Emerging markets: Eine Frage der Auffassung

Im neusten Wirtschaftsjargon heißen sie „Emerging Markets“, obgleich es aufstrebende Märkte schon immer gegeben hat, und sie von je her das Interesse von globalen Investoren geweckt habenDer Begriff „Emerging Markets“ mag neu sein, nicht aber das Konzept. Vor über 200 Jahren war der interessanteste aufstrebende Markt eine junge Nation namens USA. Investoren in den modernen Industrieländern jener Zeit wie etwa Großbritannien waren bereit, enorme Summen in die Neue Welt zu schleusen, um den Bau von Eisenbahnen, Telegrafenleitungen und ähnlicher Infrastruktur zu finanzieren.

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Im neusten Wirtschaftsjargon heißen sie „Emerging Markets“, obgleich es aufstrebende Märkte schon immer gegeben hat, und sie von je her das Interesse von globalen Investoren geweckt habenDer Begriff „Emerging Markets“ mag neu sein, nicht aber das Konzept. Vor über 200 Jahren war der interessanteste aufstrebende Markt eine junge Nation namens USA. Investoren in den modernen Industrieländern jener Zeit wie etwa Großbritannien waren bereit, enorme Summen in die Neue Welt zu schleusen, um den Bau von Eisenbahnen, Telegrafenleitungen und ähnlicher Infrastruktur zu finanzieren.

Die Investoren von heute richten ihren Blick nach Asien, vor allem nach China mit seinen 1,2 Milliarden Verbrauchern, sowie nach Osteuropa, Lateinamerika und Afrika. Die Strategie ist unverändert: Aufbau von Infrastruktur und Entwicklung von neuen Märkten mit Know-how und Kapital, das in anderen Teilen der Welt leicht zu beschaffen ist.

Ein Markt gilt als aufstrebend, wenn er weltweit die Aufmerksamkeit der führenden Industrieunternehmen, Banken und Investoren erregt hat. Wie der Ausdruck „Emerging Markets“ andeutet, handelt es sich um Märkte, von denen man annimmt, dass sie aus dem Verborgenen auftauchen, sich öffnen und sich nahtlos in den weltwirtschaftlichen Reigen einfügen. In Wirklichkeit tauchen sie aus einer wirtschaftlichen Isolation auf, egal ob selbst auferlegt oder aufgezwungen, die sie vom globalen Wettbewerb, aber auch von den globalen Möglichkeiten abgeschirmt hat. Auf die aufstrebenden Märkte entfällt ein immer größerer Anteil des internationalen Kapital-, Güter- und Informationsflusses.

Viele der früher als Entwicklungsländer eingestuften Nationen werden heute als aufstrebende Märkte bezeichnet. Allerdings sind nicht alle Entwicklungsländer Emerging Markets, ebenso wenig wie nicht alle Länder der ehemaligen kommunistischen Länder Asiens und Osteuropas dieser Kategorie zuzurechnen sind.

Wer entscheidet, ob ein Land ein aufstrebender Markt ist oder nicht? In gewisser Weise wir alle.

Wenn wir als Verbraucher plötzlich Produkte kaufen, die in einem Land hergestellt wurden, von dem wir bisher nie etwas gekauft haben, oder wenn wir als Investoren Geld in einen Anlagefonds stecken, der in diesem Land investiert hat, helfen wir dem Land, nach oben zu kommen, also „aufzustreben“. Unter Umständen sind wir nicht die Ersten, die entdecken, was diese Länder – von Kolumbien bis Tschechien, von Ägypten bis Indonesien – zu bieten haben. Möglicherweise haben Großunternehmen, Banken und Fondsverwalter den Weg bereits geebnet.

Der Finanzdienstleister Morgan Stanley Capital International hat eine Reihe von Indizes aufgestellt, die Fondsverwalter bei ihren globalen Investitionen zur Hilfe nehmen und an denen gemessen wird, wie erfolgreich sie sind. Ein Index von Morgan Stanley ist das Pro-Kopf-Einkommen. In einem aufstrebenden Markt ist es im Allgemeinen niedrig. Von den 28 Ländern, die als aufstrebende Märkte angesehen werden, haben nur zwei, nämlich Taiwan und Israel ein durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen von mehr als 9.385 US-Dollar (rund 20.000 Mark oder 10.000 Euro).

Gelegentlich werden Länder als Emerging Markets klassifiziert, nur weil unter den Investoren allgemein die Auffassung herrscht, sie seien aufstrebende Märkte. Hier wird kein Unterschied mehr zwischen Auffassung und Wirklichkeit gemacht.

Man kann allerdings einen Markt auch auf Grund seines historischen und politischen Wandels als aufstrebend bezeichnen, also auf Grund von Ereignissen, die nicht nur die subjektive Auffassung, sondern auch die Wirklichkeit verändern. Dazu gehören zum Beispiel Chinas Politik der „offenen Tür“, die 1978 eingeleitet wurde, der Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989, die Liberalisierung der Wirtschaft in Indien, die 1990 ihren Anfang nahm, und Brasiliens Bruch mit der Hyperinflation im Jahre 1994.

Der Entwicklungsprozess von aufstrebenden Märkten schreitet oft langsam und mühselig voran. Vor 100 Jahren gehörten Argentinien und Brasilien zu den führenden Emerging Markets in der Welt. Das sind sie auch heute noch.

In den letzten 30 Jahren ist es nur wenigen aufstrebenden Märkten gelungen, sich in reife Wirtschaftsnationen zu verwandeln. Am nächsten sind diesem Zustand Südkorea, Taiwan, Hongkong und Singapur gekommen. Südkorea trat kürzlich der OECD bei, die als „Club der Reichen“ unter den Ländern dieser Welt angesehen wird. Aber trotz ihrer wirtschaftlichen und industriellen Stärke werden diese asiatischen „Tiger“ von Wirtschaftsmagazinen wie The Economist nach wie vor als aufstrebende Märkte bezeichnet.

Der Weg zur reifen Wirtschaftsnation ist außerdem voller Schlaglöcher, wie im Zusammenhang mit der Asienkrise deutlich wurde. Was als Asienkrise begann, nahm rasch dramatische internationale Dimensionen an.

In den neunziger Jahren waren es zum Teil die multinationalen Konzerne, die den Investitionsboom in den aufstrebenden Märkten vorantrieben. Sie betraten neue Märkte oder kehrten zu alten zurück, bauten Fabriken und Vertriebsnetze auf. Ein anderer wichtiger Faktor war die Flut von Bankkrediten und Wertpapieranlagen.

1996 erreichte der Investitionsboom seinen Höhepunkt. In dem Jahr floss Privatkapital in Höhe von netto 212 Milliarden US-Dollar (454 Milliarden Mark oder 231 Milliarden Euro) in die aufstrebenden Märkte. Kurze Zeit später machten finanzielle Rückschläge in mehreren der führenden Emerging Markets das Vertrauen der Investoren zunichte.

Die Asienkrise begann in Thailand, als die thailändische Zentralbank am 2. Juni 1997 die Bindung des Baht an den US-Dollar aufheben musste. Dieser Schritt löste eine Finanzkrise aus, die bald Indonesien, Malaysia und Südkorea erreichte und deren Schockwellen schließlich Russland und Brasilien schmerzlich zu spüren bekamen. Wenige Monate nach der Pleite in Bangkok wurden die aufstrebenden Märkte angesichts der allgemeinen Kapitalflucht und des Währungsverfalls als „untergehende Märkte“ bezeichnet.

Seitdem haben sich allerdings die Aktien- und Devisenmärkte erholt und der Export blüht. 1999 erreichten ausländische Direktinvestitionen erneut ein Rekordniveau. Nach dem Motto: auf Regen folgt Sonnenschein, so haben sich auch die Emerging Markets nach der Krise wieder erhoben und scheinen nun ihren Weg zielstrebig zu verfolgen.

Tomas Larsson

Wirtschaftsjournalist und Autor in Thailand

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