Federico Minoli – Schamane träumt in Rot

Federico Minoli ist vermutlich der einzige im italienischen Gallarate geborene Schamane

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Federico Minoli ist vermutlich der einzige im italienischen Gallarate geborene Schamane

Gallarate ist eine recht farblose Provinzstadt rund 30 Kilometer nördlich von Mailand und kein selbstverständlicher Geburtsort für Hohe Priester, die – per definitionem – mit ihren magischen Kräften Kranke heilen, die Zukunft voraussagen und bestimmte Ereignisse kontrollieren.

Doch Federico Minoli, Präsident und Geschäftsführer der Ducati Motor Holding SpA, ist kein Schamane im herkömmlichen Sinne. Die Patienten, die er heilt, sind keine Menschen, sondern Firmen, und seine hellseherischen Fähigkeiten liegen darin, versteckte Ressourcen in schwächelnden Betrieben zu erkennen. 

Bei Ducati besteht sein Stamm aus Mitarbeitern, Aktionären und Millionen leidenschaftlicher „Ducatisti“ in aller Welt. Sein Mantra lautet: „Bei uns geht es nicht um Motorräder, bei uns geht es ums Motorrad fahren.“

Was Minoli lernte, war bar jeglicher Mystik: Er besuchte eine naturwissenschaftliche Oberschule in Gallarate und begann 1968 an der Universität von Pavia, wo er allerdings mehr politisch aktiv war, als zu studieren.

Doch schon 1967, noch auf der Oberschule, spürte er seine Berufung.

„Ich hatte die Möglichkeit“, erinnert er sich, „über den örtlichen Lions Club im Rahmen eines Jugendaustausch­projektes nach San Francisco zu kommen.“

„So weit war ich noch nie von Gallarate weg gewesen, und das hat mich enorm beeinflusst.“

Sein Englisch war mittlerweile so gut und seine Identifikation mit den USA so stark, dass die italienische Presse ihn noch heute manchmal fälschlicherweise als Amerikaner ausgibt. Er ist mit einer Amerikanerin verheiratet und Vater von zwei bikulturell aufwachsenden Kindern, von denen eins in Italien und das andere in den USA geboren ist, und er trägt vorzugsweise Jeans und Freizeithemden, wenn er in seinem Büro in der Ducati-Zentrale arbeitet.

1973, als Minoli sein Studium abschloss, erhielt er dank seiner Kenntnisse der amerikanischen Kultur und Sprache einen Job bei Procter & Gamble in Rom. 

Am Tag, als Minoli bei P & G zum Produktleiter er­-nannt wurde, übrigens in Rekordzeit für einen Nicht-Amerikaner, kündigte er. Er verbrachte die nächsten sechs Monate à la Jack Kerouac „on the road“ in den USA, dann begann er bei Playtex International und pendelte weitere fünf Jahre zwischen Italien und den USA. Dann war die Zeit reif für einen erneuten Wechsel – es folgte ein halbes Jahr Ungebundenheit in Südamerika und Afrika.

Die nächste Herausforderung kam von McKinsey: Personalberatung in Zusammenarbeit mit Gianfilippo Cuneo (einem renommierten italienischen Business-Strategen). „Ich entschied, dass der Beraterjob nach einer Weile langweilig wird. Man arbeitet mit dem Kopf, aber Herz, Hände und Leidenschaft verkümmern. In einem Unternehmen arbeitet man mit dem Herzen und den Händen, aber nicht mit dem Kopf. Man ist gefangen in der täglichen Tretmühle, und man hat keine Zeit zum Denken. Ich wollte mich zwischen diesen beiden Welten hin und her bewegen, damit ich alle drei Teile entwickeln konnte.“

Die Möglichkeit dazu bot sich mit der nächsten Herausforderung an Minoli: Private Equity. Er zog mit seiner Frau nach Boston und fing bei Bain Consulting an, fand aber auch dort keine Ruhe. „Auf der anderen Seite des Flurs saß Bain Capital, also ging ich rüber und fragte: ,Warum macht ihr euch meine Kompetenz nicht zu Nutze?‘ Ich dachte, meine Interessen könnten für Private-Equity-Fonds gut sein, denn man braucht analytische Fähigkeiten für die Due Diligence sowie Managementfähigkeiten für die Geschäfte.“

Er gibt unumwunden zu, dass Glück bei Firmen-Turnarounds ein wichtiger Faktor ist. „Neben einem Plan und dessen schneller Umsetzung braucht man eben Glück“, meint Minoli.
 
Und Glück hatte Minoli, als er mit der Investmentgruppe Texas Pacific Group (TPG), einem Kunden der Bain Consulting, in Kontakt kam. Die TPG prüfte ein italienisches Unternehmen namens Ducati, und da Minoli Italiener war, wurde er gebeten, die Due Diligence im Vorfeld der Akquisition abzuwickeln. 

„Wenn man eine Firma übernimmt, hat man 100 Tage Flitterwochen, um den Leuten zu zeigen, wozu man fähig ist“, betont er. „Wenn man sich da nicht be­-währt, hat man keinen Erfolg. Es macht also Sinn, das Unternehmen vorher zu bewerten; da weiß man, was zu tun ist. Ich wollte Ducati vom reinen Metallbetrieb zum Entertainment führen, vom Motorrad zum Spaß am Motorrad fahren.“

Als erste Herausforderung betrachtete Minoli seine Aufgabe, die Mitarbeiter für die Zusammenarbeit an der „neuen“ Ducati zu gewinnen, und zwar mit der Firmenhistorie als Sprungbrett. So ließ er im Bologneser Hauptsitz ein Ducati-Museum errichten. Zwar war das Werksdach undicht, aber das Museum hatte Vorrang. „Da wussten alle Bescheid“, erinnert sich Minoli.

Er brachte neue Mitarbeiter ins Unternehmen und führte sie mit den Ducati-Ingenieuren zusammen, die zwar qualitätsorientiert waren, aber keinerlei Kontakt zum Kunden hatten. Er konstruierte eine umfangreiche Website (www.ducati.com), die pro Jahr von acht Millionen Interessenten besucht wird.
 
Damit auch sichergestellt ist, dass jeder „Rot sieht“, wird von jedem Mitarbeiter erwartet, dass er Motorrad fahren lernt; es gibt Anreize zum Kauf eines Ducati-Bikes; jeder, der mit einer Ducati zur Arbeit kommt, genießt ungeachtet seiner Stellung im Betrieb Parkvergünstigungen.

„Jetzt haben wir ein Team“, erklärt Minoli. „Wir sprechen eine gemeinsame Sprache. Jeder ist Mitglied unseres Stammes“

Von ständiger Unruhe getrieben verließ Minoli Ducati nach vier Jahren am Ruder im Jahr 2000, behielt zwar den Titel des Präsidenten, trat aber von jeglichen Verpflichtungen als Geschäftsführer zurück. Das Traditionsunternehmen ließ auf einem insgesamt schwachen Markt stark nach, und 2003 holte ihn TPG zurück. Im ersten Vierteljahr 2004 stieg der Umsatz um 23,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Minolis magische Kräfte sind noch immer wirksam.

„Ich fühle mich wie ein Schamane, ein Agitator“, meint er von sich selbst und mit einer Überzeugung, die Wall-Street-Broker genauso in seinen Bann gezogen hat wie Wochenend-Motorradfahrer. „Schamanen träumen davon, Gemeinschaften zu bilden. Für Ducati liegt die Herausforderung darin, diesen Traum – den Wunsch, zur Ducati-Welt zu gehören – in Marktanteile umzuwandeln und das Händlernetz auszubauen.“

 

 

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