Drive-by-wire – der neue Trend in der Automobilkonstruktion

Schon bald werden Drive-by-wire-Anwendungen einen Teil der herkömmlichen hydraulischen und mechanischen Systeme in Fahrzeugen ersetzen. Das Konzeptfahrzeug Filo lässt erahnen, wie Autofahren in nicht allzu ferner Zukunft aussehen wirdBy-wire-Systeme steuern Baugruppen nicht länger direkt mechanisch, das heißt „über eine formschlüssige Verbindung“, sondern elektrisch. Drive-by-wire ist nichts anderes als das Fly-by-wire-Konzept, das schon seit Jahren in der Luftfahrtindustrie eingesetzt wird. In einer herkömmlichen Fahrzeuglenkung wird die Bewegung des Lenkrads mechanisch über die Lenksäule auf die Lenkungszahnstange und dann auf die Vorderräder übertragen. Ein By-wire-System dagegen erfasst die Drehung des Lenkrads und wandelt diese Bewegung in ein digitales Signal um, das an eine intelligente elektromechanische Betätigungseinheit (smart electro-mechanical actuation unit, SEMAU) zur Steuerung der Räder übertragen wird. Ähnlich werden auch Bremsen und Getriebe gesteuert. Über die französische SKF Gesellschaft SARMA verfügt die Gruppe über eine mehr als 15-jährige Erfahrung in der Fertigung mechatronischer Steuerungen und Betätigungseinheiten für die Zivilluftfahrt.

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Schon bald werden Drive-by-wire-Anwendungen einen Teil der herkömmlichen hydraulischen und mechanischen Systeme in Fahrzeugen ersetzen. Das Konzeptfahrzeug Filo lässt erahnen, wie Autofahren in nicht allzu ferner Zukunft aussehen wirdBy-wire-Systeme steuern Baugruppen nicht länger direkt mechanisch, das heißt „über eine formschlüssige Verbindung“, sondern elektrisch. Drive-by-wire ist nichts anderes als das Fly-by-wire-Konzept, das schon seit Jahren in der Luftfahrtindustrie eingesetzt wird. In einer herkömmlichen Fahrzeuglenkung wird die Bewegung des Lenkrads mechanisch über die Lenksäule auf die Lenkungszahnstange und dann auf die Vorderräder übertragen. Ein By-wire-System dagegen erfasst die Drehung des Lenkrads und wandelt diese Bewegung in ein digitales Signal um, das an eine intelligente elektromechanische Betätigungseinheit (smart electro-mechanical actuation unit, SEMAU) zur Steuerung der Räder übertragen wird. Ähnlich werden auch Bremsen und Getriebe gesteuert. Über die französische SKF Gesellschaft SARMA verfügt die Gruppe über eine mehr als 15-jährige Erfahrung in der Fertigung mechatronischer Steuerungen und Betätigungseinheiten für die Zivilluftfahrt.

SKF arbeitet schon lange mit der Automobilindustrie zusammen und ist weltweit einer der größten Zulieferer. Das gemeinsame Konzeptauto „Filo“ von SKF und Bertone zeigt, wie Drive-by-wire-Systeme Fahrzeuge in der Zukunft aussehen lassen. Auch die Erfahrung anderer Unternehmen ist eingeflossen, etwa von Brembo S.p.A für Brake-by-wire-Anwendungen, aber auch von Bose und Nokia. Von TTTech kommen Teile der Netzwerksteuerung im Fahrzeug.

Entscheidender Beitrag von SKF

Alle By-wire-Systeme im Filo sind von SKF entwickelt und gefertigt. Die elektromechanischen Betätigungseinheiten wurden speziell für By-wire-Betätigungssysteme im Automobilbau entwickelt und sind modular angelegt. Die computergesteuerten Steuereinheiten bauen auf einer einheitlichen Grundlage auf, Programmierung und Leistungsstufen wurden für jedes Teilsystem gesondert erstellt. Im Filo sind unterschiedliche Stromkreise eingebaut: 12 V für Kupplung und Gangschaltung und 42 V für Systeme mit größerem Strombedarf wie etwa Lenkung und Bremsen.

Die einzelnen Betätigungs-Steuereinheiten sind komplizierte computergesteuerte Leistungsschalter, die die Signale von den Sensoren und Steuereingängen auswerten und den Antrieb der SEMAU, einen bürstenlosen Elektromotor, mit Strom versorgen. Die Betätigungs-Steuereinheiten (actuation control unit, ACU) arbeiten mit dem zeitgesteuerten Protokoll von TTTech. Dieses zuverlässige und robuste Netz-Betriebssystem bildet sozusagen das Rückgrat der By-wire-Architektur im Filo.

Das Bremssystem entstand in Zusammenarbeit von SKF und Brembo: Brembo entwickelte spezielle Bremssättel zur Aufnahme der SKF-SEMAU. Die Steuerung des Filo, die Guida, ist mit einem aktiven Rückmeldesystem in den Lenkhörnern ausgestattet. In einem Regelkreis mit der Lenk-SEMAU und Sensoren an den Lenkhörnern ist ein Motor mit großem Drehmoment geschaltet. Er vermittelt an den Fahrer das gewohnte Fahrgefühl, etwa den Lenkeinschlag und die Beschaffenheit der Straße.

Ein ganz neues Bild

Der größte Unterschied für den Fahrer ist das Fehlen von Pedalen und Lenksäule im Innenraum – und damit der Raumgewinn. Schwere und große Hydraulik- und Mechanikkomponenten können wegfallen, und ein Bremskreis ohne Bremsflüssigkeit ist ein Beitrag zum Umweltschutz. Bei einem Umfall ist die passive Sicherheit für den Fahrer wesentlich größer, weil er sich nicht an Lenksäule und Pedalen verletzen kann.

Im Konzeptfahrzeug sind alle Steuerelemente des Fahrers in der Guida vereint. Die Benzineinspritzung (Drosselklappe; „Gaspedal“), Bremse und Lenkung werden mit der Hand betätigt. Die Gangschaltung erfolgt per Knopfdruck, wie man es aus dem Motorsport kennt. Auch die Tasten für Sekundärsysteme wie Licht, Scheibenwischer, Radio, Heizung und Klimaanlage sind für den Fahrer direkt erreichbar. Das linke und rechte Lenkhorn sind auf mechanischem Wege miteinander verbunden und haben einen Ausschlag von 20°. Das „Lenkgefühl“ des Fahrers, also die Stärke des Ausschlags oder der Bewegung, die er spürt, kann individuell frei programmiert werden, genauso wie das Verhältnis zwischen der Bewegung der Lenkhörner und dem Ausschlag der Vorderräder.

Signalverarbeitung

Komplexe Industriemaschinen, Luft- und Raumfahrtanwendungen und By-wire-Systeme arbeiten mit digitalen Signalen. By-wire-Systeme in Kraftfahrzeugen sind komplexer als Industrieanwendungen, jedoch einfacher als Luftfahrtsysteme und können nur über ein elektronisches Datennetzwerk gesteuert werden, das äußerst robust und wenig störanfällig sein muss. Herkömmliche Netze in Büros und in manchen Multiplex-Signalanwendungen arbeiten mit einem ereignisgesteuerten Protokoll. Ein ereignisgesteuertes Protokoll ist grundsätzlich reaktiv, also passiv, bis ein Datenaustausch angefordert wird. Hier merkt der Fahrer einen Fehler oder Ausfall im Netz erst, wenn er ein Element betätigen will, wenn also etwa das Schiebedach oder die Fensterheber nicht mehr funktionieren.

Für komplexe und sicherheitsrelevante Bereiche wie Bremsen oder Lenkung hat ein solches System natürlich nicht die erforderliche Zuverlässigkeit. Hier greift man auf ein zeitgesteuertes Protokoll zurück, das jedem angeschlossenen Rechner spezifische Zeitblöcke zuweist. In jedem Zeitblock muss sich der Rechner melden und damit seine Funktionsfähigkeit bestätigen. Wenn eine bestimmte Aktion ausgeführt werden soll, sendet der Rechner ein Signal und übermittelt so den Befehl über das Netz an die Steuerung des Betätigungselements. Das Netz prüft stetig, ob die Knoten (Rechner) angeschlossen sind und auf eine Abfrage richtig reagieren. So kann fehlertolerante Protokoll sicherstellen, dass die Netzstruktur in Ordnung ist und funktioniert, oder bei einem Ausfall sofort eingreifen. Bei einem zeitgesteuerten Steuerungskonzept wird ein Fehler oder Ausfall im nächsten Zeitblock entdeckt, wenn die Komponente nicht die richtige Antwort sendet – innerhalb von Millisekunden.

Als nächstes Beispiel die Gangschaltung. Der Fahrer möchte in den zweiten Gang hochschalten und drückt auf der Guida den Plus-Knopf. Dies löst eine komplexe Folge von Signalen aus. Zunächst muss ausgekuppelt werden. Signale werden an die Leistungsstufe der Kupplungs-ACU gesendet, die für genau die richtige Dauer den richtigen Stromimpuls zum Auskuppeln liefert. Danach geht ein Signal an die ACU der Gangschaltung, das das Hochschalten freigibt. Jetzt schickt die ACU der Gangschaltung ein Signal an die ACU der Kupplung, dass wieder eingekuppelt werden kann.

Selbst bei einem anscheinend so einfachen Vorgang läuft zwischen den ACUs vielfach und vielfältig Prüfung und Austausch ab, was wir hier nicht im Detail dargestellt haben.

Im Filo sitzt ein herkömmliches Getriebe mit H-Schaltbild. Dafür muss das Betätigungselement genaue lineare und Drehbewegungen ausführen können. Im Filo werden nur elektromechanische Betätigungselemente eingesetzt; das System kommt also ohne flüssige Medien aus. Zunächst wird der Elektromotor mit Strom versorgt. Über eine Art Getriebe, dessen Aufbau von der Bewegung des Betätigungselements abhängt, setzt ein Kugelgewindetrieb die Drehbewegung in eine Linearbewegung um. So werden die Vorderräder in Bewegung versetzt, die Bremssättel greifen an den Bremsscheiben an oder die Gänge werden geschaltet.

Brake-by-wire

Das neuartige Bremssystem für den Filo ist in Zusammenarbeit von SKF und dem italienischen Bremsenhersteller Brembo entstanden. Brembo brachte Fachwissen und Erfahrung in der Gestaltung von Bremssätteln und Bremssystemen ein, SKF war für die elektromechanischen Hubzylinder und Radlager zuständig. Die Bremsen werden durch Drücken von Handgriffen an Lenkhörnern der Guida aktiviert. Mechanisch ist das Bremssystem so ausgelegt, dass der Widerstand mit der Bremskraft zunimmt. Am Anfang der Bewegung liegt eine kurze, aber deutlich spürbare „Leerbewegung“ vor, so dass der Fahrer merkt, wann die Bremsen ansprechen Jede Bremse wird als eigenes System gesteuert und von einem Gesamt-Steuersystem überwacht.

Die Bremsleistung von Brake-by-wire übertrifft die von herkömmlichen hydraulischen Bremssystemen, die Ansprechzeit ist kürzer und die maximale Klemmkraft am Bremssattel größer. Im Laufe des Projekts wurden immer wieder neue Entwicklungen insbesondere zur Verringerung des Gewichts und der Baugröße umgesetzt. Der By-wire-Bremssattel ist nun eine kompakte Einheit mit ungefähr demselben Gewicht wie das herkömmliche Hydrauliksystem, an dessen Stelle er tritt. SKF und Brembo arbeiten im Augenblick an einem Brake-by-wire-System, das 2004 in Serie gehen soll.

Die Software

Die Steuersoftware von SKF besteht aus drei getrennten Programmen, jeweils einem für die Bremse (Brake-by-wire), Kupplung und Schaltung (Clutch- and gearshift-by-wire) und die Lenkung (Steer-by-wire). Die Software stellt die Verbindung zwischen den Eingangssignalen der Steuerung von der Guida und den Sensoren an den intelligenten elektromechanischen Betätigungselementen dar. Die einzelnen Systeme und Programme funktionieren unabhängig voneinander, aber die Software hat, in erster Linie über das zeitgesteuerte Protokoll, eine übergreifende Verantwortung für die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems. Sie ist außerordentlich fehlertolerant und sorgt so jederzeit für die erforderliche Zuverlässigkeit, Fehlerbehebung und Ausfallsicherheit.

Gianluca Oberto,

SKF Drive-By-Wire Business Unit, Italien

 

 

 

 

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