E-Learning auf dem Vormarsch
Virtuelle Klassenzimmer und Lernprogramme auf dem Handy sind die neuesten Entwicklungen beim E-Learning. Aber wie so oft besteht die Herausforderung in der optimalen Nutzung dieser Technologie
Virtuelle Klassenzimmer und Lernprogramme auf dem Handy sind die neuesten Entwicklungen beim E-Learning. Aber wie so oft besteht die Herausforderung in der optimalen Nutzung dieser Technologie
Eine Lehrerin betrittden Klassenraum, macht ein paar Witze und beginnt dann mit einer PowerPoint-Präsentation die Unterrichtsstunde. Sie will wissen, wer das Einführungsmaterial gelesen hat. Fast alle 70 Lehrgangsteilnehmer greifen nach ihrer Maus und klicken auf „ja“. Zwischen den involvierten Personen besteht keinerlei physischer Kontakt. Sie könnten sogar auf verschiedenen Kontinenten wohnen. Das einzige, was sie verbindet, sind die Computerbildschirme, deren Softwareinstrumente Audio- und Chat-Funktionen, interaktive Kommunikation sowie die Vermittlung von Bildern und Animationen umfassen. Die Übertragung erfolgt über Hochgeschwindigkeits-Breitband.
Seit die Idee vor etwa 20 Jahren geboren wurde, hat sich E-Learning immer stärker durchgesetzt. Allein in den vergangenen fünf Jahren sind neue E-Learning-Medien und -Methoden wie Pilze aus dem Boden geschossen – in dem Tempo, wie es die Technologie erlaubt. Die Geschäftswelt hat inzwischen entdeckt, dass sich hierdurch Zeit und Geld sparen und Wissen schneller und einfacher vermitteln lässt.
Der globale und wettbewerbsbetonte Charakter der modernen Wirtschaft zwingt multinationale Unternehmen dazu, Kenntnisse über optimale Verfahrensweisen und Lösungswege unter ihren Niederlassungen rasch zu verbreiten. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass das durch eine bestimmte Ausbildungsmaßnahme erreichte Kompetenzniveau überall gleich ist, egal in welchem Land oder in welcher Sprache die Schulung stattfindet. E-Learning gewährleistet dies zweifellos in höherem Maße als die herkömmliche Ausbildung in einem Klassenzimmer.
In seiner Grundform ist E-Learning computergestütztes Lernen. Hier unterscheidet man zwei Kategorien: synchrone Verfahren (zum Beispiel virtuelle Klassenzimmer, in denen sich Menschen über ein Netzwerk treffen und gemeinsam an einem Unterricht in Echtzeit teilnehmen) und asynchrone Verfahren (computergestütztes Selbststudium).
Die meisten E-Learning-Formensind asynchrone Lernmodule und bestehen aus individuell zugeschnittenen Kursen etwa für das Personal eines Unternehmens, für Händler oder Kunden. Sie sollen dabei helfen, die Anwender in einem bestimmten Prozess oder Produkt weiterzubilden. Viele Firmen wählen zum Beispiel E-Learning-Lehrgänge zur Erfüllung der grundlegenden Fortbildungsansprüche ihrer Mitarbeiter.
Das relativ neue Phänomen des virtuellen Klassenzimmers gewinnt allerdings einen immer größeren Anteil an diesem Markt und steht heute schon für 25 Prozent aller formellen Fortbildungsmaßnahmen in großen Unternehmen und staatlichen Organisationen. Das meint Ruth Clark, Spezialistin für Instructional Design und technische Ausbildung sowie Autorin einer Reihe von Büchern zum Thema E-Learning. Clark ist Leiterin einer amerikanischen Ausbildungs- und Beratungsfirma in Colorado (www.clarktraining.com).
„Unternehmen bevorzugen diese virtuellen Klassenzimmer“, erklärt sie, „weil sie die Mitarbeiter zur Fortbildung nicht wegschicken müssen. Das bedeutet kürzere Abwesenheit vom Arbeitsplatz und eingesparte Reisekosten.“
Trotz ihrer Vielseitigkeit lassen die neuen virtuellen Klassenzimmer im Hinblick auf die technische Gestaltung und Interaktivität noch viel Raum für Verbesserungen, bestätigt Clark, die an der Verbreitung des E-Learning-Konzepts Anfang der 1980er Jahre maßgeblich beteiligt war.
„Damals waren es hauptsächlich Programmsimulationen für Großrechneranwendungen“, so Clark. „Aber mit der Weiterentwicklung des PC konnte man sowohl Video- als auch Audio-Funktionen hinzufügen. Als dann die Speicherkapazität zunahm, kamen Animationen und Simulationen hinzu.“ Zu jenem Zeitpunkt, etwa Mitte der 1990er Jahre, waren E-Learning-Kurse überwiegend auf Festplatte, Diskette oder CD-ROM erhältlich.
„Schließlich tauchtedas Internet auf“, fährt Clark fort. Der nächste Schritt ist bereits in Sicht: M-Learning oder „Mobile Learning“ mit Hilfe von intelligenten Handys und kleinen, tragbaren Rechnern, so genannten PDA (Personal Digital Assistants). Die Mobilität des Mediums ist verlockend, meint Clark, aber die derzeitige Technologie vermittelt ein gewisses Gefühl von déjà vu.
Das reale Klassenzimmer ist allerdings noch nicht tot. Dem Lagebericht 2005 der American Society for Training and Development (ASTD) zufolge finden 70 Prozent aller Lehrgänge und Schulungen in Klassenzimmern mit Lehrern statt. E-Learning wird oft als Ergänzung zu traditionellen Methoden verwendet.
Insgesamt hat der Aus- und Fortbildungsaufwand enorm zugenommen. Die in diesem Bereich investierten Summen sind proportional zu der Erkenntnis gestiegen, dass Kompetenzerweiterung eine wichtige Voraussetzung für die Leistungssteigerung eines Unternehmens ist. „Mehr als je zuvor wird heute in Betrieben die Fortbildungsfunktion anderen Unternehmensfunktionen gleichgestellt. Dabei stehen vor allem betriebliche Effizienz, finanzielle Verantwortung und die Anknüpfung an Organisationsstrategien im Vordergrund“, sagt Brenda Sugrue, Forschungsleiterin bei ASTD und Verfasserin des Lageberichts für 2005.
Mit der zunehmendenVerbreitung des E-Learning nimmt auch schlechtes E-Learning zu. „Die Realisierung von E-Learning-Projekten wird immer leichter“, erklärt Clark. „Aber damit wird es auch immer leichter, schlechtes und schludriges Material zusammenzustellen. Wir haben alle schon einmal an Lehrgängen teilgenommen, die wenig gebracht haben. Wenn Sie den Auftrag erhalten, Wissen und Fähigkeiten zu erweitern, stellen Sie sich folgende Fragen: ‚Wie gestalte und entwickle ich eine effiziente Ausbildung, die aus didaktischer Sicht ihr Ziel erreicht? Ist eine herkömmliche Schulung mit physischem Kontakt besser? Ist synchrones oder asynchrones E-Learning besser? Brauche ich sekundäre oder andere Unterstützung? Sollte eine Help-Line eingerichtet werden? Benötigt man gedrucktes Material? Oder wenn ich ohnehin schon Informationen verbreite, warum nicht direkt eine Website erstellen?’“
Nach Ansicht von Clark wird sich E-Learning zu einer Ausbildungsform weiterentwickeln, die Kompetenzerweiterung und Wissensmanagement besser integriert. IT-Entwickler werden neue Wege finden, Sachkompetenz aufzufangen und an relevante Stellen zu vermitteln.
„Bisher war E-Learning ein Kurs, ein virtueller Unterricht, ein separates Ereignis“, meint Clark. „In Zukunft werden wir E-Learning mehr und mehr als integriertes Phänomen des Arbeitsplatzes erleben. In jeder Organisation gibt es so viel Wissen, das verbreitet werden muss. Welche Möglichkeiten haben wir, um dieses Wissen zu speichern und allen zu vermitteln?“
Wenn zum Beispiel ein neuer Verkaufsrepräsentant ein Angebot abgeben soll, kann man ihm verschiedene Muster mit Simulationen und qualifizierten Ratschlägen online zur Verfügung stellen. „Oder nehmen Sie ein beliebiges neues Softwareprogramm“, sagt Clark. „Heute beanspruchen einige Applikationen nur einen Teil des Bildschirms. Der andere Teil könnte für das Erlernen des Programms etwa in Form von integrierten Schritt-für-Schritt-Anweisungen genutzt werden. Der Kauf eines separaten Einweisungskurses für die Benutzung des Programms wäre damit überflüssig.“
Das sind laut Clarkgute Aussichten für die mobilen Arbeitskräfte der Zukunft, die sofortigen Zugang zu Ausbildungsressourcen benötigen. Vielleicht wird ein Techniker bei einem Reparatureinsatz seine Fehlersuchanweisungen von seinem Handy abrufen können. Verkaufsvertreter werden in der Lage sein, überall Produktmuster und Simulationen zu präsentieren.
„Diese Dinge werden automatisch kommen“, erklärt Clark. „Wir werden mehr und mehr Zugang zu Fachwissen erhalten. Es wird weniger formelle Ausbildungen und mehr lebenslanges integriertes Lernen geben.“
E-Learning-Konzepte auf drei Ebenen
Das SKF Distributor Collegebietet für SKF Händler über 20 Online-Kurse zur Verbesserung der Kenntnisse über SKF Produkte. Die Händler sind dadurch in der Lage, ihre Kunden besser zu unterstützen.
Wie Madeleine Olausson, die bei SKF für Marktkommunikation zuständig ist, sagt, ermöglichen die Online-Kurse weltweit eine einheitliche, präzise Ausbildung, die sich rasch aktualisieren lässt. Derzeit stehen Online-Schulungen in zehn Sprachversionen zur Verfügung und drei weitere sind in Arbeit.„Wir stellen oft fest, dass Leute, die einen oder zwei Kurse absolviert haben, wiederkommen und die restlichen Kurse auch machen wollen“, erklärt Olausson.
Die derzeit verfügbaren Kurse beziehen sich größtenteils auf Produktmerkmale und Anwendungsbereiche. Neue branchenspezifische Kurse befassen sich ausführlicher mit den speziellen Fragen der jeweiligen Endanwender und den kritischen Applikationen innerhalb dieser Branchen, in denen SKF Produkte zum Einsatz kommen.
Das neue SKFReliability Maintenance Institute (RMI) On-line bietet verschiedene Grundkurse für Kunden in den Bereichen Maschinen- und Anlagenmanagement, Zustandsüberwachung und mechanische Instandhaltung. Die Kurse enden mit einem Abschlusstest, und die Teilnehmer erhalten ein Zertifikat. Die Online-Schulungen sind eine Ergänzung zu den praktischen SKF Lehrgängen.
RMI On-line wurde 2006 ins Leben gerufen und ist Teil der SKF Website @ptitude Exchange (http://www.aptitudeexchange.com). „Ich glaube, das Angebot wird ein Erfolg, da die SKF Ausbilder die Kurse als Ergänzung zu ihren traditionellen Lehrmethoden verwenden und auf diese Weise einen speziell an die Kundenbedürfnisse angepassten Ausbildungsmix bereitstellen können“, erklärt Mel Barratt von @ptitude Exchange. „Hier gibt es Instrumente, die es ihnen ermöglichen, die Qualität ihrer Lehrgänge zu verbessern. Denkbar ist zum Beispiel, einen erfolgreich absolvierten Online-Kurs als Voraussetzung für eine lehrergestützte Schulung zu verlangen, damit der Ausbilder keine Zeit damit verschwenden muss, einen gemeinsamen Ausgangspunkt zu finden. So könnte man auch mehr Zeit für praktische Übungen gewinnen.“
Die Kunden begrüßen, dass sich RMI On-line auf Grundausbildung konzentriert. Nestlé bietet sogar Kurse von RMI On-line über das Intranet des Unternehmens an. „Wir wollen proaktiver in unserer Wartungsstrategie werden“, erklärt Nestlés Jan de Bruin, Corporate Technical Engineering Services.
„Die Hauptursache der meisten Maschinenausfälle ist nicht das Alter der Maschinen, sondern unzureichende Kenntnisse bei deren Bedienung und Wartung“, fährt de Bruin fort.
De Bruin findet es positiv, dass RMI On-line von Ingenieuren betrieben wird, die über eine Menge praktischer Erfahrungen verfügen. Er meint, die Zeit sei reif für eine Internet-basierte Schulung dieser Art.
„Ich glaube, die Leute heutzutage sind sehr unabhängig. Sie wollen etwas lernen, aber in ihrem Tempo und zu Zeiten, wann es ihnen passt.“
Intern nutzt SKFE-Learning für globale gruppenorientierte Schulungen mit übergreifenden Inhalten etwa zur IT-Sicherheit und zum SixSigma-Prozess sowie für Lernmodule, mit denen neue Mitarbeiter rasch in die Produkte, den Auftrag und die Vision von SKF eingewiesen werden sollen. Die Mitarbeiter haben auch Zugang zu dem Kursangebot von RMI On-line und dem SKF Distributor College, was besonders den Verkäufern zugute kommt.
Für die nahe Zukunft strebt SKF eine einzige E-Learning-Plattform an, auf der das gesamte Aus- und Fortbildungsangebot zusammengefasst wird. „Wir werden dann unsere Kurse deutlicher abgrenzen, um Überlappungen weitgehend zu vermeiden“, meint Anne-Sofie Börjesson, Leiterin der Schulungen.