Geballte Kraft Untertage

Eine neue, für den Strebbau entwickelte Schrämmaschine mit hoher Leistung hat der Produktivität in polnischen Kohlebergwerken einen gewaltigen Auftrieb verliehen

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Eine Gruppe polnischer Konstrukteure und Ingenieure hat eine Hochleistungs-Schrämmaschine für den Strebbau entwickelt, die neue Produktivitätsmaßstäbe setzt. Sie könnte der angeschlagenen Bergbauindustrie des Landes wieder auf die Beine helfen.
Im Strebbau wird die Schrämmaschine zur schneidenden Gewinnung von Steinkohle eingesetzt, wobei der Abbaustoß parallel zur Maschinenrichtung verläuft. Die Schrämmaschine bewegt sich auf einer Schiene entlang des Abbaustoßes, während die Schrämkette, auf der kleine Schrämpicken befestigt sind, die Kohle aus dem Stoß herausschneidet. Die hinter dem Schrämwerkzeug auf den Maschinenkörper niederbrechende Kohle wird über eine Ladevorrichtung und ein Förderband abtransportiert. Eine Teilschnittmaschine dagegen läuft auf der Kohlenseite und arbeitet normalerweise vor Kopf.
Die Schrämmaschine KSE 1000 ist das Produkt einer Partnerschaft zwischen dem Hersteller Zamet, dem Forschungszentrum Komag, dem Ziemowit-Bergwerk in Tychy-Leziny und dem Wissenschaftlichen Forschungsausschuß der polnischen Regierung, der die Industrie durch Finanzierung einer breiten Palette von Forschungsprojekten in Zusammenarbeit mit verschiedenen anderen Institutionen unterstützt.
Komag ist ein staatliches Konstruktionszentrum, das sich zu 70 Prozent aus dem Verkauf seiner Erzeugnisse und zu 30 Prozent aus Zuschüssen von staatlichen Institutionen finanziert. Zamet ist eine Aktiengesellschaft, die neben Bergbauausrüstung auch Maschinen für die Eisen- und Nichteisenindustrie baut. Das 1993 gänzlich privatisierte Unternehmen gehört zu der Holdinggesellschaft Mostostal Export. Zamet ist seit kurzem nach ISO 9001 zertifiziert.
Schon früh erkannten die Komag-Ingenieure, die sich mit der Konstruktion der KSE 1000 befaßten, daß die geforderte Leistung nicht ohne die Nutzung eines Hochspannungsnetzteils erbracht werden konnte. Ihre Entscheidung, ein Netzteil von sechs Kilovolt zu verwenden, stieß jedoch auf äußerst skeptische Reaktionen von seiten der Industrie. Üblicherweise werden in Polen Netzteile von einem Kilovolt benutzt. Wie Komags PR- und Marketingmanagerin für das Auslandsgeschäft, Malgorzata Malec, sagt, gab es „eine starke psychologische Barriere“, die überwunden werden mußte.
Experten waren besonders beunruhigt über die Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit der höheren Spannung. Komag war jedoch davon überzeugt, einen Trumpf auf der Hand zu haben und ließ sich nicht beirren. „Man muß schon Zamet und das Ziemowit-Bergwerk loben, weil sie bereit waren, die Anlage zu testen“, sagt Jan Dziura, Spezialist für Schrämmaschinen bei Komag und leitender Konstrukteur der KSE 1000.
Und es zahlte sich aus. Nach zweijährigem Betrieb einschließlich Testphase erbrachte die Schrämmaschine eine durchschnittliche Leistung von 8.500 Tonnen Kohle pro Tag und überstieg damit den Landesdurchschnitt von 2.000 Tonnen um mehr als das Vierfache. Es ist die zweithöchste Leistung, die je mit einer Schrämmaschine in Polen erzielt worden ist, und sie wurde unter sehr schwierigen Betriebsbedingungen erreicht.
Die KSE 1000 ist eine Maschine mit der Technologie von morgen, die jedoch mit der Ausrüstung und den Arbeitsmethoden von heute auskommen muß, und das verursacht Engpässe. Sie arbeitet mit einer Betriebsgeschwindigkeit von bis zu 15 Metern pro Minute und „läuft manchmal den Bergleuten einfach davon“, erklärt Dziura mit unverkennbaren Stolz.
Aber diese hohe Leistung ist keine Überkapazität. Sie wird an Abbaustößen mit härterer Kohle und stärkeren Intrusionen gebraucht. Das leistungsfähigere Hochspannungsnetzteil hat noch einen weiteren Vorteil. Es kommt mit nur einem Transformator aus, der bis zu 2,5 Kilometer von der Schrämmaschine entfernt aufgestellt werden kann.

Bergbau im Wandel

Das Ergebnis der Zusammenarbeit von Komag und Zamet ist noch beeindruckender, wenn man es vor dem Hintergrund der notleidenden polnischen Bergbauindustrie betrachtet. Die Not hat jedoch bei polnischen Konstrukteuren und Ingenieuren neue Kräfte und Ideen freigesetzt. Früher, als die Mittel noch großzügig direkt in die Bergbauforschung flossen, hatte Komag Zeit, ausgefeilte Prototypen zu bauen und diese sogar in einem eigenen kleinen Bergwerk zu testen. Die Zeiten sind vorbei. Die Konstrukteure müssen heute ihre Maschinen direkt vor Ort von echten Bergleuten testen lassen, was sich allerdings als Segen erwiesen hat. „Man lernt Dinge Untertage, die man im Labor nie lernen würde“, so Dziura.
„Den Bergleuten ist es egal, ob Sie die Maschine als Prototyp bezeichnen“, sagt Stanislaw Orchel, verantwortlicher Leiter von Komags Abteilung für Strebbausysteme. „Sie wollen nur, daß das Ding funktioniert. Sie holen das Äußerste aus der Maschine heraus.“ Wie Orchel erklärt, geben die Bergleute, nachdem sie die Maschine in allen Gangarten eingesetzt haben, den Konstrukteuren einen ausführlichen Bericht über ihre Produktionsleistung. Da man auf den Luxus, Prototypen zu testen, verzichten muß, ist die Interaktion zwischen Konstrukteur, Hersteller und Endanwender unverzichtbar, und diese Art der Zusammenarbeit hat zu dem neuen erfolgreichen Schrämmaschinenkonzept geführt.
Die Umstrukturierung der Bergbauindustrie ist für die polnische Regierung eine dringende Frage. „Wir hoffen, daß das Umstrukturierungsprogramm bald in Gang kommt, daß es die Wogen glätten und die Situation in der Bergbauindustrie stabilisieren wird“, meint Henryk Lach, Aufsichtsratsvorsitzender von Zamet.
Als Beispiel für die Probleme der Industrie nennt Lach die Tatsache, daß von den über 300 in Polen vorhandenen AM-50 Teilschnittmaschinen der Firma Zamet nur 240 im Einsatz sind, und die müssen ständig repariert werden. Als dieser Artikel geschrieben wurde, standen einige Details des Umstrukturierungsprogramms noch nicht fest, aber die Hauptziele sind ein erheblicher Personalabbau und die Konzentration auf die rentabelsten und produktivsten Bergwerke. Wenn diese Ziele erfolgreich verfolgt werden, dürfte es für die KSE 1000 nicht schwer sein, Abnehmer zu finden.
In der Zwischenzeit spekuliert Zamet auf den russischen Markt und hofft, daß dort das Interesse an der KSE 1000 ebenso groß ist wie in China das an Teilschnittmaschinen. Große Erwartungen knüpft das Unternehmen auch an die kleine Schwester der KSE 1000, die KSE 800.
Lach würde gerne später einmal die KSE 1000 in ein „schlüsselfertiges“ Paket umwandeln, das Ausrüstung von verschiedenen Herstellern und alle Geräte zur Ausbeutung eines Strebs enthält. Auch wenn diese Pläne nicht verwirklicht werden, so haben doch die an der Entwicklung der KSE 1000 beteiligten Unternehmen bewiesen, daß Polen trotz der Finanzkrise in der Bergbauindustrie ein erstklassiger Produzent von Bergwerksausrüstung ist.

Nathaniel Espino

Wirtschaftsjournalist in Warschau

Fotos Michael Dean

 

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