Differenzierung ein Muss
Auch Preissenkungen sind nach Kotlers Ansicht kein gutes Mittel, um die Aufmerksamkeit von Kunden zu wecken. „Wer Verkaufsförderung übertreibt, gefährdet sein Markenkapital“, sagt Kotler. Besser ist es ein Produkt zu differenzieren, indem man es als einzigartig herausstellt entweder aufgrund seiner Eigenschaften oder aufgrund der Tatsache, dass es sich an eine ganz spezielle Gruppe wendet.
Die extrem wettbewerbsintensiven Märkte von heute haben
für Marketing-Guru Philip Kotler ein Motto: „Fressen oder gefressen werden. Überleben kann man deshalb am besten durch Differenzierung des Warenangebots“Ursprünglich als Makroökonom ausgebildet ist Kotler heute Professor für internationales Marketing an der Kellogg Graduate School of Management, Northwestern University, in der Nähe von Chicago. Seiner Ansicht nach gilt die Philosophie „Fressen oder gefressen werden“ gleichermaßen für Abnehmer und Hersteller, weil beide auf übersättigten Märkten um eine schrumpfende Schar von Kunden kämpfen und weil die Kunden über das Internet Zugang zu einem ständig wachsenden Warenangebot haben.
„Früher war es so, dass das führende Unternehmen einer Branche in der Regel 20 bis 30 Prozent mehr auf dem jeweiligen Markt verdiente“, so Kotler. „Heute sind es mit ein wenig Glück noch zehn Prozent, wenn man Marktführer ist.“
Ein Produkt muss also schon wirklich herausragen, wenn es Eindruck machen soll. Obwohl es sicherlich auch um die Qualität der Produkte geht, ist es wichtiger, den Kunden zu zeigen, wie man Produkte auf neue Art oder effizienter nutzen kann und wie sich mit Hilfe von bestimmten Produkten Probleme lösen lassen, meint Kotler.
Vereinfacht wird diese Art des Marketing und der Produktdifferenzierung durch die moderne Technologie. So bilden elektronisch gespeicherte Kundendaten die Basis für Marketingprogramme, die exakt auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden ein ausgezeichneter Weg zur Differenzierung eines Produktes.
„Gewinnen wird das Unternehmen, das informationsgestützt agiert“, fährt Kotler fort. „Man verkauft kein Produkt, man erstellt ein Angebot, und ein Angebot kann man differenzieren.“
Bei der Differenzierung der Produkte sollten Unternehmen auch ihren Kundenkreis differenzieren. Das bedeutet, es muss eingehend untersucht werden, wer was von dem jeweiligen Unternehmen kauft, und ob der Ertrag an einem bestimmten Kunden die Zeit, Mühe und Kosten rechtfertigt, die das Unternehmen aufbringen muss, um von dem Kunden ein Geschäft zu bekommen. Außerdem gehören dazu die Erforschung des Marktes nach potentiellen neuen Großkunden und die Investition in den Aufbau von langfristigen Beziehungen zu ihnen. Derartige Investitionen führen unter Umständen nicht direkt zu einem Ergebnis, zahlen sich aber auf lange Sicht aus, so Kotler. Statt ein rasches Geschäft abzuwickeln, baut man eine Kundenbeziehung auf, die letztendlich wesentlich mehr einbringen wird.
Keine Kundentreue
Aber selbst Unternehmen, die langfristige Kundenbeziehungen pflegen und zusätzlichen Service anbieten, können sich der Loyalität ihrer Kunden nicht sicher sein. „Tatsache ist, dass es gar nicht im Interesse des Kunden liegt, loyal zu sein“ erklärt Kotler.
Auch Preissenkungen sind nach Kotlers Ansicht kein gutes Mittel, um die Aufmerksamkeit von Kunden zu wecken. „Wer Verkaufsförderung übertreibt, gefährdet sein Markenkapital“, sagt Kotler. Besser ist es ein Produkt zu differenzieren, indem man es als einzigartig herausstellt entweder aufgrund seiner Eigenschaften oder aufgrund der Tatsache, dass es sich an eine ganz spezielle Gruppe wendet.
Die enorme Expansion des Internet kann die Produktdifferenzierung weiter vorantreiben, aber Kotler warnt vor tückischen Fallen. Im Internet haben die Kunden eines Unternehmens Zugang zu einer Fülle von Informationen über dessen Produkte, allerdings auch über die Produkte der Wettbewerber und eventuelle Preisunterschiede. Wer hier Geschäfte machen will, muss Kunden über ein bestimmtes Produkt besser informieren und vielleicht sogar zusätzliche Leistungen anbieten.
Die Vorzüge des Internet bestehen unter anderem darin, dass Unternehmen ihre Produktinformationen auf völlig neue Weise verbreiten können und erheblich weniger Geld für Vertreterbesuche ausgeben müssen. Tatsächlich wollen die meisten großen Unternehmen heutzutage nicht mehr regelmäßig von Verkäufern besucht werden, so Kotler. Was sie brauchen, sind Informationen, mit denen sich die Manager befassen können, wenn es ihnen zeitlich passt. Vertreterbesuche nehmen im Laufe eines Arbeitstags zu viel Zeit in Anspruch.
Damit verbunden sind engere Beziehungen zu den Händlern, weil sie maßgeblich dazu beitragen, die Produkte auf den Markt zu bringen. Zeit und Mühe in langfristige Händlerbeziehungen zu investieren, kommt letztendlich den Unternehmen zugute.
Weniger Lieferanten
Ein wichtiger Faktor ist in diesem Zusammenhang auch, dass Kunden die Zahl der Lieferanten begrenzen wollen, um Verwaltungskosten zu sparen, die Logistik zu vereinfachen und die Qualität zu erhöhen. Eine Art, ein Produkt zu differenzieren, besteht darin, den Kunden zu zeigen, wie das Produkt und sein Hersteller in all diesen Bereichen von Nutzen sein kann.
Eine andere Art der Produktdifferenzierung ist das Konzept „Leistung gegen Leistung“, das heißt ein Unternehmen bietet an, von einem potentiellen Kunden zu kaufen, wenn dieser im Gegenzug mit dem Unternehmen ein Geschäft abschließt. Marktexperten behaupten, ein wirksamer Weg zur Produktdifferenzierung sei auch die Vermischung der Unternehmensinteressen mit den Interessen der Kunden.
Hierzu listet das jeweilige Unternehmen alle Vorzüge auf, die die einzelnen Produkte nach Auffassung der Kunden bieten. Die Aufgabe klingt gewaltiger als sie ist, denn die meisten Kunden machen ihre Kaufentscheidungen nur von einigen wenigen Kriterien abhängig. Als nächstes trägt das Unternehmen alle Vorzüge zusammen, die die einzelnen Produkte dem Unternehmen bieten. Ein Vergleich der beiden Listen dürfte eine klare Aussage darüber zulassen, welche Produkte die optimalen sind. Es ist für Unternehmen einfacher, ihre Produkte zu differenzieren, wenn sie sich auf das konzentrieren, was die Kunden als vorteilhaft erleben.
Kotler verschweigt allerdings auch nicht, dass es durch Produktdifferenzierung schwieriger werden kann, neue Kunden zu gewinnen. Je erfolgreicher die Unternehmen sich selbst und ihre Produkte differenzieren, desto intensiver bemühen sie sich darum, ihre Kunden zu halten. Darüber hinaus versucht man die Kunden zu überreden, höher entwickelte Produkte zu kaufen. Kotler glaubt somit nicht daran, dass der Tag bald kommen wird, an dem sich die Unternehmen vor dem „gefressen werden“ nicht mehr fürchten müssen.
Ariane Sains
Journalistin in Stockholm und Verfasserin
regelmäßiger Beiträge zu internationalen Wirtschaftspublikationen
FotoRob Vanstone