Himmlische Kräfte

Durch die technische Kompetenz hat sich Enercon auch eine führende Marktposition verschafft. In Deutschland liefert das Unternehmen mehr durch Windkraft erzeugte Energie als irgendein anderer Windkraftanlagenhersteller. Dies macht Enercon zu einem der bedeutenden Akteure in der europäischen Windkraftbranche, denn Deutschland ist bei weitem Europas größter Markt. 1996 betrug die Gesamtkapazität an Windkraft in Deutschland 1.550 Megawatt und überstieg damit die an zweiter Stelle rangierende dänische Kapazität um nahezu das doppelte. In den ersten sechs Monaten 1997 nahm – verglichen mit demselben Zeitraum des Vorjahres – die durch Nutzung von Windleistung erzeugte Energiemenge um 230 Prozent zu, obgleich der Anteil an der Stromerzeugung insgesamt mit 0,3 Prozent immer noch winzig ist. Die gesamte windkraftgetriebene Energieerzeugung belief sich 1997 auf 2,7 Milliarden Kilowattstunden.
   

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Windkraft ist eine saubere und erneuerbare Energiequelle.
Der deutsche Hersteller Enercon hat eine Reihe von innovativen Windkraftanlagen zu bieten.
Ich kam hierher, um den Wind zu untersuchen“, sagt Aloys Wobben, der Gründer von Enercon, der im Emsland in Norddeutschland aufwuchs. Wie Wobben erzählt, weht dort in der leicht hügeligen Landschaft der Wind nicht ganz so heftig wie etwa in Aurich in Ostfriesland. Heute weiß er so gut wie alles über den Wind, der seine Generatoren antreibt – nicht nur in Aurich, sondern in allen Teilen der Welt. Es ist wohl vor allem seinen Fähigkeiten zu verdanken, daß Enercon eine technische Spitzenposition in diesem Sektor eingenommen hat.
   

Durch die technische Kompetenz hat sich Enercon auch eine führende Marktposition verschafft. In Deutschland liefert das Unternehmen mehr durch Windkraft erzeugte Energie als irgendein anderer Windkraftanlagenhersteller. Dies macht Enercon zu einem der bedeutenden Akteure in der europäischen Windkraftbranche, denn Deutschland ist bei weitem Europas größter Markt. 1996 betrug die Gesamtkapazität an Windkraft in Deutschland 1.550 Megawatt und überstieg damit die an zweiter Stelle rangierende dänische Kapazität um nahezu das doppelte. In den ersten sechs Monaten 1997 nahm – verglichen mit demselben Zeitraum des Vorjahres – die durch Nutzung von Windleistung erzeugte Energiemenge um 230 Prozent zu, obgleich der Anteil an der Stromerzeugung insgesamt mit 0,3 Prozent immer noch winzig ist. Die gesamte windkraftgetriebene Energieerzeugung belief sich 1997 auf 2,7 Milliarden Kilowattstunden.
   

Wobben kam zur Windenergie über die Elektrizität. Er bildete sich an der Technischen Universität in Braunschweig zum Elektroingenieur aus und spezialisierte sich trotz seines Interesses für Windkraft auf elektrische Steuerungssysteme. „Ich nahm meinen Taschenrechner hervor und rechnete aus, wieviel Leistung im Wind steckt“, erinnert sich Wobben, „aber ich konnte zunächst damit kein Geld machen.“
Technischer Durchbruch
Obgleich Enercons erste Windkraftanlagen technische Innovationen wie beispielsweise variable, an die Windverhältnisse angepaßte Rotorgeschwindigkeiten aufwiesen, erzielte das Unternehmen den entscheidenden Durchbruch erst 1992. Da führte Enercon das getriebelose E-40 Modell ein, bei dem Rotor und Ringgenerator auf einer Achse befestigt und nicht mehr wie bisher über ein Getriebe verbunden sind. Dies bedeutet, es gibt nur zwei große Lager an jedem Ende der Hauptachse, die sowohl den Rotor als auch den Generator trägt.
   

Enercons getriebeloses System hat mehrere Vorteile: Der mechanische Energieverlust ist geringer, es gibt weniger bewegliche Teile, die Betriebstemperatur weist weniger Schwankungen auf und die Anlage läuft geräuschärmer.
   

Eine weitere, bedeutende technische Neuheit war das extrem flexible Netzeinspeisesystem, das die Leistung an den Bedarf des Elektrizitätsnetzes anpaßt. Durch die elektronische überwachung und Einstellung von Spannung, Frequenz, Leistung und Leistungsfaktor können die impulsdauermodulierten Wechselrichter von Enercon schwache Netze unterstützen. Sie sind außerdem für die Verwendung in kombinierten Kraftwerken wie etwa Sonnen/Windkraftwerken oder Diesel/Windkraftwerken hervorragend geeignet.
   

Abgesehen von diesen Innovationen ist die Rotorblattkonstruktion ebenfalls kontinuierlich verbessert worden. Die Rotorblätter werden aus glasfaserverstärktem Epoxidharz von Hand hergestellt. Auch an der Aerodynamik, insbesondere der Rotorblattspitze, ist immer wieder gearbeitet worden, um die bestrichene Fläche und damit die Energieausnutzung zu optimieren sowie den Betrieb besonders geräuscharm zu gestalten. Ein von einem Mikroprozessor gesteuertes Windüberwachungssystem setzt die Rotorblätter in Gang, wenn ausreichend Wind vorhanden ist, dreht den Rotor in die entsprechende Richtung und stellt den Steigungswinkel eines jedes Blattes individuell ein, um auf diese Weise einen optimalen Anströmwinkel zu erzielen.
   

Das E-40 Modell mit einer Nennleistung von 500 Kilowatt ist derzeit das Rückrat von Enercons Produktion in Deutschland, und auch in anderen Teilen der Welt sind rund 1.100 Anlagen dieses Typs in Betrieb. Seit 1992 sind weitere Modelle hinzugekommen, die sich auf das gleiche Grundkonzept stützen. Das E-30 System (die Zahlenangabe bezieht sich immer auf den Rotordurchmesser in Metern) ist besonders flexibel. Es ist sowohl in einer Version für windreiche als auch in einer für windarme Gebiete erhältlich.
Gewaltige Verbesserung
Das Flaggschiff der Enercon-Produktion ist die E-66 Anlage, nicht nur weil sie mit 1,5 Megawatt die höchste Nennleistung hat, sondern auch weil sie mit ihrem geschmackvollen, durchdachten Design die ästhetische Gestaltung von Windkraftanlagen einen großen Schritt weiter gebracht hat. Die von dem berühmten britischen Architekt Sir Norman Foster entworfene Konstruktion hat einen Rotor, der sich wesentlich langsamer dreht als bei den übrigen Modellen, was ein ruhigeres Bild in der Landschaft vermittelt.
   

Das Wachstum von Enercon ist, ebenso wie das der anderen deutschen Windgeneratorhersteller, zum Teil auf die gesetzlichen Förderungsmaßnahmen zum Ausbau der Windenergie zurückzuführen. Seit 1991 verlangt der Gesetzgeber von den Energieversorgungsunternehmen, Elektrizität aus erneuerbaren Ressourcen abzunehmen und dafür einen bestimmten Preis zu bezahlen – bisher 17 Pfennige pro Kilowattstunde. Die Energieversorgungsunternehmen wehren sich gegen dieses Gesetz und haben Prozesse dagegen angestrengt mit der Begründung, daß es sich hierbei um eine versteckte Subventionierung handele. Sie meinen, die Kosten für Elektrizität, die aus importierter Kohle gewonnen wird (derzeit die billigste Energiequelle), liegen bei nur fünf Pfennigen pro Kilowattstunde, weswegen sie auch sonst nicht mehr zahlen wollen.
   

Aloys Wobben hat wenig Verständnis für derartige Argumente. Der Vergleich hinkt, meint er. Importierte Kohle lasse sich nicht mit in Deutschland gebauten Windkraftanlagen gleichstellen. Im ersten Fall importiere man die Luftverschmutzung durch die Kohle und exportiere Arbeitsplätze im Bergbau. Im zweiten Fall habe man keine Luftverschmutzung und gleichzeitig eine Industrie, die einigen Schätzungen zufolge etwa 10.000 Arbeitsplätze schafft. Wie auch immer, fährt Wobben fort, würde er die Windkraftanlagen von Niedriglohnländern wie Indien importieren, wo er bereits eine Fabrik besitzt, und wären die Banken bereit, eine Amortisation der Windkraftanlagen über einen Zeitraum von 20 Jahren zu akzeptieren, was der erwarteten Lebensdauer entspricht, anstatt wie bisher von zehn Jahren, könnte auch durch Windkraft erzeugte Elektrizität für rund fünf Pfennig pro Kilowattstunde angeboten werden.
   

Wobben fügt hinzu, daß die traditionellen Energiequellen bald versiegen werden. Da ist Windenergie eine naheliegende Lösung. Die große Aufgabe bestehe darin, Windenergie zum festen Bestandteil des Energiemarktes zu machen, und das hieße, daß nicht nur der Preis gesenkt, sondern auch daß Windkraft von den Banken und der Öffentlichkeit als etwas ganz normales angesehen werden müsse.
   

Enercon verdankt ihren Erfolg dem Elan und Enthusiasmus ihres Gründers Aloys Wobben. Dieser meint allerdings, er habe das Unternehmen technologisch so weit gebracht, daß es auch überleben werde, wenn ihm einmal etwas zustoßen würde. Zwischenzeitlich arbeitet Wobben weiterhin an neuen Ideen, die er jedoch erst dann veröffentlicht, wenn sie wirklich spruchreif sind. Er hat bereits seine erste windgetriebene Entsalzungsanlage auf den Kanarischen Inseln installiert und eine weitere wird bald in Griechenland folgen. Außerdem ist er zur Zeit dabei, Wechselrichter für Sonnenenergie zu entwickeln. Enercon hat also noch einiges in petto.
Michael Lawton  
Wirtschaftsjournalist in Köln

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