Elementare Gedanken
Wasser, Erde, Luft und Feuer. Mit der Warnung der Wissenschaftler, Natur und Umwelt nicht bis an die Grenzen zu belasten, rücken die vier Elemente wieder in den Mittelpunkt des InteressesVergessen Sie alles, was Sie über Naturwissenschaften wissen. Vergessen Sie nur für einen Augenblick die Tabelle des periodischen Systems mit ihren Protonen, Neutronen und Elektronen. Vergessen Sie Genpools und DNA.
Jetzt versuchen Sie einmal, ganz ohne die moderne Wissenschaft auf möglichst einfache Weise den Begriff Natur zu definieren. Woraus besteht die Welt?
Wenn Ihnen als erstes „Erde, Wasser, Luft und Feuer“ in den Sinn kommt, denken Sie wie der griechische Philosoph Empedokles, der im fünften Jahrhundert vor Christus behauptete, alle Stoffe der Welt seien aus diesen vier Elementen zusammengesetzt. Aristoteles stützte seine eigene Naturphilosophie auf diese Auffassung und stellte die These auf, dass das Verhältnis dieser Elemente in einer Materie Substanz und Form bestimmt.
Erst 2000 Jahre später änderten die Wissenschaftler ihre Denkweise. Der Engländer Joseph Priestley entdeckte 1776, dass Wasser aus zwei kleineren Elementen bestand. Einige Jahre später leitete sein französischer Kollege Antoine Laurent Lavoisier daraus ab, dass der „Sauerstoff“ des Wassers, wie Priestley es nannte, der aktive Bestandteil der Luft war. Lavoisier, der als der Vater der neuzeitlichen Chemie betrachtet wird, schuf eine einheitliche Theorie zur Funktion des Sauerstoffs unter anderem im Verbrennungs- und Atmungsprozess und stellte mit Hilfe von neuen Begriffsbestimmungen eine Lehre zu chemischen Reaktionen auf.
Suche nach dem Unsichtbaren
In den darauf folgenden Jahrzehnten drangen Wissenschaftler immer tiefer in das Unsichtbare der Natur ein bis hin zu den Elektronen, Photonen, Myonen und Quarks. Sie entwickelten neue Theorien und schufen eine breitere Basis für die modernen Naturwissenschaften.
Die Menschheit änderte sich. Der ursprüngliche Respekt vor dem Gleichgewicht der Natur vor der holistischen Interaktion der vier Elemente verschwand, als sich Wissenschaft und Industrie immer mehr darauf konzentrierten, die Gesellschaft voranzutreiben. Kohle und Öl wurden aus der Erde gewonnen, um Motoren und Kraftwerke anzutreiben, die wiederum dazu dienten, Güter, Menschen und Elektrizität über Schienen, Straßen, Wasserwege und Stromnetze zu transportieren.
Abgase verdunkelten den Himmel. Als die Städte zu klein wurden und sich die Vororte immer weiter ausdehnten, nahmen die Planierraupen die ländlichen Gebiete in Angriff. Flüsse und Seen wurden mit Feststoffen und chemischen Abfällen verschmutzt.
Anfang des 20 Jahrhunderts diskutierten Physiker wie Albert Einstein, Niels Bohr und Max Planck die Theorie der Quantenmechanik, die die Bewegung und Wechselwirkung mikrophysikalischer Systeme wie Elementarteilchen, Atome und Moleküle erforschte. Von nun an sahen die Wissenschaftler das Universum mit anderen Augen. Einerseits führte dies zur Entwicklung neuer Technologien wie etwa der Mikroelektronik, andererseits drangen jetzt auch zunehmend die dunklen Seiten der Wissenschaft ans Licht.
Einsteins Entdeckung der Relation zwischen Materie, Licht und Energie (E=mc2) bildete den Ausgangspunkt für folgenschwere Entwicklungen, die in der Lage sein würden, Kriege zu beenden, aber im schlimmsten Fall auch die Welt zu vernichten. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Maschinen gebaut, die Atomkerne spalten und unglaubliche Mengen an Energie freisetzen konnten. Durch massive finanzielle Unterstützung der Forschung wetteiferten die Regierungen der Welt darum, eine Waffe zu erfinden, die sich diese Kraft zu Nutze machen konnte. Das Ergebnis, die Atombombe, erschrak und erschütterte mit ihren katastrophalen Auswirkungen die Wissenschaft.
Ökologisches Gleichgewicht
Und dann erlebte die Natur ein Comeback. Die amerikanische Biologin Rachel Carson schrieb 1962 ihr berühmtes Buch Silent Spring, in dem sie die Gefahren durch den Gebrauch von Pestiziden aufzeichnete und den Menschen das empfindliche Gleichgewicht der Natur näher brachte. Im weiteren Sinne ist es diesem Buch zu verdanken, dass die westliche Welt die Entwicklung in Richtung einer ökologischen Katastrophe erkannte.
Warnungen kamen auch von der Natur selbst. Erosion und Entwaldung, das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten, Trinkwassermangel, Flüsse und Fjorde, in denen Schadstoffe und die Folgen unvernünftiger Landwirtschaft jegliches Leben zunichte gemacht hatten, saurer Regen durch Schwefel- und Stickstoffoxidemissionen. Die Wissenschaftler warnten außerdem vor einer kontinuierlichen Erwärmung der Erdkugel durch Fahrzeug- und Industrieabgase, die Kohlendioxid und andere Treibhausgase enthalten.
1992 kam der direkte Appell von Seiten der Wissenschaft. „Mensch und Natur sind auf Kollisionskurs“ so begann ein beunruhigender Brief mit dem Titel „World Scientists Warning to Humanity“, unterzeichnet von 1.700 Wissenschaftlern aus allen Teilen der Welt. An der Spitze stand die „Union of Concerned Scientists“.
„Die Umwelt ist erheblichen Belastungen ausgesetzt…. Unsere massiven Eingriffe in das interdependente Netzwerk des Lebens … könnten weitreichende negative Konsequenzen zur Folge haben wie etwa ein nicht zu kalkulierender Zusammenbruch von lebenswichtigen biologischen Systemen, deren Interaktionen und Dynamik wir nur unzureichend begreifen.“
Die Wissenschaftler schlugen durchgreifende Änderungen vor. Eine davon war der Übergang von fossilen Brennstoffen auf umweltfreundlichere erneuerbare Energiequellen, um dadurch den Ausstoß von Treibhausgasen sowie die Luft- und Gewässerverschmutzung zu verringern. Sie plädierten ferner für ein Ressourcenmanagement zur effizienteren Nutzung von Energie, Wasser und anderen Stoffen.
Sauberere Fabriken
Die Welt horchte auf, so schien es. Die Entwicklung von erneuerbaren Energiequellen, vor allem im Windkraftbereich, hat in den letzten zehn Jahren Auftrieb bekommen. Ende 1998 erzeugten Windkraftanlagen eine Energieleistung von über 10.000 Megawatt. Bis 2005 soll nach Angaben eines Marktanalysten die Kapazität der Windkraft weltweit auf mindestens 58.000 Megawatt angestiegen sein.
Unterdessen werden die Fabriken dieser Welt immer sauberer. Sie unterwerfen sich freiwillig den Richtlinien neuer Umweltstandards und erwarten von ihren Lieferanten das gleiche. Aktionäre und Verbraucher verlangen „grünere“ Produkte und Herstellungsverfahren. Um die Anerkennung von Umweltverträglichkeit entwickelt sich ein weltweiter Handelsmarkt. Selbst große Mineralölgesellschaften wie Shell und BP interessieren sich zunehmend für erneuerbare Energiequellen und investieren massiv in Forschung und Entwicklung.
Um den Rohstoffverbrauch zu reduzieren und die Müllberge abzubauen, hat sich das Recyceln von Metall, Glas, Papier und Kunststoff praktisch überall durchgesetzt. Private Hausbesitzer verwenden Technologien wie Wärmepumpen, energiesparende Haushaltsgeräte und „Ökobaumethoden“, um ihren Energieverbrauch zu senken.
Die Natur und der Respekt vor der Kraft der vier Elemente sind wieder in das Bewusstsein der Menschen gerückt. Die amerikanische Physikerin Sue Ann Bowling schreibt dazu folgendes: „Auch heute sind Erde, Wasser, Luft und Feuer keine schlechten Symbole für die vier Zustände von Materie fest, flüssig, gasförmig und plasmatisch. Fest ist der Boden unter unseren Füßen, fest ist das Dach über unserem Kopf. Flüssig ist der Regen, der unser Korn zum Wachsen bringt, flüssig sind auch alle Lösungen und Schmiermittel, die unsere Zivilisation in Bewegung halten. Gasförmig ist der Sauerstoff in unserer Lunge, der uns von dem Ersticken in unserem eigenen Abfall rettet. Plasmatisch ist die glühende Sonne, die Energiequelle schlechthin für die gesamte Menschheit.“
Vielleicht, fügt sie noch hinzu, haben wir uns gar nicht so weit von Empedokles entfernt.
Jack Jackson
Journalist in Århus, Dänemark
Fotos Henrik Bonnevier und IBL