Halsbrecherische Wende
Als der italienische Motorradhersteller Ducati merkte, dass er auf die falsche Spur gekommen war, half es nichts mehr, die Bremse zu ziehen. Das Unternehmen beschloss stattdessen, mit Vollgas durchzustartenDie meisten haben es sicher schon einmal gesehen, wenn bei einem Motorradrennen die Motorräder in den Kurven in Schräglage gehen, so dass sie, wie es scheint, nur wenige Zentimeter von der Fahrbahn entfernt sind. Allein die Geschicklichkeit des Fahrers und die technische Leistung des Motorrads können verhindern, dass es in dieser Situation umkippt.
Als der italienische Motorradhersteller Ducati merkte, dass er auf die falsche Spur gekommen war, half es nichts mehr, die Bremse zu ziehen. Das Unternehmen beschloss stattdessen, mit Vollgas durchzustartenDie meisten haben es sicher schon einmal gesehen, wenn bei einem Motorradrennen die Motorräder in den Kurven in Schräglage gehen, so dass sie, wie es scheint, nur wenige Zentimeter von der Fahrbahn entfernt sind. Allein die Geschicklichkeit des Fahrers und die technische Leistung des Motorrads können verhindern, dass es in dieser Situation umkippt.
Dasselbe gilt auch für ein Unternehmen. Mit geschickter Führung lassen sich Fehler ausbügeln, allerdings nur vorübergehend. Wenn die Produktqualität nicht stimmt, wird ein angeschlagenes Unternehmen die Kurve nicht bekommen – geschweige denn größere Erfolge verbuchen.
Ducati Motor Holding S.p.A. hat im Laufe seines 75-jährigen Bestehens schon manche Holperstrecke hinter sich gebracht, konnte aber die schlimmsten Schlaglöcher immer umfahren und hat sich so seinen Ruf als Hersteller von „Ferraris auf zwei Rädern“ ohne Blessuren bewahrt.
Das am 4. Juli 1926 von Antonio Cavalieri Ducati und seinen drei Söhnen gegründete Unternehmen ist für seine Sportmotorräder bekannt. Ducati-Bikes haben neun der letzten elf World Superbike Championship-Titel gewonnen und mehr Siege bei Einzelrennen erzielt, als alle anderen Hersteller zusammengenommen.
Vor vier Jahren war die Zukunft des Unternehmens jedoch ungewiss. „Es bestand die Gefahr, dass wir endgültig schließen mussten“, erinnert sich Livio Lodi, stellvertretender Direktor des Ducati Museums. Ducati gehörte damals zu Caviga S.P.A., ein Konglomerat von verschiedenen Motorradherstellern, das 1985 das legendäre Unternehmen übernommen hatte. Ducatis Rennbahnerfolge und sein hohes Ansehen bei Motorradenthusiasten reichten allerdings nicht aus, um das Unternehmen vor den finanziellen Problemen der Muttergesellschaft zu schützen.
Caviga befand sich damals in einer Liquiditätskrise und hatte Ducati praktisch seinem Schicksal überlassen. Es wurden keine Investitionen getätigt, Qualitätskontrollen blieben aus. Die Arbeitsmoral war niedrig und die Produktion äußerst schwach. Nicht nur die Motorräder des Ducati-Rennteams waren rot, sondern auch die Bilanzzahlen des Unternehmens. „Im gesamten Jahr 1984 wurden bei uns nur 1.000 Motorräder produziert“, erzählt Lodi. 1986 lag das Produktionsvolumen bei 20 Motorrädern pro Tag. Inzwischen sieht die Situation ganz anders aus. Heute verlassen pro Tag über 200 Bikes die Fabrik, und im vergangenen Jahr waren es insgesamt etwa 40.000.
Die Rettung kam in Form von Texas Pacific Group (TPG), einer amerikanischen Investmentgesellschaft, die im September 1996 Ducati erwarb und dem Unternehmen eine kräftige Finanzspritze, eine neue Managementphilosophie und einen neuen, international erfahrenen Geschäftsführer mit Namen Federico Minoli bescherte.
TPG bereitete sich auf ein gewagtes Zeitrennen vor: Innerhalb von drei Jahren sollte Ducati die Wende geschafft und den Börsengang durchgeführt haben. Zu diesem Zweck beschloss das Unternehmen, im Rahmen einer neuen Geschäftsstrategie Verbesserungen an drei Fronten zu erzielen – im Bereich Marketing, bei Promotion und Imagepflege sowie in der Produktion.
Um mehr Marktanteile zu gewinnen, erweiterte Ducati sein Produktsortiment und verstärkte sein Vertriebsnetz. Derzeit gibt es Ducati-Motorräder in vier Klassen: Superbikes für diejenigen, die auf Höchstleistung aus sind, SuperSport-Bikes für Rennsportfans, die preiswerte Monster-Klasse, das beliebteste Modell, und die Sport Touring Bikes für solche, die die Leistung eines Sportmotorrades mit Tourer-Komfort verbinden möchten. Die Sport Touring Klasse debütierte 1997 mit dem ST2-Modell, das von Motor Cycle News die Auszeichnung „Bestes Sport Touring Motorrad des Jahres“ erhielt.
Das 1998 eingeführte 900SS-Modell wurde von Motor Cycle News zum „besten Design des Jahres“ ernannt.
Da die Monster-Klasse bei Frauen sehr beliebt ist, bat Ducati bekannte Designer wie Donna Karan und kürzlich auch Roberto Cavalli, speziell für weibliche Kunden Sondermodelle zu entwerfen.
Zur Verstärkung des Vertriebsnetzes beschloss das Unternehmen, Ducati Stores einzurichten, die das komplette Motorrad- und Zubehörsortiment und den damit verbundenen Ducati-Lebensstil besonders vorteilhaft präsentieren. Bis Ende 2000 waren 65 Ducati Stores in 16 Ländern eröffnet, und weitere sind geplant.
Das Internet ist ebenfalls ein vielversprechender Vertriebskanal. Ducati lancierte seine Website am 1. Januar 2000 mit einem einzigartigen Marketingprogramm, und zwar mit einem Sondermodell in nur 2.000 Exemplaren unter der Bezeichnung MH900 Evoluzione, das ausschließlich über das Internet verkauft wurde.
Innerhalb der ersten halben Stunde hatten bereits 500 Käufer zugeschlagen und die gesamte Auflage war innerhalb von drei Wochen ausverkauft. Ganze 38 Prozent davon gingen an japanische Käufer. „Das ist, als ob man Kühlschränke an Eskimos verkauft“, kommentiert Lodi.
Lifestyle-Image
Parallel zu den Marketingaktivitäten hat sich Ducati durch neue Produktangebote bei Zubehörartikeln, Bekleidung und anderen Lizenzvereinbarungen intensiv dafür eingesetzt, sein Ferrari-ähnliches Image zu stärken. Ende letzten Jahres machten Zubehör und Bekleidung etwa sieben Prozent von Ducatis Umsatzerlösen aus. Ziel ist, diesen Anteil innerhalb der kommenden fünf Jahre auf zehn Prozent zu steigern.
Zu den ungewöhnlicheren Initiativen gehört ein Videospiel, Ducati World, das auf der Bologna Motor Show im letzten Jahr herausgebracht wurde. Das World Ducati Weekend war eine weitere erfolgreiche Promotion-Maßnahme zur Imagepflege. Das erste fand 1998 anlässlich des erfreulichen Wandels des Unternehmens statt und das zweite im Juni 2000 in Bologna. Dort versammelten sich 23.000 Ducatisti (wie die Ducati-Fans genannt werden) aus allen Teilen der Welt, um ihre Idole, die Champions der Motorradrennen, zu treffen, die Fabrik zu besichtigen, das Museum zu besuchen und sich zu amüsieren.
Ducatis fast 50-jährige Rennsporterfahrung nahm ihren Anfang mit Fabio Taglioni, einem Ingenieur, der 1954 in das Unternehmen eintrat. Er führte 1956 bei den Sportmodellen die desmodromische Ventilsteuerung ein. Die Bezeichnung „desmodromic“ oder kurz „desmo“ ist bei Ducati zu einem Markenzeichen geworden. Dieses System steuert sowohl das Öffnen als auch das Schließen der Ventile durch die Nockenwelle und sorgt für höhere Leistung und Effizienz. Taglionis Nachfolger, Massimo Bordi, entwickelte die Desmoquattro und die Ducati 916. 1998 wurde ein Ducati Design Center geschaffen, das von dem preisgekrönten Designer Pierre Terblanche geleitet wird.
F&E im Fokus
Der dritte Ansatzpunkt für TPG war die Produktivität. Um sie zu steigern, wurde das so genannte DIP- Programm ins Leben gerufen – DIP steht für ‚Ducati Improvement Process‘.
„Das Programm wurde in unseren Fabriken erstmalig 1999 eingesetzt und zeigte nahezu direkt Ergebnisse“, erinnert sich Giovanni Contino, Einkaufsleiter bei Ducati. „Als nächsten Schritt wendeten wir uns an unsere Lieferanten und bemühen uns nun gemeinsam mit ihnen um höhere Effektivität. Der dritte Schritt legt den Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung.“
Die Ergebnisse all dieser Bemühungen spiegeln sich in Ducatis Geschäftsbericht für 2000 wider. Die Umsatzerlöse des Unternehmens lagen bei 700 Milliarden Lire (361 Millionen Euro) mit einer Gewinnmarge von 16 Prozent. Symbol für den Übergang vom Umwandlungsprozess zur Kontinuität war der Wechsel des Geschäftsführers im Juli 2000. Minoli wurde Vorstandsvorsitzender der Ducati Holding und Leiter des Internet-Geschäfts und gab den Geschäftsführerposten an Carlo di Biagio ab, der zuvor für das Finanz- und Rechnungswesen verantwortlich war.
Claudia Beth Flisi
a freelance journalist based in Treviso, Italy
Foto Ducati