Expresszustellung ins All
Hohe Nachfrage
Der Start der Weltraumrakete Ariane ist ein beeindruckender Anblick, aber für die Menschen im Kontrollzentrum von Arianespace ist es eine ganz alltägliche SacheMario de Lepine, Informationsleiter der Pariser Hauptverwaltung von Arianespace, bezeichnet sein Unternehmen als „UPS des Weltraums“, als ob es dasselbe wäre, nahezu fünf Tonnen Nutzlast auf eine exakte Umlaufbahn 36.000 Kilometer über der Erde zu bringen, wie ein Päckchen von Europa nach Amerika zu befördern.
Der Vergleich mit einem der führenden Paketzustelldienste ist jedoch nicht ganz unberechtigt. Trotz der enormen technischen Komplexität eines Satellitenstarts – und der damit verbundenen gewaltigen Kosten – hat sich das Ariane-Programm tatsächlich zu einer Art Zustelldienst ins Weltall entwickelt. Etwa einmal pro Monat startet in Kourou in Französisch-Guyana (Südamerika) eine Ariane 4-Rakete, und die Satellitenbetreiber stehen Schlange für einen Platz bei einem der nächsten Starts.
Arianespace begann 1979 mit dem Ariane-Programm. Obgleich Amerikaner, Russen, Chinesen und Japaner eine zunehmende Konkurrenz darstellen, hat Arianespace über die Hälfte des Weltmarktes für kommerzielle Satellitenstarts erobert. Das europäische Gemeinschaftsunternehmen hat mehr als 180 Satellitenstartverträge unterzeichnet, und die Entwicklung der nächsten Generation der Trägerrakete, Ariane 5, scheint die marktführende Stellung des Unternehmens noch weiter zu festigen.
De Lepine beschreibt Arianespace als „einen sehr großen Erfolg“, sowohl in kommerzieller als auch in industrieller Hinsicht. Abgesehen von den Markterfolgen hat das Satellitenstartprogramm von Arianespace auch bedeutende technische Fortschritte mit sich gebracht, meint de Lepine, und über die Beteiligungsgesellschaften in zwölf europäischen Ländern Arbeitsplätze für mehr als 12.000 Menschen geschaffen.
Hohe Nachfrage
Aufgrund der ständigen Weiterentwicklung der Kommunikationstechnologie steigt die Nachfrage nach Satellitenkapazität. Rund 90 Prozent aller Satellitenstarts von Arianespace entfallen auf kommerzielle Satellitenbetreiber. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Satelliten für Digitalfernsehen, Telefon und Datenübertragung. Die übrigen zehn Prozent sind Satelliten für Beobachtungszwecke oder wissenschaftliche Aufgaben.
Mit zunehmender Komplexität der Technologie werden allerdings die Satelliten immer größer. Deshalb ist auch Ariane 5, die Ariane 4 im Laufe der nächsten drei bis vier Jahre ablösen soll, für eine Nutzlast von 6.900 Kilo ausgelegt, fast 2.000 Kilo mehr als das Vorgängermodell. Geplant ist, die Kapazität bis auf über 8.400 Kilo zu erhöhen, und zwar mit Ariane 5 „Evolution“, die mit noch leistungsfähigeren Raketenmotoren ausgestattet sein wird.
Arianespace hat drei klar definierte Aufgabenbereiche: Generalunternehmer für die industrielle Fertigung und Finanzierung der Trägerraketen, Durchführung von Satellitenstarts in Französisch-Guyana sowie weltweite Vermarktung von Satellitentransporten.
Der Start einer Ariane-Rakete erfordert minutiöse Teamarbeit. Selbst der geringste Fehler könnte die gesamte Mission zum Scheitern bringen – bei einem Preis von über 100 Millionen US-Dollar (180 Millionen DM) pro Start eine ausgesprochen kostspielige Angelegenheit. Aber das Startteam ist hochqualifiziert und sehr erfahren. „Hier gibt es keinen Platz für Emotionen“, meint Remy Koch, verantwortlich für die Durchführung der Starts im Raumfahrtzentrum von Kourou. „Das Team besteht aus Profis, die dafür sorgen, daß alles hundertprozentig funktioniert.“
Die Trägerrakete Ariane 4 hat ein beachtliches Erfolgsregister. Sie hat 35 fehlerfreie Weltraummissionen hinter sich, was für Arianespace ein überzeugendes Marketingargument sein dürfte.
Letzte Fehler beseitigen
Die Zuverlässigkeit der Ariane 4 sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Entwicklung einer kommerziell nutzbaren Satellitenstartrakete, der man einen Satellit im Wert von 250 Millionen US-Dollar und mehr anvertrauen kann, mit Gefahren verbunden ist. Der Start der ersten Ariane 5 im Jahre 1996 wurde nach 37 Sekunden Flugzeit abgebrochen und beim zweiten Start 1997 traten kleinere technische Mängel auf. Nach sorgfältiger Analyse dieser Mängel ist Arianespace allerdings nun zuversichtlich, daß derartige Probleme bis zum kommerziellen Einsatz der Trägerrakete beseitigt sein werden.
Das Streben nach hundertprozentiger Zuverlässigkeit dehnt sich auch auf die europäischen Unternehmen aus, die an dem Ariane-Projekt beteiligt sind. Eines davon ist die deutsche MAN Technologie AG, die die Bodenanlagen für Ariane 5 in Kourou entwarf und baute. Dazu gehören auch die Montagehalle, die mobile Startplattform und die riesige Halle für den Zusammenbau der Rakete.
Der Betrieb von Arianespace basiert auf dem Konzept, die Montage- und Startanlagen räumlich voneinander zu trennen. Dadurch verringert sich der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Starts, denn während eine Rakete noch zusammengebaut wird, kann eine andere bereits für den Start vorbereitet werden, wozu zwölf Tage erforderlich sind. In dieser Zeit befindet sich die Rakete im Startbereich.
Der Rumpf der Ariane 5 wird in Europa hergestellt und in Containern nach Kourou verschifft. Dort wird die Trägerrakete zusammengebaut und seitlich mit zwei Feststoff-Hilfsraketen (Boosters) versehen, die für den notwendigen Schub zur Überwindung der Erdgravitation sorgen. Die gewaltige Konstruktion wird dann zu jener Montagehalle befördert, in der die Rakete abschließend montiert und die Nutzlast in den Raketenkopf integriert wird. Anschlie-ßend wird die Rakete auf der Startplattform vorsichtig über ein etwa 2.000 Meter langes Gleis zur Startrampe gezogen. Startplattform und Rakete werden dabei mit Hilfe einer hydraulischen Hebevorrichtung angehoben, die mit SKF Lagern
ausgestattet ist.
Nach Abschluß der letzten Vorbereitungen beginnt der Countdown. Bei Null starten der Vulcain-Antrieb sowie die beiden Feststoff-Hilfsraketen, die enorme Flammen und einen gewaltigen Rauchschwall von sich geben. Die Startphase ist in weniger als einer halben Stunde abgeschlossen. Die Ariane erreicht eine Geschwindigkeit von 9,8 Kilometer pro Sekunde, bevor sie ihre Nutzlast in die gewünschte geostationäre Umlaufbahn befördert.
Die Ariane 4 soll in den kommenden drei bis vier Jahren aus dem Dienst genommen werden, wenn das Programm für Ariane 5 entsprechend angelaufen ist. Bis zum Jahr 2004 könnte die neue Trägerrakete bis zu 14 Starts pro Jahr erreichen, wobei einige gleich zwei Satelliten auf einmal in den Weltraum transportieren werden. Wenn alles nach Plan läuft, wird Arianespace wohl auch bis weit in das nächste Jahrtausend hinein seinen Konkurrenten immer um eine Nasenlänge voraus sein.
Charles Masters
Journalist in Paris