Energie aus der Luft

Ähnliche Inhalte

Dank technischer Verbesserungen und sinkender Kosten wird Windkraft zunehmend zur bevorzugten Wahl von Energieversorgern und Kommunen.
Sie ist eine saubere und günstige Alternative zur Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen
Oben hoch auf einem Hügel in der Nähe von Garrett, Pennsylvania, stehen auf dem Gelände eines alten Kohlebergwerks acht gigantische Türme. An jedem dieser Stahlungetüme drehen sich in etwa 60 Meter Höhe drei enorme aerodynamisch geformte Rotorblätter, die ungefähr der Länge eines halben Fußballplatzes entsprechen. Sie fangen den Wind auf und treiben damit Turbinen an, die insgesamt so viel Energie erzeugen, dass damit der Jahresbedarf von 6.000 Haushalten gedeckt werden kann.
   Windparkprojekte wie diese sind inzwischen in einigen Teilen der Welt ein gewohnter Anblick. Das Interessante an der Windenergieanlage in Garrett ist nicht nur der Umstand, dass sie auf einer ausgedienten fossilen Brennstoffquelle gelegen ist, sondern vor allem die Tatsache, dass die Stromverbraucher der Region danach verlangten. Ihr lokaler Energieversorger kam dieser Forderung nur zu gerne nach, denn Wind ist kostenlos und im Überfluss vorhanden. Außerdem verschmutzt er nicht die Luft und produziert bei der Energiegewinnung keine umweltschädlichen Abfälle. Hinzu kommt, dass sich Windparkanlagen in den letzten Jahren als solide Investitionen erwiesen haben. Ihre Rentabilität kann sich heute durchaus mit der traditioneller Energieerzeugungsquellen messen.
   Mit einem Innovations- und Entwicklungstempo, das nur im IT-Sektor seines Gleichen sucht, war Windkraft in den neunziger Jahren die Erfolgsstory im Energiesektor. Sie gehört heute zu den Energiequellen mit der höchsten Zuwachsrate, die in den letzten zehn Jahren weltweit bei 30 bis 40 Prozent pro Jahr lag. Dieser Boom hat zu einer Steigerung der Kapazität von 2.000 Megawatt im Jahre 1990 auf 20.000 Megawatt im Jahre 2001 geführt. Auch für das kommende Jahrzehnt rechnet man laut BTM Consult mit einer jährlichen Wachstumsrate von 20 Prozent.
   Zwei Hauptfaktoren haben zum Erfolg der Windenergie beigetragen: staatliche Initiativen und einfache Rechenkunst.
   Dänemark ist ein gutes Beispiel. Durch die internationale Ölkrise der siebziger Jahre sah sich das Land veranlasst, Windenergie als Alternative zu fossilen Brennstoffen in Betracht zu ziehen. Man baute ein einheimisches Forschungszentrum auf und schuf einen Markt für Energieerzeugung aus Windkraft. Anfang der achtziger Jahre beschloss der dänische Staat, Windkraftinvestitionen und die Erzeugung derartiger Energie durch finanzielle Anreize zu fördern.
   Bis zum Jahr 2000 war die Gesamtkapazität der an Netz gegangenen Windenergieanlagen bereits auf 2.300 Megawatt angestiegen und machte 13 Prozent der Stromversorgung des Landes aus. Nun strebt Dänemark an, bis 2040 die Hälfte des gesamten einheimischen Energiebedarfs durch Windkraft zu decken. Auch in anderen Ländern boomt die Windenergie, so beispielsweise in Deutschland, Spanien, Holland, Großbritannien und den USA.
Einfache Rechenkunst
Nun zu dem zweiten Faktor: die Wirtschaftlichkeit der Windenergie. Anfang der neunziger Jahre lagen die Kosten für die Erzeugung von einer Kilowattstunde Strom aus Windenergie bei etwa neun US-Cents. Nach jüngsten Marktanalysen des renommierten dänischen Beratungsunternehmens BTC Consult sind die Kosten inzwischen auf etwa vier US-Cents pro Kilowattstunde gesunken. Damit kann Windenergie mit den meisten anderen Energiequellen konkurrieren. Für die rückläufige Kostenentwicklung sind im Wesentlichen Konstruktionsverbesserungen, Leistungssteigerungen und Einsparungen durch Massenproduktionsvorteile verantwortlich. Wie der europäische Windenergieverband EWEA (European Wind Energy Association) betont, senken die immer größer werdenden Konstruktionen von heute die Infrastrukturkosten, so dass bei gleicher Kapazität weniger Windenergieanlagen benötigt werden.
   Die Verfechter der Windenergie sprechen gern vom ökologischen Wert des Windes und sind der Ansicht, dass dieser unbedingt in den übergreifenden Kostenvergleich mit fossilen Brennstoffen einbezogen werden sollte. So verhindert beispielsweise eine Windenergieanlage mit einer Kapazität von 750 Kilowatt bei durchschnittlichem Windaufkommen 1.500 Tonnen Kohlendioxidemissionen, die durch die Gewinnung der gleichen Energieleistung aus fossilen Brennstoffen entstehen würden. CO2 gilt als eines der wesentlichen „Treibhausgase“ und soll maßgeblich zu klimatischen Veränderungen beitragen, weswegen sich die Regierungen in allen Teilen der Welt für eine Senkung der CO2 -Emissionen ihres Landes einsetzen.
Hindernisse
Trotz aller guten Nachrichten gibt es noch eine Reihe von Hindernissen, die es zu überwinden gilt, wenn die Windenergie ihren Siegeszug fortsetzen soll. Eines besteht darin, eine skeptische Öffentlichkeit in vielen Teilen der Welt von den Vorzügen der Windenergie zu überzeugen. Der Kostenfaktor zählt zu den Hauptmissverständnissen, aber diese Frage scheint der Markt selbst in den Griff zu bekommen. Ein weiteres Problem ist die Lärmbelästigung. Technische Verbesserungen haben allerdings in den letzten Jahren den Geräuschpegel von Windenergieanlagen erheblich gesenkt.
   Ein weiteres Hindernis ist oft die Wahl des Standorts für derartige Anlagen. Viele Kommunen, die ansonsten grüne Energie befürworten, wehren sich gegen die Installation von Windkraftwerken vor „ihren eigenen Toren“.
   Als Problem wird auch oft die befürchtete Unregelmäßigkeit der Energiegewinnung aus Windkraft angeführt. Bei Windstille kann die Anlage keinen Strom produzieren, und bisher gibt es noch keine Speicherungsmöglichkeiten für Windenergie. Einige clevere Entwickler haben jedoch eine Lösung gefunden, um dieses Problem zu umgehen. Sie koppeln Windenergieanlagen an andere Kraftwerkstypen (zum Beispiel Erdgas), die bei vorübergehender Windstille die Produktion übernehmen. In Regionen wie Spanien oder dem Mittleren Westen der USA ist zudem die Beförderung von Windenergie mit Schwierigkeiten verbunden. Hier sind die Hochspannungsleitungen entweder bis an ihre Kapazitätsgrenze ausgelastet oder sie fehlen gänzlich.
Zukunftsvisionen
Viele Anzeichen deuten für die kommenden zehn Jahre auf ein anhaltendes Wachstum der Windenergie hin. Hinter diesem Trend steht nicht zuletzt die Tatsache, dass der Fokus auf globale Klimaveränderungen und die Notwendigkeit von nachhaltiger Energie zunehmend an politischer Schlagkraft gewinnen. Auch das hohe Entwicklungstempo lässt Energieversorger in Regionen mit einem dringenden Bedarf an zusätzlicher Kapazität aufhorchen. Ein Beispiel ist der Nordwesten der USA. Hier gehen Windenergieanlagen mit Tausenden von Megawatt Kapazität ans Netz, nicht nur, weil sie derzeit die preiswerteste Lösung sind, sondern auch weil sich derartige Anlagen schnell errichten lassen. Ein Erdgas-Kraftwerk benötigt eine Vorlaufzeit von fünf Jahren, während eine neue Windenergieanlage in nur sechs Monaten installiert werden kann.
   Vielversprechende Möglichkeiten bietet die Offshore-Platzierung von Windenergieanlagen. Auf dem Meer weht mehr Wind, und Platz ist reichlich vorhanden.
   Es gibt bereits einige probeweise errichtete Offshore-Anlagen, von denen die ersten kürzlich an Netz gingen. Ein Beispiel ist der gewerblich betriebene 40-Megawatt-Windpark vor der dänischen Küste in der Nähe von Kopenhagen.
   Nach Aussage von BTM Consult wird sich die globale Windenergiekapazität innerhalb der nächsten fünf Jahre auf 58.000 Megawatt verdreifachen und bis 2010 auf 145.000 Megawatt ansteigen. Windenergie liegt zweifellos im Trend und hat ein großes Zukunftspotenzial.
Jack Jackson
  
Mitarbeiter des Monatsmagazins Windpower Monthly und
  
freier Journalist in Aarhus, Dänemark
  
Fotos Windpowerphotos, Vattenfall und SKF
  

Halten Sie mich auf dem Laufenden

Sind Sie interessiert an Themen, die sich mit Engineering und Technik beschäftigen? EVOLUTION bietet Inhalte, die Ihnen Einblick in neue Techniklösungen gibt. Lesen Sie über neue Entwicklungen in spannenden Unternehmen, Industrien und Themenfeldern.

Newsletter erhalten