Gut gefedert

Das deutsche Unternehmen Stabilus legte praktisch den Grundstein für die Gasfederindustrie, als man Anfang der sechziger Jahre die ersten Kolben in gasgefüllten Druckrohren fertigte. Seit kurzem orientiert sich Stabilus in eine neue Richtung: Gasfedern aus Edelstahl

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Vor 40 Jahren stellte man einen Bürostuhl auf die richtige Höhe ein, indem man den Sitz hoch- oder herunterdrehte – heute kaum noch vorstellbar. Die Klappen von Inspektionsluken an Maschinen wurden von Metallstangen offen gehalten. Damit die Klappe während der Maschineninspektion nicht zufiel, musste man die Stange entweder in einem Loch verankern oder mit einem Arm hochhalten.

Mit der Entwicklung der Gasfeder setzte Stabilus diesen umständlichen Verfahren ein Ende. „Die Idee der Gasfeder geht auf das 19. Jahrhundert zurück, aber wir erarbeiteten ein Konzept, das die industrielle Massenfertigung dieses Produktes ermöglichte“, sagt der Marketingleiter des in Koblenz am Rhein beheimateten Unternehmens, Berndt Sander. Im Laufe der Jahre wurden über 1,5 Milliarden Gasfedern gefertigt. Das Produktionsvolumen der zehn Stabilus-Werke in zehn Ländern liegt heute bei 100 Millionen Stück pro Jahr.

Eine Gasfeder besteht aus Druckrohr, Kolbenstange mit Kolben sowie geeigneten Anschlüssen. Obwohl der Druck im gesamten Druckrohr gleich ist, versucht das Gas, den Kolben herauszudrücken, weil das obere Ende des Kolbens eine größere Querschnittsfläche hat als das an der Kolbenstange befestigte Ende.

Durch exakte Berechnung der auf die Kolbenstange aufgebrachten Kräfte lässt sich die Federcharakteristik genau definieren. Der Kolben ist mit einem Loch versehen, durch das Gas entweichen kann. Die Größe des Loches beeinflusst die Bewegungsgeschwindigkeit des Gases durch den Kolben und bestimmt damit, ob die Reaktion auf die aufgebrachte Kraft schneller oder langsamer erfolgt. Diese Art von Feder enthält in der Regel auch Öl zur Dämpfung der Bewegung, vor allem in den Endlagen. „Das vermittelt ein Gefühl von Luxus und Qualität“, meint Sander.

Breite Produktpalette
Andreas Wolf, Sachgebietsleiter Verkauf Industrieanwendungen, weist auf die Komplexität dieses Prozesses hin. „Jede Feder ist anders. Unser Know-how liegt in der Berechnung all der verschiedenen Faktoren in einer Feder“, erklärt er. Das Unternehmen hat 15.000 Varianten dieses Produkts. Dabei handelt es sich um exakt definierte Kombinationen einer erheblich geringeren Anzahl von Druckrohren, Kolbenstangen, Kolben und Anschlusselementen in mehr oder weniger Standardausführung. Darüber hinaus hat jeder Anwendungsbereich seinen ganz speziellen Gasdruck und seine eigene Dämpfungscharakteristik. „Einer der Gründe, warum wir Marktführer sind, besteht darin, dass wir in der Lage sind, diese Kombinationen richtig einzusetzen“, sagt Sanders.

Neben der oben beschriebenen Lift-O-Mat-Gasfeder für Heck- und Kofferraumklappen gehört die Bloc-O-Lift-Feder ebenso zum Standardsortiment von Stabilus. Sie wird für die Einstellung von Rückenlehnen verwendet. Darüber hinaus gibt es Stab-O-Mat und Stab-O-Bloc, zwei Systeme zur Verstellung der Sitzhöhe bei Bürostühlen, Sesseln, usw. Sie sind für die Biegemomente ausgelegt, die entstehen, wenn sich eine Person auf einem Stuhl bewegt. Schließlich umfasst das Sortiment noch zwei neuere Produkte: Dorstop, ein Türfeststeller, der Fahrzeugtüren in jeder gewünschten Position zuverlässig festhält, und Stab-O-Focs, das automatische Öffnungs- und Schließsystem zum selbsttätigen Öffnen und Schließen von Heck- und Kofferraumklappen.

Der Lift-O-Mat ist inzwischen auch in Edelstahl erhältlich. Laut Wolf soll die neue Inox-Line-Feder besonderen Ansprüchen Rechnung tragen. „Immer wieder wurden wir gebeten, Gasfedern in Edelstahl zu produzieren“, sagt er. „In der Industrie werden manchmal sehr hohe Anforderungen an Oberflächenqualität, Korrosionsbeständigkeit, Hygiene und antimagnetische Eigenschaften gestellt. Bisher haben wir dies immer abgelehnt. Für die Produktion in Edelstahl braucht man besondere Fertigkeiten und Werkzeuge.“

Edelstahl
Im Jahr 2000 entschloss sich Stabilus, einen kleinen Hersteller von speziellen Edelstahlfedern aufzukaufen. Stabilus kombinierte sein eigenes Know-how mit dem des neu erworbenen Unternehmens und begann mit der Produktion von Gasfedern aus Edelstahl nach dem bewährten Bausteinprinzip.

Da Stabilus das Baukastenprinzip auch für die Fertigung der neuen Federn verwendet, kann diese Produktreihe zu einem attraktiven Preis angeboten werden. „Er beträgt dennoch das Zwei- bis Dreifache des Preises für eine gewöhnliche Eisenfeder“, meint Wolf. „Aber für bestimmte Anwendungsfälle lohnt sich oft diese Extraausgabe.“ Sanders führt einige Bereiche auf, in denen Edelstahl einen Vorteil bietet. „In industriellen Müllkompostieranlagen, wo man es mit aggressiven Gasen zu tun hat und schwere Metalldeckel gehoben werden müssen, in Magnetresonanzgeräten, bei denen eine Verwendung von magnetischen Werkstoffen nicht zulässig ist, in Krankenhausbetten, die mit Dampf und Chemikalien gereinigt werden, auf Schiffen wegen der höheren Beständigkeit gegen Salzwasser oder in der Lebensmittelindustrie, weil Edelstahl hygienisch sauber gehalten werden kann.“ Früher war Edelstahl manchmal so teuer, dass viele auf die Gasfeder völlig verzichteten und eine andere Lösung wählten. Stabilus hat Edelstahlfedern erschwinglich gemacht.

Wolf ist davon überzeugt, dass Edelstahl gute Wachstumschancen hat. „Es wird immer ein begrenzter Teil unserer Produktion bleiben“, erklärt er, „aber wir schreiben diesem Sektor die höchsten Wachstumsraten in unserer Branche zu. Bisher bieten wir nur den Lift-O-Mat in begrenztem Umfang als Inox-Line-Feder an, aber das könnte sich bald ändern. Wir behalten den Markt im Auge.“

Wer schon Marktführer ist, hat es nicht so leicht, neue Wachstumsmöglichkeiten zu finden. Mit dem Schritt zur Edelstahlproduktion hat Stabilus jedoch bewiesen, dass sich das Unternehmen nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen will.

 

 

 

 

 

 

 

 

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