Die Terawatt-Herausforderung
Für die Deckung ihres Energiebedarfs baut die Welt auf Wissenschaft und Technik
Auf dem langen Weg von der Ölkrise in den 1970er Jahren bis zum schwindelerregenden Niveau der heutigen Öl- und Erdgaspreise ist die Welt allmählich zur Einsicht gelangt, dass wir über unsere Verhältnisse leben.
Die Geschichte des Erdöls ist die Geschichte der Zivilisation im Laufe von 100 Jahren. Die meisten Experten sind sich darüber einig, dass die Erdölvorkommen beziehungsweise die der fossilen Brennstoffe eines Tages erschöpft sein werden. Ohne Energie würde die gesamte Infrastruktur der Industrieländer wie ein Kartenhaus zusammenfallen.
Schätzungen zufolge verfügt – oder verfügte – die Erde über zwei Billionen Fässer Öl. Bisher haben die Menschen mit ihrem Verbrauch bereits die Hälfte davon zunichte gemacht, was bei einem täglichen Konsum von fast 220 Millionen Fässern nicht verwunderlich ist.
Angesichts des weltweiten Bevölkerungswachstums von einer Milliarde Menschen im Jahr 1850 auf sechs Milliarden heute, und dem Streben aller Völker nach höherem Lebensstandard rechnet man mit einem exponentiellen Anstieg des Energiebedarfs in den kommenden Jahren. Die Vereinten Nationen sagen voraus, dass im Jahre 2075 neun Milliarden Menschen auf der Erde leben werden.
„Wenn wir allen Menschen auf der Erde dieselbe Energieversorgung bieten wollten, an die wir in den Industrieländern gewöhnt sind, müssten wir 60 Terawatt produzieren, eine Energiemenge, die der Verbrennung von täglich 900 Millionen Fässern Öl entspricht“, sagt Richard E. Smalley, der 1996 den Nobelpreis für Chemie erhielt, auf dem Symposium „Frontiers of Materials Research“ an der Rice University Ende 2004. Aber wo sollte diese enorme Energiemenge herkommen?
Bisher bestreitet die Welt 13,3 Prozent ihres primären Energiebedarfs aus erneuerbaren Energiequellen. Diese Zahl könnte einem Bericht der Internationalen Energiebehörde (IEA) zufolge bis 2030 auf 19 Prozent ansteigen.
Der größte Teil dieser Energiemenge wird mit inzwischen bewährten Verfahren produziert (die zur Maximierung des Ertrags stetig verbessert werden), darunter Wasserkraft, Biomasse, Erdwärme, Windkraft und Sonnenkraft.
Aber es gibt auch Fortschritte. So wurden bei Leipzig auf einer Freifläche 33.500 Solarmodule aufgestellt und zur Sonne ausgerichtet. Sie erzeugen genügend Energie, um damit 1.800 Haushalte mit Strom zu versorgen. Interessanterweise befinden sich ganz in der Nähe die tiefen Löcher, die der Braunkohletagebau in die Erde gerissen hat. Früher bezogen die Fabriken und Kraftwerke hier ihre Energie ausschließlich aus der Kohle. Heute sind aus dieser Umweltkatastrophe idyllische Seen geworden.
Wenngleich auch Solarenergie billiger geworden ist, deckt sie nur einen winzigen Teil unseres Energiebedarfs. Laut einem Artikel im National Geographic Magazine liefert die Sonne weniger als ein Prozent der weltweit produzierten Energie. Das wichtigste Hindernis ist der Platz, den Solarmodule in Anspruch nehmen. Dem Artikel zufolge bedürfte es einer Fläche von der Größe des Bundesstaates Vermont, wenn man die USA komplett mit Solarenergie versorgen wollte.
Man könnte es aber auch anders ausdrücken. Wenn weltweit ein Prozent der landwirtschaftlichen Nutzungsfläche für die Aufstellung von Solarmodulen verwendet würde, könnte mit dieser Energie der Bedarf der gesamten Erdbevölkerung gedeckt werden.
Eine andere Alternative ist die Windkraft. Europa produziert inzwischen circa 15.000 Megawatt mit Windkraftanlagen und ist damit führend in diesem Bereich. Dänemark deckt mit einer Produktion von rund 3.000 Megawatt aus Windenergie ungefähr 20 Prozent seines Strombedarfs.
Das Problem mit Windkraftanlagen ist, dass sie Wind brauchen. Wenn der Wind ausbleibt, muss die Elektrizität anderweitig erzeugt werden, zum Beispiel in Kohlekraftwerken, deren Produktion nicht so ohne weiteres angepasst werden kann. Da Dänemark in windstillen Zeiten die Energieversorgung auf anderem Weg aufrechterhalten muss, wird dort manchmal überschüssige Energie erzeugt, die dann mit Verlust an Nachbarländer verkauft wird. Bisher gibt es noch kein wirtschaftliches Verfahren, um große Energiemengen in Batterien zu speichern, aber es wird ständig auf diesem Gebiet geforscht.
Gleichzeitig sind die Produktionskosten für Windkraftanlagen in der Zeit von 1981 bis 1998 um 25 Prozent gesunken. Windenergie ist heute also durchaus eine wirtschaftliche Alternative zu anderen Formen der Stromerzeugung.
Eine weitere Energiequelle ist die Kernspaltung. Weltweit werden 16 Prozent der elektrischen Energie in Kernkraftwerken erzeugt – in Frankreich sind es 78 Prozent, in Belgien 60 Prozent, in den USA 20 Prozent und in Japan 34 Prozent.
Aber obgleich der Gedanke von Energie im Überfluss verlockend ist, hat die Kernenergie viele Kritiker. Abgesehen von der Gefahr eines Unfalls wie der im Kernkraftwerk von Tschernobyl ist auch die Frage der Abfallentsorgung nicht endgültig gelöst. Außerdem werden Schätzungen zufolge die Uranvorräte höchstens noch 50 Jahre reichen.
Schließlich gibt es noch die Fusionsenergie, das heißt, die Energie, die aus der Verschmelzung zweier Atomkerne entsteht. Es handelt sich um die technische Nachahmung des kernphysikalischen Prozesses in der Sonne und allen anderen aktiven Sternen, aber sie muss unter sicheren und wirtschaftlichen Bedingungen durchgeführt werden. Daran arbeiten zurzeit die Wissenschaftler in allen Teilen der Welt.
Um den zukünftigen Energiebedarf der Welt zu decken, brauchen wir bahnbrechendere Technologien.
Ebenso wie das Erdöl in den letzten 100 Jahren Holz, Kohle und Pferdekraft als primäre Energiequelle ersetzt hat (es ist noch gar nicht lange her, dass Landwirtschaft und Transportwesen hauptsächlich von Muskelkraft abhängig waren), werden neue Technologien eines Tages den Weg in die Zukunft weisen.
Einige davon sind in den Meeren zu finden. Eine Idee, die sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium befindet, besteht darin, die Auf- und Abwärtsbewegung der Wellen für den Antrieb einer Art von Turbine zu nutzen. Ein anderes Konzept, von dem in wissenschaftlichen Zeitschriften die Rede ist, läuft da-rauf hinaus, sich den Temperaturunterschied zwischen der Meeresoberfläche und dem Meeresboden für den gleichen Zweck zunutze zu machen.
Der Weltraum bietet natürlich auch Möglichkeiten. Einigen vielleicht weit hergeholten Theorien zufolge liegt dort der Schlüssel für eine unerschöpfliche und umweltfreundliche Energiequelle in Form von weltraumgestützten Systemen, die die Sonnenenergie auffangen und zur Erde leiten.
Das Konzept der Sonnenenergie aus dem Weltraum (Space Solar Power, SSP) basiert darauf, Satelliten in der Erdumlaufbahn oder Systeme auf dem Mond mit Solarzellen auszustatten, die als Sonnenkollektoren fungieren und die Energie in Form von Mikrowellen zur Erde senden könnten.
Sonnenenergie aus dem Weltraum wird es so lange geben, wie die Sonne scheint, und ist so reichlich vorhanden, dass die Bevölkerung der Erde ihren gesamten Energiebedarf damit decken kann.
Ethanolkraftstoff
Nach Angaben der US Geological Survey, einer wissenschaftlichen Behörde des amerikanischen Innenministeriums, stammen 40 Prozent der Energie weltweit von Erdöl, 22,5 Prozent von Erdgas, 23,3 Prozent von Kohle, sieben Prozent von Wasserkraft, 6,5 Prozent von Kernkraft und 0,7 Prozent von Biomasse und anderen Techniken.
Rund um den Globus sind intensive Bemühungen im Gange, fossile Kraftstoffe für den Antrieb von Kraftfahrzeugen durch Biokraftstoffe wie Ethanol zu ersetzen. Ethanol wird aus Getreide hergestellt.
Der Gouverneur des US-Bundesstaates Illinois, Rod Blagojevich, hat kürzlich eine Summe von knapp einer Milliarde Euro zugesagt, um bis 2017 die Hälfte des gesamten Kraftstoffbedarfs in Illinois mit Biokraftstoff zu decken. Japan lässt verlauten, dass bis 2030 alle Fahrzeuge des Landes Ethanolantrieb haben werden.