Gigantische Kraft

 

Ähnliche Inhalte

 

 

 

 


Weltweit können drei Unternehmen Windenergieanlagen mit einer Nennleistung von circa fünf Megawatt bauen, REpower in Deutschland baut die größten

Als Anfang Februar 2005in der Küstenstadt Brunsbüttel die größte Windenergieanlage der Welt ans Netz ging, war auch der Bundesumweltminister anwesend. Jürgen Trittin bezeichnete die 5M-Anlage von REpower als einen wichtigen Meilenstein. Mit dieser Anlage demonstriere „die deutsche Windkraftindustrie erneut, dass sie technologisch weltweit führend ist „, meinte er und fügte noch hinzu: „Die Zukunft der Windkraft liegt draußen im Meer. “

Daran besteht kein Zweifel. Brunsbüttel ist in der Tat nur der erste einer Reihe von Testläufen an Land, die mit der Offshore-Version der REpower 5M durchgeführt werden. Der erste Einsatz auf hoher See ist für 2006 geplant. Im Rahmen des von der EU geförderten Offshore-Demonstrationsprojektes DOWNVInD unter der Regie von Talisman Energy soll eine 5M-Anlage 25 Kilometer vor der Ostküste Schottlands errichtet werden. Das Meer ist dort 44 Meter tief.

Ein wichtiges Argument für Offshore-Anlagen ist, dass der Wind auf dem Meer eine wesentlich bessere Energiequelle darstellt als an Land. Martin Skiba, bis vor kurzem 5M-Projektleiter, erklärt dazu: „Die Ener­-gieausbeute ist doppelt so hoch. Die Landoberfläche bremst die Windenergie. “

Eines der Hauptprobleme mit Offshore-Anlagen besteht darin, dass sie so weit weg sind. REpower braucht Brunsbüttel und weitere leicht erreichbare Standorte an Land, um die Windräder zu testen und zu optimieren. Aber es ist nicht einfach, die Genehmigung für Windenergieanlagen an Land zu bekommen, insbesondere nicht für 5-Megawatt-Giganten, von denen jede Anlage ausreicht, um 4 500 deutsche Haushalte mit Strom zu versorgen. REpower hofft, dass die dadurch entstehenden Arbeitsplätze in Norddeutschland die Landes- und Bundesregierung positiv stimmen werden.

 

Ursula Belker, die Bürgermeisterinvon Husum, wo REpower eine ihrer beiden Produktionsstätten betreibt, war Ende Februar hocherfreut, als der Bundesinnenminister seinen bisherigen Widerstand gegen die Errichtung von drei 5M-Anlagen in einem Windpark nahe der REpower-Fabrik aufgab. Die Entscheidung, sagt sie, habe 300 Arbeitsplätze erhalten. „Das ist ein Grund zum Feiern. Wir brauchen Arbeitsplätze und kämpfen um jeden einzelnen. “

Die Windkraftindustrie hat aus den Fehlern der ersten Offshore-Installationen gelernt. Es handelte sich dabei oft um Versionen von landbasierten Windkraftanlagen, die für den Einsatz auf See umgerüstet worden waren. Diese ersten Offshore-Windräder waren zudem kleiner als die heutige Generation. Die Kosten für den Bau eines Fundaments in 40 Metern Wassertiefe und den Netzanschluss sind jedoch so hoch, dass sich derartige Investitionen nur bei solchen Megaanlagen auszahlen.

Neue Dimensionen verlangen nach neuen Werkstoffen. Die ersten Rotoren waren aus Stahl. Heute werden sie in der Regel aus glasfaserverstärktem Kunststoff hergestellt. Für die drei Blätter des 5M-Rotors mit einem Durchmesser von 126 Metern musste REpower allerdings den glasfaserverstärkten Kunststoff mit Kohlefaser noch weiter verstärken, damit die zusätzliche Länge nicht zu einer entsprechenden Gewichtszunahme führen würde.

 

Die Konstruktion von Windrädernfür Offshore-Einsätze erfordert neue Parameter, denn Wartung und Reparatur an solchen abgelegenen Standorten sind schwierig. Der Erfolg eines Unternehmens könnte sich daran messen, wie gut es diese Probleme bewältigt.

„Das wichtigste ist eine hohe Betriebssicherheit „, meint Skiba. Man kann nicht schnell auf dem Weg nach Hause eine Sicherung austauschen. Diese Anlagen müssen monatelang zuverlässig arbeiten. Die 5M wurde von Anfang an für diese ungastlichen Einsatzbedingungen konzipiert. Im Vordergrund stand dabei der Korrosionsschutz, da Korrosion bedingt durch den nahezu ständig wehenden salzhaltigen Wind ein großes Problem ist. Aber auch andere, weniger offensichtliche Aspekte wurden berücksichtigt. Zahlreiche Komponenten sind redundant ausgelegt. Skiba nennt ein Beispiel: „Während die Rotorwelle der meisten Windräder auf nur einem Lager ruht – das andere befindet sich im Getriebe – besteht die Lagerung der Welle in der 5M-Anlage aus zwei Lagern: einem Fest- und einem Loslager. “ Dadurch müssen die Getriebelager nur Drehmomentlasten tragen.

Der Zustand der Bauteile wird rund um die Uhr elektronisch überwacht, damit bei der regelmäßigen Wartung eventuelle Schwachstellen behoben werden können. Wenn die Wartungstechniker Hilfe benötigen, kann diese eingeflogen werden. Die Gondel ist außen mit einem Hubschrauberlandeplatz und innen mit einem 6-Tonnen-Kran ausgestattet, mit dessen Hilfe sich 95 Prozent aller Teile ausbauen und ersetzen lassen. Nur die größten Bauteile erfordern den Einsatz einer Hubplattform mit eigenem Kran.

An Land wird der Rotor oft demontiert und auf die Erde gelegt, so dass die Gondel abgesenkt werden kann. Auf hoher See ist das keine denkbare Alternative. Deshalb ist die 5M-Anlage so konstruiert, dass fast alle Reparaturarbeiten von der Innenseite der Gondel aus vorgenommen werden können. Ersatzteile werden durch Klappen hineingehievt.

 

REpower hat 12,5 Millionen Euro– circa 15 Prozent aus öffentlichen Mitteln – in das 5M-Projekt investiert. Vorrangige Zielsetzung ist, bei den ersten Offshore-Anlagen die Zuverlässigkeit und Investitionsrendite bieten zu können, die die Industrie erwartet. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht „, sagt REpower-Sprecherin, Bettina Linden, „aber allein können wir es nicht schaffen. Alle müssen am selben Strang ziehen. Die Entscheidungen über die Infrastruktur, die Verlegung von Unterseekabeln und die Integration von Windenergie in das Stromnetz müssen auf politischer Ebene getroffen werden. Außerdem sind noch Probleme im Hinblick auf Betrieb und Wartung zu lösen. “

„Wir sind erst am Anfang „, meint dazu Skiba. Er vergleicht die Windenergie mit der Autoindustrie. „Wir befinden uns im Großen und Ganzen noch in der Entwicklungsphase, als alles von Hand gefertigt wurde. Die Produktion könnte stärker automatisiert werden, dann wären wir in zehn bis 15 Jahren das billige Element im Energiemix. “ Auch wenn vieles für die 5M noch von Hand hergestellt wird, sind die Zielsetzungen des Unternehmens in Bezug auf Energieertrag und Zuver­-lässigkeit dieser Anlage ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu höherer Effizienz in der Windenergie.


Lager in Rekordgröße

SKF liefert die Lager für den gewaltigen Rotor der 5M-Anlage, der mit seinem Gewicht von 100 Tonnen eine enorme Belastung auf die Welle ausübt. Bei dem Loslager handelt es sich um ein CARB® Toroidal-Rollenlager – mit seinem Innendurchmesser von 1 500 mm und seinem Gewicht von 2 700 kg das größte, das je gebaut wurde. Das Festlager ist ein Pendelrollenlager. Die äußergewöhnlichen Dimensionen der Lager zwangen SKF zur Konstruktion eines neuen Induktions-Anwärmegeräts zum Erwärmen der Lager und der 8 000 kg schweren Lagergehäuse vor dem Einbau. Darüber hinaus konstruierte SKF ein neuartiges Sicherungssystem, die SKF HMS-Wellenmutter. Ebenfalls geplant ist der Einsatz des Online-Fernüberwachungssystems SKF WindCon, das eine Reihe wichtiger Parameter ständig im Auge behält. (Siehe Artikel in Evolution 1/2005).

 

Halten Sie mich auf dem Laufenden

Sind Sie interessiert an Themen, die sich mit Engineering und Technik beschäftigen? EVOLUTION bietet Inhalte, die Ihnen Einblick in neue Techniklösungen gibt. Lesen Sie über neue Entwicklungen in spannenden Unternehmen, Industrien und Themenfeldern.

Newsletter erhalten