Handelsreisen für Tee

Vor 300 Jahren schuf der Handel mit China Wohlstand und prägte die Gesellschaft in EuropaDas 18. Jahrhundert gilt als das „goldene Zeitalter des China-Handels“. Damals erlebten Europa und China die größte Expansion in ihrer Handelsgeschichte.

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Vor 300 Jahren schuf der Handel mit China Wohlstand und prägte die Gesellschaft in EuropaDas 18. Jahrhundert gilt als das „goldene Zeitalter des China-Handels“. Damals erlebten Europa und China die größte Expansion in ihrer Handelsgeschichte.

Bereits im 17. Jahrhundert segelten portugiesische, holländische und englische Händler mit ihren robusten Schiffen auf der Ostindienroute und betrieben Handel mit China. Später kamen dann die Händler vorwiegend aus Ländern wie Dänemark, Österreich und Schweden. Direkte Handelsbeziehungen waren möglich geworden, nachdem die Regierung der chinesischen Qing-Dynastie im Jahre 1684 die Handelssperren aufgehoben hatte. Der Handel konzentrierte sich auf den Hafen von Kanton im Südosten Chinas. Ende des 18. Jahrhunderts zählte Kanton nicht weniger als 70 Handelsschiffe während einer Handelssaison. Die Schiffe hatten inzwischen auch an Größe und Kapazität erheblich zugenommen.

Svenska Ostindiska Companiet (die Schwedische Ostindische Kompanie) hatte im 18. Jahrhundert einen beträchtlichen Einfluss auf den europäischen und chinesischen Handel. Sie wurde von drei Europäern gegründet – von Hendrich König, einem schwedischen Staatsbürger deutscher Abstammung, von Colin Campbell, einem schottischen Edelmann mit Erfahrungen aus der Royal Navy und der österreichischen Ostendegesellschaft, sowie von Niclas Sahlgren, dem Sohn eines vermögenden Händlers aus Göteborg in Schweden. Svenska Ostindiska Companiet erhielt 1731 ihre erste auf 15 Jahre befristete Handelskonzession, was einem Handelsmonopol gleichkam. Die nachfolgenden Handelskonzessionen erstreckten sich jeweils über 20 Jahre, bis 1806 die Reisen nach China ein Ende nahmen.

Insgesamt führte die Svenska Ostindiska Companiet im Laufe ihrer Geschichte 132 Missionen mit 37 verschiedenen Schiffen durch. Im Mittelpunkt stand stets der Handel mit Tee. Im 18. Jahrhundert wurde Tee zum Modegetränk in der europäischen Oberschicht, und die Nachfrage war enorm. Andere Produkte aus China wie Porzellan, Seide, Gewürze, Lackholzarbeiten, Keramik, Möbel und Zierrat erfreuten sich ebenfalls größter Beliebtheit. Diese Luxusgüter wurden zum Statussymbol für die High Society. Tee aus feinem chinesischen Porzellan zu trinken und das Heim mit chinesischen Importartikeln zu schmücken, wurde fortan zur neuen Sitte wohlhabender Leute. Auch chinesisch inspirierte Möbel und Raumgestaltungselemente, die als Chinoiserie bezeichnet wurden, waren äußerst begehrt.

Wettbewerbsvorteile
Durch Reexporte in andere europäische Länder konnte die Schwedische Ostindische Kompanie bis zu 100 Prozent Gewinn machen. Ihr Wettbewerbsvorteil war die Tatsache, dass Schweden zahlreiche Naturschätze und daraus gefertigte Produkte zu bieten hatte: Eisen, Holz, Feuerwaffen, Seile und vieles mehr. Diese Güter wurden im spanischen Cádiz gegen Silber eingetauscht, das dort in großen Mengen aus den spanischen Kolonien in Lateinamerika eintraf. Da China nur Silber oder Silbermünzen als Zahlungsmittel entgegennahm, konnte Schweden das in Cádiz erworbene Silber für den Einkauf von chinesischen Gütern verwenden.

Wenn die Handelsschiffe aus China zurückkehrten, wurden die Waren im Ostindienhaus in Göteborg, der Hauptverwaltung der Gesellschaft, an Händler aus anderen europäischen Ländern versteigert. Im Laufe der Jahre verblieben jedoch immer mehr Güter in Schweden. Nach Ablauf der ersten beiden Handelskonzessionen geriet Svenska Ostindiska Companiet wegen zunehmender Konkurrenz in finanzielle Schwierigkeiten und wurde schließlich 1813 aufgelöst. Damit endete die Blütezeit des China-Handels in Schweden.

Trotz ihrer relativ kurzen Existenz spielte die Svenska Ostindiska Companiet eine wichtige Rolle in der Geschichte des sino-europäischen Handels. Nach Aussage von Bengt Johansson, Experte der Generaldirektion Handel bei der Europäischen Kommission und ehemaliger schwedischer Generalkonsul in Shanghai, hatte Svenska Ostindiska Companiet während ihrer aktivsten Zeit den drittgrößten Umsatz aller europäischer Handelshäuser, die mit China Handel trieben.

Das beträchtliche Volumen des schwedisch-chinesischen Handels und die guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern trugen dazu bei, dass die Chinesen keinerlei Aggressionen gegen den Handel hegten, erklärt Johansson, der außerdem als Direktor im Schwedischen Außenwirtschaftsrat in Taipei, als Konsul im schwedischen Generalkonsulat in Hongkong und als Minister in der schwedischen Botschaft in Peking tätig war. „Wir waren nie an der Kolonialisierung von Asien beteiligt“, meint er. „Die meisten [europäischen] Länder gründeten Kolonien in Indien, Malakka und Afrika, aber uns gelang es, auch ohne eigene Kolonien dort Handel zu treiben. Es war schwierig, weil die Schiffe manchmal die gesamte Reise ohne Zwischenstopps zurücklegen mussten und die Trinkwasserknappheit zum Problem wurde.“

Aber alles in allem war der Handel eine positive Erfahrung. „Er brachte Wohlstand nach China und nach Schweden“, sagt er. „Außerdem eigneten wir uns Kenntnisse über Asien, asiatische Traditionen, chinesische Produkte und die chinesische Denkweise an.“

Verlorene Aufzeichnungen
Während seiner langjährigen diplomatischen Laufbahn in China erhielt Johansson die Gelegenheit, mit einigen Historikern der Zhongshan-Universität in Guangzhou (ehemals Kanton) zusammenzuarbeiten. Ihm fiel auf, dass es in China nur sehr wenige historische Dokumente über den Handel mit Europa gab. Der Grund dafür war, dass diese Archive in der Regel nach jeder abgeschlossenen Handelsreise zerstört wurden. Außerdem wurde ein großer Teil der offiziellen chinesischen Dokumente im Zuge des Bürgerkriegs 1947 nach Taiwan gebracht. Nach Aussage der chinesischen Historiker hatten die Hong-Händler in China (private Geschäftsleute, die vom Kaiser eine Genehmigung für den Handel mit Ausländern erhalten hatten) eine sehr große Bedeutung für die Chinesen.

Während die Europäer vom Import luxuriöser Waren und kultureller Einflüsse aus China profitierten, führte die Handelsexpansion in China zu einer Öffnung des Landes gegenüber der europäischen Welt. So hatte beispielsweise die kaiserliche Regierung in China keine Ahnung, wie es in Europa aussah oder wo die einzelnen Länder lagen, sagt Johansson. Die chinesischen Gelehrten wussten nichts über die von europäischen Wissenschaftlern und Priestern betriebene Forschung. Ihre vagen Vorstellungen über die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern änderten sich erst, als die Hong-Händler um 1750 Europa besuchten. Der mit dem Handel verbundene Gedankenaustausch trug somit auf beiden Seiten zu besseren Kenntnissen bei.

Zu den heutigen und zukünftigen Handelsbeziehungen zwischen China und Europa befragt, meint Johansson, China nehme mit großem Erfolg Industriekapazität aus allen Teilen der Welt auf. Er rechnet mit einem weiteren Anstieg der europäischen Importe aus China. Die Europäische Union, die zurzeit im China-Handel ein Defizit von rund 45 Milliarden Euro hat, plädiert für den freien Handel und strebt keine Begrenzung der China-Importe an. „Aber es ist ein Problem“, bemerkt Johansson. „Wir stehen unter dem Druck zahlreicher Branchen.“

Jörgen Gabrielson ist Geschäftsführer der heutigen Svenska Ostindiska Companiet, die für den Bau einer Rekonstruktion des Ostindienfahrers Götheborg I verantwortlich ist. Das auf den Namen Ostindienfararen Götheborg III getaufte Schiff soll 2004 nach China segeln. „Wenn es so sein soll wie im 18. Jahrhundert, werden wir bei unserer Rückkehr auch Güter aus China mitbringen“, erklärt er. „Wir wollen, dass chinesische Unternehmen, die mit europäischen Ländern ins Geschäft kommen möchten, ein wesentlicher Teil des gemeinsamen europäischen Marktes werden. Das ist wichtig, weil der gemeinsame Markt ein sehr bedeutender Markt für China werden wird. Ich glaube, dass wir mit diesem Projekt in beide Richtungen arbeiten können.“

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