordseitige Multilog Radsatzlager-Zustandsüberwachungssystem IMx-R von SKF kann Teil des Zustandsüberwachungssystems des Drehgestells eines Schienenfahrzeugs sein oder als eigenständiges System arbeiten (Bild 5 und 6). Dieses System erfüllt auch die Anforderungen der Technischen Spezifikation für die Interoperabilität (TSI) gemäß EU-Richtlinie 96/48/EG.

In dieser Spezifikation ist festgelegt, dass das System in der Lage sein muss, eine Zustandsverschlechterung des Radsatzlagers festzustellen, und zwar durch Überwachung der Temperatur und/oder der dynamischen Frequenzen. Die Wartungsanforderung wird vom System generiert und zeigt abhängig vom Ausmaß des Lagerschadens die Notwendigkeit für Betriebseinschränkungen an. Das Erkennungssystem arbeitet an Bord des Zuges vollkommen unabhängig und die Diagnosemitteilungen werden dem Zugführer mitgeteilt. Dieses System erfüllt die Anforderungen der Norm EN 15437-2.

 

Leistungspakete von SKF
In über 100 Jahren ist SKF zum Synonym für moderne Lagertechnik und zum weltweit führenden Lieferanten der Bahnindustrie geworden. Abgesehen von dieser soliden Wissensbasis ist SKF auch ein führender Anbieter von Produkten und Lösungen in den Bereichen Mechatronik-, Dichtungs- und Schmiersysteme sowie von Dienstleistungen für verschiedene Anwendungen (Bild 1).

Das gegenwärtige und künftige Lieferprogramm von SKF für die Bahnindustrie beinhaltet Radsatzlagereinheiten einschließlich Dichtungslösungen und maßgeschneiderte Radsatzlagergehäuse sowie Mechatronik-Systemlösungen zur Betriebsparametermessung und Drehgestell-Zustandsüberwachung. Zu den Schmiersystemen gehört auch die Spurkranzschmierung zur Verringerung von Reibung und Verschleiß zwischen Rad und Schiene. Die Leistungspakete werden nach den Wünschen der Hersteller und Betreiber von Schienenfahrzeugen geschnürt und beinhalten folgende Elemente: Prüfung, Montage, weltweites Ersatzteilversorgung samt Service, Wiederinstandsetzung und logistische Dienstleistungen. Dank ihres einzigartigen weltweiten Netzes von Vertriebsleuten, Anwendungsingenieuren und Servicetechnikern kann SKF bei internationalen Projekten eng mit Schienenfahrzeugherstellern und -betreibern zusammenarbeiten.

 

Schlussfolgerung
In der Vergangenheit war die Entwicklung stark darauf ausgerichtet, geeignete Lagerausführungen zu konstruieren, die nun weiter verbessert werden können. Radsatzlager und Lagereinheiten sind auch mit SKF Axletronic Sensoren ausgestattet, die die Betriebssignale ausgeben, die zur Zustandsüberwachung von Drehgestellen verwendet werden. Künftig werden Mechatronik-Bauteile standardmäßig in den Leistungspaketen enthalten sein. Solche Lösungen bieten neue Möglichkeiten, um die Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit zu erhöhen und die Wartungskosten für Schienenfahrzeuge zu senken. All diese Lösungen werden im umfangreichen Eisenbahntechnischen Handbuch vorgestellt, das sehr detaillierte Informationen über Radsatzlager, Lager, Sensoren und Zustandsüberwachungssysteme sowie Lösungskonzepte für Dienstleistungen enthält.

 

 

 

 

 

 

 

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