Gegen den Strom
Als weltweit führender Bootentwickler wagt sich die Seaway Group in Slowenien auch an unkonventionelle Projekte, an die sonst keiner glaubt
Der slowenische Bootentwickler Seaway Group steht immer wieder vor scheinbar unüberwindlichen Hindernissen und Widersprüchen. Seaway gehört zu den weltweit führenden Unternehmen in dieser Sparte und bietet Bootbauern rund um den Globus integrierte Entwicklungsprojekte und Dienstleistungen an. Anfang 2000 stieß ein Vorschlag zur Entwicklung eines Carbon-Segelboots bei den Kunden jedoch auf Ablehnung. Sie lachten nur und meinten, sie würden selbst eins bauen, wenn sie davon überzeugt wären, dass es funktionieren würde, aber daran glaubten sie eben nicht. Ein Jahr später hatte Seaway ein Motorbootkonzept mit Halbgleiterrumpf entwickelt. Manche Kunden zeigten sich interessiert, aber keiner wollte als erster ein solches Boot bauen. Kürzlich hatte Seaway die Idee, ein Hybrid-Motorboot mit Solarantrieb zu konstruieren, und die Kundenreaktion war erneut: Die Idee ist fantastisch. Wir würden das Projekt auch kaufen, wenn wir wüssten, ob es funktioniert, aber das wissen wir eben nicht.
In all diesen Fällen trieb Seaway das Projekt selbst voran und baute das Boot in eigener Regie. Und das Ergebnis? Das fast komplett aus Carbon konstruierte Segelboot Shipman 50 wurde zum Europäischen Boot des Jahres 2003 ernannt. Die Skagen 50 wurde in England zur Motoryacht des Jahres 2008 gewählt und weist seit ihrer Markteinführung stabile Verkaufszahlen aus. Bei dem neuen Greenline Hybrid-Modell rechnet man für 2010 mit einem Verkauf von 120 bis 150 Booten – nicht schlecht für ein neues Bootmodell im ersten Produktionsjahr mitten in einer Wirtschaftskrise.
Neben diesen Erfolgen ist Seaway für über 60 Bootbauer aus 29 Ländern als Projektentwickler tätig. Seaway und das Schwesterunternehmen J&J Design haben seit 1983 mehr als 250 Entwürfe geschaffen, die zum Bau von über 60.000 Yachten und 35 „Boot des Jahres“-Auszeichnungen in Europa und den USA geführt haben. Darüber hinaus konstruiert und fertigt das Unternehmen Komponenten für die Freizeitbootindustrie und ist derzeit der weltweit größte Produzent von Steuerrudern mit Wälzlagern für Segelboote.
Der Hauptsitz des Unternehmens liegt im slowenischen Zgosa, einem Skigebiet 40 Kilometer nördlich der Hauptstadt Ljubljana, weit weg vom Meer oder anderen größeren Gewässern. Die beiden Gründer, die Brüder Japec und Jernej Jakopin, sind keine erfolgreichen Segler. Japec war Kardiologe und Jernej Architekt.
Jernej war drei und Japec fünf Jahre alt, als sie ihre erste Bekanntschaft mit dem Meer machten, und sie waren sofort begeistert – eine Leidenschaft, die sie ihr Leben lang nicht mehr losgelassen hat. Japec baute zunächst Boote als Hobby, während er gleichzeitig als Medizinprofessor und Forscher an der Universität von Ljubljana tätig war. „1983 musste er jedoch die Universität verlassen, weil er nicht Mitglied in der Kommunistischen Partei war“, erzählt sein Sohn, Tilen Jakopin, der zurzeit für das Greenline Hybrid-Projekt verantwortlich ist.
Unterdessen arbeitete Jernej als Architekt in Duisburg. Die beiden Brüder beschlossen 1983, aus ihrer Passion einen Beruf zu machen, und gründeten das J&J Design Studio. Einer der ersten Kunden war Elan, eine staatliche Bootfabrik in Begunje.
Fünf Jahre später warb der große französische Bootbauer, Jeanneau Yachts, Japec für den Posten als Leiter der Vertriebs- und Marketingabteilung an. Er stellte bald fest, dass es weltweit kein Unternehmen gab, das eine integrierte Bootentwicklung mit der Kompetenz von Ingenieuren, Schiffbauarchitekten, Werkzeugexperten und Softwarespezialisten anbot. Als er 1989 nach Slowenien zurückkehrte, gründete er zusammen mit seinem Bruder die Firma Seaway, um diese Marktlücke zu füllen, und nutzte die Konstruktionskapazitäten von J&J. Als Standort wählten sie einen Ort in der Nähe der Elan-Fabrik, weil hier qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Obgleich der Hauptsitz in Slowenien war, dachten die Brüder international. Sie sprachen beide neben Slowenisch auch Englisch, Französisch, Deutsch, Kroatisch und Italienisch.
Als die Seaway-Kunden 2003 über die Idee eines Carbon-Segelbootes lachten, entschieden Jernej und Japec, das Boot selbst zu bauen. Sie erwarben den Namen „Shipman“, weil sie dachten, ein etablierter Name würde ihrer ersten Bootmarke den Start erleichtern. Damals ahnten sie noch nicht, dass Seaway der weltweit größte Hersteller von Carbon-Segelyachten werden würde.
2004 kam die erste Skagen 50 auf den Markt, ein Motorboot mit Halbgleiterrumpf. Der Name Skagen nach der gleichnamigen Nordspitze Dänemarks sollte daran erinnern, dass hier aufgrund der rauen See schwierige Verhältnisse für Bootfahrer herrschen.
Da Entwicklung und Produktion unterschiedlichen Geschäftszyklen folgen, war die Entscheidung des Unternehmens zum Bau von eigenen Booten eher zufallsbedingt. Für die Zukunft plant Seaway, ein Know-how-Zentrum zur Entwicklung von Hybrid- und Solartechnologie für Freizeitboote zu werden. Vor allem aber wollen die Jakopins einige Mythen über Hybridboote aus der Welt schaffen, zum Beispiel dass „hybrid“ gleichbedeutend mit futuristisch, kompliziert und teuer ist.
Seaway eröffnete 1994 eine weitere Fabrik im slowenischen Bled. Der neueste Standort im italienischen Monfalcone an der Adria wurde im September 2009 eingeweiht. Die derzeitigen Anlagen in Zgosa stammen von 2004. Ein älteres Gebäude war am 11. April 2007 abgebrannt, in derselben Nacht, als Kurt Vonnegut, Jr. starb. „Ich weiß nicht, über welches Ereignis mein Vater trauriger war“, erinnert sich Tilen Jakopin.
Der Beitrag von SKF
Das slowenische Unternehmen Iskra Avtoelektrika (IA) ist ein globaler Hersteller von Startmotoren, Generatoren, elektrischen Antriebssystemen und mechatronischen Systemen sowie von Teilen für den Automobilsektor, die Fördertechnikindustrie und andere Industriezweige. „Es ist ein sehr wichtiger Kunde von SKF in Slowenien“, sagt Aleš Čavs von SKF Sales. IA entwickelte den elektrischen Generator für Seaways Greenline-Projekt auf der Basis eines Turbodieselmotors von Volkswagen. Generator und Motor bilden zusammen ein geschütztes Hybridsystem, für das ein Patentantrag gestellt worden ist.
Der Kupplungsmechanismus zwischen Generator und Dieselmotor wird von einem SKF-Linearsystem der CAHB-Reihe angetrieben. Die elektromechanischen Aktuatoren von SKF ermöglichen präzise, kontrollierte und wiederholbare Druck- und Zugbewegungen in Linearantrieben. Die CAHB-Reihe bietet effiziente, zuverlässige und kostengünstige Lösungen für eine Vielzahl von Anwendungen. In diesem Fall wurde der Aktuator an die Erfordernisse von IA angepasst – ein Beispiel dafür, welchen Mehrwert die Mechatronikplattform von SKF durch ihre Antriebslösungen schaffen kann.
Grüne Welle
„Schon lange bevor die Wirtschaftskrise 2008 zuschlug, hatten sich die Vorstellungen und Wünsche der Leute im Hinblick auf Freizeitboote geändert“, erinnert sich Tilen Jakopin, Sohn von einem der Seaway-Gründer, Japec Jakopin, und derzeit für das Greenline Hybrid-Modell verantwortlich. „Mein Vater sah ein, dass die neue Generation von Wochenendkapitänen – wie ich – lieber Knöpfe drückt, als an Rädern dreht.“, meint er. „Wir sind weniger bereit, auf Komfort zu verzichten, und der Betrieb soll möglichst einfach sein. Außerdem soll das Boot umweltverträglich und zu einem akzeptablen Preis zu haben sein.“
Die Gebrüder Jakopin entwickelten ein elegantes, kostengünstiges Hybridmodell mit Solarzellen als zusätzliche Energiequelle. Im Oktober 2008 wurde ein Prototyp zu Wasser gelassen, und weniger als ein Jahr später waren bereits sechs Vorproduktionsmodelle fertiggestellt, die alle noch im Gebrauch sind. Im Januar 2010 stellte Seaway zwei Yachten auf der Boot 2010 in Düsseldorf aus und erhielt trotz der schwachen Wirtschaftslage 50 Bestellungen für dieses Modell.
Zu den ersten Käufern gehörten Deutsche, Schweizer und Niederländer. „Wir hatten von Anfang an Nordeuropa im Visier, denn die Greenline ist kein emotionales Produkt. Man muss rationale Gründe haben, um es zu kaufen“, erklärt Tilen Jakopin. „In Nordeuropa spricht die Yacht für sich selbst.“