Fahren fast wie ferngesteuert

Drive-by-wire ist eine rasch voranschreitende Technologie, mit der wesentliche Funktionen in Kraftfahrzeugen elektrisch betätigt und elektronisch gesteuert werden können. Sie bietet völlig neue Möglichkeiten für Konstruktion und FahrkomfortInnerhalb der nächsten fünf Jahre wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit neue Fahrzeugplattformen konstruieren, bei denen alle drei primären Funktionen – Gaspedal, Bremsen und Lenkrad – elektrisch betätigt und elektronisch gesteuert sein werden. Diese Technik ist unter dem Begriff „Drive-by-wire“ zusammengefasst.

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Drive-by-wire ist eine rasch voranschreitende Technologie, mit der wesentliche Funktionen in Kraftfahrzeugen elektrisch betätigt und elektronisch gesteuert werden können. Sie bietet völlig neue Möglichkeiten für Konstruktion und FahrkomfortInnerhalb der nächsten fünf Jahre wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit neue Fahrzeugplattformen konstruieren, bei denen alle drei primären Funktionen – Gaspedal, Bremsen und Lenkrad – elektrisch betätigt und elektronisch gesteuert sein werden. Diese Technik ist unter dem Begriff „Drive-by-wire“ zusammengefasst.

Gleichzeitig ist mit einer Vielzahl von intelligenten Sicherheitssystemen zu rechnen, die eingreifen und steuern beziehungsweise unterstützen werden, wenn sie entdecken, dass der Fahrer das Fahrzeug außer Kontrolle bringt oder gerade dabei ist, es zu tun. Irgendwann in der Zukunft werden wir erleben, dass lange „Fahrzeugkolonnen“ völlig sicher und mit hoher Geschwindigkeit die Autobahnen entlang rollen, unsichtbar über elektronische Signale miteinander verbunden, die von immer leistungsstärkeren Kombinationen aus Sensoren und Steuerungselementen verarbeitet werden.

Die Drive-by-wire-Technik macht es möglich, Konstruktion und Design des Fahrzeuginnenraums gänzlich umzugestalten. Vorbei sind die Zeiten von teuren hydraulisch betriebenen mechanischen Lösungen zur Betätigung und Unterstützung des Brems- und Lenkvorgangs. Das Gleiche gilt für den Kabelwirrwarr hinter dem Armaturenbrett, denn diese Fahrzeuggeneration wird mit elektronischen und optischen Datenbussen ausgestattet sein. Ihre Aufgabe ist es, Steuerungssignale von verschiedenen Steuerungselementen, die sich um Motormanagement, Instrumente, Sicherheitssysteme, Fenster, Komfortfunktionen wie Heizung und Belüftung sowie die Beleuchtung kümmern, an die richtige Stelle weiterzuleiten.

Der Verzicht auf eine mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Lenkgetriebe wird nicht nur die Sicherheit bei Auffahrunfällen erhöhen, weil es keine Lenksäule mehr gibt, die den Brustkorb des Fahrers verletzen kann, sondern auch den Wechsel von Rechts- auf Linkslenker erheblich vereinfachen und verbilligen. Ebenso können die Pedale wesentlich einfacher von einer Fahrzeugseite auf die andere verlegt werden, weil sie nur über Kabel mit den Systemen verbunden sind, die sie steuern. Dieser Vorteil wird im Zuge der fortschreitenden Globalisierung des Fahrzeugbaus und der Expansion von Märkten der „New Economies“ wie Indien, China und andere asiatische Länder zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Drive-by-wire-Systeme zur Steuerung von Drosselklappe, Bremsen, Lenkung und Fahrwerkregelung sind inzwischen ziemlich weit fortgeschritten. Die elektronisch gesteuerte Drosselklappe ist heute bereits allgemein üblich, und ein Technikerteam, das einen neuen Motor entwickeln oder ein vorhandenes Motorkonzept modifizieren soll, wird sich wohl kaum für eine mechanische sondern für eine elektronische Betätigung entscheiden. Die Vorzüge sind einfach zu groß, wenn man bedenkt, welch positive Auswirkungen die Optimierung von Einspritzung und Zündungssignalen über die Drosselklappenstellung auf die Leistung und den Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs hat.

Elektronische Signale

Der nächste Schritt ist das Brake-by-wire-Konzept. Delphi Automotive Systems hat sein Galileo-System schon seit drei Jahren im Einsatz, aber auch andere Hersteller wie Bosch, TRW und Continental-Teves haben diese Technologie bereits vorgestellt. Sie funktioniert im Wesentlichen so, dass das Bremspedal elektronische Signale an die Bremsanlage sendet, die direkt elektromechanisch oder auch elektrohydraulisch betätigt wird.

Der elektromechanische Weg ist aus technischer Sicht der sauberste, weil er nur mit Servomotor und Aktuator auskommt und auf umweltschädliche Hydraulikflüssigkeiten verzichten kann. Elektrohydraulische Systeme haben andererseits den Vorteil, dass erprobte und bewährte Bremsmechanismen, Folgezylinder und Bremssättel verwendet werden. In beiden Fällen geht es darum, Pedalbewegung und -druck auf die Bremsleistung abzustimmen. Ein großer Teil der derzeitigen Entwicklungsbemühungen konzentriert sich auf diese Forderung.

Die Möglichkeit, ein elektronisches Signal von der Bremsanlage auf preiswerte Weise mit ABS und Fahrwerkregelung zu koppeln, macht Brake-by-wire zu einem extrem attraktiven Konzept in der Automobilindustrie. Inwieweit allerdings die Autofahrer einem System vertrauen werden, das keine direkte mechanische oder hydraulische Verbindung zum Bremspedal mehr hat, bleibt noch zu klären. Unklar ist auch die Frage der Produkthaftpflicht bei Versagen der Anlage. Alle bisher konstruierten Systeme sind jedoch mit dem elektrischen Äquivalent (oder einer besseren Variante) der hydraulischen Zweikreisbremse und einem Reservesystem für den Fall eines völligen Stromausfalls ausgestattet. Es kann also nicht mehr lange dauern, bis derartige Systeme auf unseren Straßen zu sehen sind.

Das Steer-by-wire-Konzept stellt noch höhere Anforderungen an das Vertrauen der Autokäufer, insbesondere da ein Zusatz zu der Richtlinie ECE79 über Sicherheitsstandards bei Fahrzeugen derzeit noch eine mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Vorderrädern vorschreibt.

Bei einer Bremsanlage kann man zumindest noch behaupten, dass ein aktivierter Bremsvorgang ein ausfallsicherer Zustand ist, aber bei der
Lenkung gibt es einen solchen Zustand nicht.

Die Vorteile des Steer-by-wire sind trotzdem unübersehbar. Bei einem herkömmlichen Lenksystem rollen die Räder schlagfrei nur in drei Richtungen – geradeaus, und wenn in einem entsprechenden Winkel eingeschlagen nach rechts und nach links. Mit einem separaten Elektromotor, der jedes gelenkte Rad steuert (gegebenenfalls auch die Hinterräder), und einem Steuerungselement, das auf eine ganze Reihe von Geschwindigkeits-, Gier- und Beschleunigungssensoren anspricht, könnte eine perfekte Ackermann-Geometrie (Rundlaufbewegung) über den gesamten Lenkbereich beibehalten werden, und zwar ungeachtet der Fahrzeuggeschwindigkeit und der Seitenstabilität.

Erhöhter Komfort und Sicherheit

Andere Systeme basieren auf nur einem Stellglied und mechanisch verbundenen Rädern. In beiden Fällen liegt die Verbindung zu Sicherheits- und Fahrwerkstabilisierungssystemen auf der Hand, wodurch Fahrkomfort und -sicherheit erhöht werden könnten.

Die Luftfahrtindustrie hat bewiesen, dass „by-wire“-Systeme extrem zuverlässig sein können. Signale sind dreifach vorhanden und werden ständig miteinander verglichen.
Im Falle einer Abweichung verwendet man die Strategie der „Mehrheitsabstimmung“.

Zwei neuere Entwicklungen zeigen die Entschlossenheit der Automobilindustrie, die Drive-by-wire-Technologie in der Praxis anzuwenden. Das Steer-by-wire-Hybridkonzept des deutschen Herstellers ZF umfasst ein hydraulisches Reservesystem, das bei Ausfall der Elektronik die Lenkung übernehmen würde. Vorteilhaft ist, dass die Lenksäule eliminiert und durch eine permanente – wenngleich auch normalerweise unbenutzte – „Hydraulikverbindung“ ersetzt wurde.

Die andere Entwicklung ist Delphis Quadrasteer-Technologie. Sie steht inzwischen zur Verfügung und soll erstmalig 2002 in einen Lkw eingebaut werden. Es handelt sich um ein wahres „by-wire“-System, weil es an der Hinterachse die Richtung der Räder elektronisch steuert. Es arbeitet in zwei Betriebsarten: Bei niedrigen Geschwindigkeiten drehen sich die Hinterräder in entgegengesetzter Richtung zu den Vorderrädern, wodurch sich der Wendekreis des Fahrzeugs verkleinert. Bei höheren Geschwindigkeiten laufen die Hinterräder spurgetreu zu den Vorderrädern, sorgen aber für eine erheblich verbesserte Fahrzeugstabilität bei scharfen Manövern wie zum Beispiel einem plötzlichen Wechsel der Fahrspur. Interessanterweise arbeitet das Unternehmen zur Zeit an einem Elektroniksystem, das in der Lage sein wird, die Vorderräder in einem Bereich von ± 3 Grad ungeachtet des Fahrerinputs zu lenken, um so Über- und Untersteuerung, Seitenwind sowie rutschige Fahrbahnverhältnisse zu kompensieren.

Warum die Autoindustrie und ihre Zulieferer Drive-by-wire-Systeme bevorzugen, ist nicht schwer zu erkennen. Sie hängen alle irgendwie zusammen, und nur wenn Drosselklappe, Bremsen und Lenkung mit einbezogen sind, können die Vorteile derartiger Systeme im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit, Komfort und Sicherheit voll ausgeschöpft werden. Angesichts der enormen Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf diesem Sektor ist das jedoch nur eine Frage der Zeit, und die wird schon bald kommen.

Roger Bishop

Redaktionschef von European Automotive Design

Illustration Peter Varhelyi

 

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