Eine Welt aus Stahl

Stahl ist für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen das bevorzugte Material. Hier ist die Geschichte, wie Stahl zu einem Schlüsselfaktor für die Entwicklung unserer Welt wurdeUnsere heutige Welt wurde auf Stahl errichtet. Die Stahlerzeugung gab den Zündstoff für die industrielle Revolution und bildete die Grundlage für den Eisenbahn- und Schiffbau sowie für andere Industriezweige. Heute findet man Stahl überall – in Klingen, im Fahrgestell von Flugzeugen, in Operationsbestecken, Brücken, Wolkenkratzern und Autos.
   

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Stahl ist für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen das bevorzugte Material. Hier ist die Geschichte, wie Stahl zu einem Schlüsselfaktor für die Entwicklung unserer Welt wurdeUnsere heutige Welt wurde auf Stahl errichtet. Die Stahlerzeugung gab den Zündstoff für die industrielle Revolution und bildete die Grundlage für den Eisenbahn- und Schiffbau sowie für andere Industriezweige. Heute findet man Stahl überall – in Klingen, im Fahrgestell von Flugzeugen, in Operationsbestecken, Brücken, Wolkenkratzern und Autos.
   

Die Verwendung von Stahl geht zurück auf die Eisenzeit etwa 1000 vor Christus. Allerdings haben erst die Massenproduktionsverfahren der jüngeren Zeit aus Stahl einen der vielseitigsten und am meisten verwendeten Konstruktionswerkstoffe der Welt gemacht. Stahl ist preiswert, stark, außerordentlich wiederverwertbar, zuverlässig und in zahlreichen Anwendungsbereichen den konkurrierenden Werkstoffen Aluminium, Kunststoff und Verbundwerkstoffe immer noch überlegen.
   

Nach Angaben des International Iron and Steel Institute in Brüssel wurden 1997 weltweit 795 Millionen Tonnen Stahl erzeugt, eine wahre Rekordleistung, die einer Steigerung von sechs Prozent gegenüber 1996 entsprach. China, Japan und die USA führen die Liste der Stahlproduzenten an.
   

„Aber Stahl ist nicht nur ein Werkstoff“, sagt John Olof Edström, Professor für Metallurgie an der technischen Hochschule in Stockholm. „Es gibt Tausende verschiedene Stähle, und es werden ständig neue für spezielle Anwendungsbereiche entwickelt.“
Glänzend und stark

Stahl besteht aus Eisen, einem im Grunde relativ weichen Metall, das durch Zusatz von nur zwei Prozent Kohlenstoff gehärtet wird. Erst durch verschiedene Bearbeitungsverfahren wie Schmelzen, Frischen, Veredeln und Abkühlen sowie durch Legierungszusätze wie Nickel, Chrom, Wolfram, Molybdän, Titan und Vanadium erhält der Stahl seine vielen verschiedenen Eigenschaften. Stahl kann glänzend und extrem hart sein wie in Bohrköpfen, rauh und grob wie bei Trägern oder so beschaffen sein, daß er Korrosion und Oxidation widersteht wie es für Brückenseile erforderlich ist.
   

„Die Geschichte des Stahls ist eine Mischung von Alchemie, Chemie, Geographie und Physik“, meint Dr. Henning Leidecker, Werkstoffphysiker bei der NASA und eine Kapazität auf dem Gebiet der Geschichte der Metallurgie. „Es gibt ein Zusammenspiel zwischen Erfindern mit großartigen Ideen und Investoren mit Geld.“
   

Eigentlich muß man noch viel weiter in der Geschichte zurückgehen. Es wurde nachgewiesen, daß Meteoriten mit einem hohen Eisen- und Nickelgehalt auf die Erde aufschlugen, die bereits fertige Legierungen wie Stahl enthielten, wenn auch in sehr roher unveredelter Form. Heute wird Eisen mit Nickel und Chrom legiert, um daraus Edelstahl herzustellen. In einigen Hütten in Kanada wird immer noch meteoritisches Eisen gewonnen.
   

Die Kunst der Stahlerzeugung und des Schmiedens von Eisen wurde jahrhundertelang vom Meister an den Lehrling weitergegeben. Es war eine Kunst mit vielen lokalen Varianten, die sich rasch vom Nahen Osten nach Europa und China verbreitete, aber nach Meinung der Gelehrten kam Stahl als eigenständiges Material erst zu Zeiten von Alexander dem Großen (323 vor Christus) auf.
   

Damals war der Damaskus-Stahl in Form von Schwertern und Rüstungen für seine Härte und Widerstandsfähigkeit berühmt, obwohl er einen hohen Kohlenstoffanteil hatte. Kohlenstoff härtet zwar den Stahl, aber ein zu hoher Gehalt macht ihn brüchig. Die Europäer entdeckten den Damaskus-Stahl erst im 11. Jahrhundert bei ihren Kreuzzügen. Lange Zeit war man nicht in der Lage, seine hervorragenden Eigenschaften zu reproduzieren.
   

Das Geheimnis bestand – so steht in einem Artikel im Scientific American zu lesen – in einem geschickten Bearbeitungs- und Vergütungsverfahren. Oleg D. Sherby und Jeffrey Wadsworth von der Universität in Stanford schreiben über die damaligen Versuche: „Einige Schmiede des Mittelalters bestanden darauf, die Schwerter im Urin eines rothaarigen Jungen oder einer dreijährigen Ziege, der man drei Tage lang nur Farnblätter zu fressen gegeben hatte, abzuschrecken.“
Falsche Vorstellungen

Das Formen von Stahl im großen Stil machte der wohlhabende englische Erfinder Sir Henry Bessemer möglich. Er entwickelte und patentierte 1855 das sogenannte Bessemer-Verfahren, durch das erstmalig große Mengen Flußstahl hergestellt werden konnten. Im Jahre 1900 erreichte man nach Angaben der Encyclopaedia Britannica mit diesem Verfahren weltweit ein Produktionsvolumen von 50 Millionen Tonnen. Obwohl Bessemer der ganze Ruhm für das Verfahren zuteil wurde, war es der Schwede Göran Göransson, der den Bessemerofen oder Konverter neu konstruierte, um ihn zuverlässiger zu machen. Der Stahl wurde in Sieben-Tonnen-Kokillen gegossen, dort erneut erhitzt und dann zu Blöcken reduziert, aus denen Barren, Träger und Stäbe geschmiedet werden konnten.
   

Die Metallurgie wurde erst Anfang der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts mit der Einführung der Quantenmechanik eine vollwertige Wissenschaft, erzählt Leidecker von der NASA. Bis dahin basierte das Wissen über Metalle, ihr Verhalten und ihre Eigenschaften, vor allem aber über die Besonderheiten, die ein Metall zu einem Metall machen, auf volkstümlichen Überlieferungen.
   

„Alle Metalle sind kristallin und verhalten sich wie Glas“, so Leidecker. „Ende des 18. Jahrhunderts, als überall in den USA Eisenbahnschienen verlegt wurden, kam es häufiger vor, daß eine Stahlachse eines Zuges brach, wenn der Inspekteur seinen Kontrollstempel einhämmerte. Stahl ist ebenso wie jedes andere Metall anfällig für Risse. Das wußte man damals allerdings noch nicht.“
Gewichtsnachteil

Die Stahlproduktion ist seitdem weit gekommen. Die heutigen Stahlwerke mit ihren rechnergestützten Sensoren, die die glühenden Stahlplatten durch endlose Walzstraßen lenken, sind Lichtjahre von den verrußten Stahlwerken der Vergangenheit entfernt. Neue Technologien in allen Bereichen der Stahlerzeugung – Veredelungsprozesse, Stahlöfen, Härteverfahren, Legierungen – haben aus dem Stahl Fähigkeiten hervorgelockt, die noch vor wenigen Jahrzehnten unvorstellbar gewesen wären.
   

Stahl kann härter sein als überhaupt gewünscht und höhere Temperaturen aushalten als die meisten anderen Werkstoffe. Allerdings ist in manchen seiner hochtechnologischen Anwendungsbereiche wie etwa im Gehäuse eines Feststoffraketenmotors sein relativ hohes Gewicht verglichen mit anderen Materialien noch immer ein Nachteil. Aber auch das wird sich wohl ändern. Auf der diesjährigen Internationalen Automobilschau in Genf stellte ein aus 35 Stahlunternehmen bestehendes Konsortium einen neuen Stahltyp vor, von dem behauptet wird, er könne das Gewicht einer Fahrzeugkarosserie um 25 Prozent senken. Die ULSAB (Ultra Light Steel Auto Body) Karosserie ist eine Sandwich-Konstruktion aus extrem harten dünnen Stahlblechen und Polypropylen. Aufgrund seiner überlegenen Eigenschaften wird dieser Stahltyp mit Sicherheit eine erhebliche Konkurrenz für die traditionell in der Automobilbranche verwendeten Materialien wie Aluminium, Kunststoff und Verbundwerkstoffe darstellen.
Alexander Farnsworth  

Journalist in Stockholm  

Fotos Jernkontoret und SSAB

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