Himmlischer Ausblick

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Gemini-Teleskope werden bald in der Lage sein, weiter ins All zu schauen als es je in der Geschichte der Astronomie möglich war. Mit ihnen wird man sogar Staubwolken im All durchdringen und beobachten können, wie Sterne entstehenDie beiden Doppelteleskope auf dem höchsten Gipfel des Pazifikbeckens und in den Gebirgsausläufern der chilenischen Anden sind ein Meilenstein in der Geschichte der Astronomie. Das von sieben Ländern gemeinsam finanzierte Gemini-Projekt umfasst zwei 8,1-Meter-Teleskope, die den Astronomen die Möglichkeit bieten, den gesamten Himmel von einem Pol zum anderen zu betrachten. „Diese Teleskope werden zu Leistungen fähig sein, die kein anderes Teleskop je aufweisen konnte“, sagt Peter Michaud, Informations- und PR-Leiter des Gemini-Projekts. „Wir werden klarer sehen als je zuvor.“
   Gemini North in Gipfelnähe des 4.200 Meter hohen Mauna Kea auf Hawaii und Gemini South auf dem Cerro Pachón (Chile) gehören in ihrer jeweiligen Hemisphäre zu den besten Orten für astronomische Studien. Wenn die beiden Teleskope ihren Betrieb aufnehmen, werden sie dank neuer Technologien in der Lage sein, im kurzwelligen Infrarot des fernen Weltraums Objekte zu erkennen, die kleiner sind als 0,07 einer Bogensekunde (eine Bogensekunde ist der dreitausendsechshundertste Teil eines Grads). Das erreicht nicht einmal das Hubble Space Telescope mit seinem 2,5-Meter-Spiegel bei Lichtwellenlängen.

Leichtbaukonstruktion
Die beiden Gemini-Teleskope sind eine leichte und zierliche Konstruktion verglichen mit der massigen Bauweise des Palomar-Teleskops, das in den fünfziger und sechziger Jahren im Zentrum der astronomischen Forschung stand. Der konkave Hauptspiegel von Gemini hat einen Durchmesser von 8,1 Meter, aber eine Dicke von nur 20 Zentimetern. Der Spiegel empfängt Sternenlicht, das auf einen zweiten konkav geformten Spiegel cirka 22 Meter oberhalb des Hauptspiegels im Brennpunkt fokussiert wird. Der zweite Spiegel mit einem Durchmesser von etwa einem Meter reflektiert den Lichtstrahl durch eine Öffnung in der Mitte des Hauptspiegels nach unten zurück, wo er von Instrumenten erfasst, verarbeitet und schließlich über faseroptische Datenleitungen an eine Rechnerstation übertragen wird.
   Geminis Lichtempfangskapazität übertrifft die früherer Teleskopgenerationen dank des größeren Flächeninhalts des Hauptspiegels. Eine weitere Leistungssteigerung ergibt sich aus der extrem hohen Bildqualität und Infrarot-Kapazität. Mit diesen Leistungsmerkmalen ist Gemini unter den 8- bis 10-Meter-Teleskopen einzigartig.
   „Infrarot ist derzeit im wahrsten Sinne des Wortes ein heißes Thema in der Astronomie“, meint Michaud. Mit der Infrarot-Bilderzeugung können die Astronomen durch die Staubwolken im Weltraum hindurch erkennen, wie Sterne und Planeten entstehen.
   Die Infrarot-Bildtechnik bietet zudem bessere Möglichkeiten, die Expansion des Universums zu untersuchen. Je weiter sich Objekte im Weltraum von uns entfernen, desto mehr scheint sich ihr Licht in den roten Bereich des Spektrums auszubreiten. Mit dieser Bildtechnik ist es Wissenschaftlern gelungen, Galaxien davoneilen zu sehen. „Dass sich das Universum immer weiter ausdehnt, wissen wir hauptsächlich dank dieses Verfahrens“, so Michaud. „Mit der großen Apertur eines 8-Meter-Spiegels können wir weiter, schärfer und deutlicher sehen. Wir hoffen, dass wir einen besseren Einblick in die Ausdehnung und Beschleunigung des Universums bekommen werden.“

Einzigartige Leistungsmerkmale
Bei der Errichtung der Gemini-Teleskope wurde besonders viel Mühe auf die großen Spiegel verlegt. Das von Corning in New York hergestellte Glas wurde in Frankreich poliert und dann Stück für Stück vorsichtig an seinen Platz in der Kuppel des Observatoriums gebracht. Die Zeitschrift Scientific American schrieb dazu: „Kein Edelstein wurde je mit größerer Symmetrie geschliffen. Der Spiegel weist über seine gesamte Fläche keine größere Abweichung als durchschnittlich 16 Nanometer (ein Milliardstel Meter) auf…. Kein Punkt ist weiter als 140 Nanometer von der maximal erreichbaren Glätte entfernt.“
   Wenn jeder Spiegel auf die Ausmaße des Atlantischen Ozeans vergrößert würde und die geringfügigen Unebenheiten in der Oberfläche als Wellen zu erkennen wären, hätte die höchste Welle eine Höhe von etwa 30 Zentimetern. Der über 22 Tonnen schwere Spiegel wird teilweise vom Luftdruck getragen. Unterhalb des Spiegels und entlang seines Randes sorgen 180 Hydraulikzylinder dafür, dass er seine Form bewahrt. Sie sind in der Lage, Korrekturen in der Größenordnung von einem Tausendstel eines Menschenhaars vorzunehmen. Die Spiegel können überdies mit einer Silberschicht überzogen werden, um die Infrarotstrahlung, die vom Spiegel selbst ausgeht, zu verringern und das Reflexionsvermögen und damit auch die IR-Bilderzeugung zu verbessern.
   Ein Verfahren, mit dem Gemini die Bildschärfe erhöht, besteht darin, das Sternenlicht bis zu 200 Mal pro Sekunde abzutasten und den zweiten kleineren Spiegel zu rütteln, damit sich das Bild nicht bewegt. Das Licht wird anschließend mittels adaptiver Optik verarbeitet, die die Effekte von Turbulenzen noch weiter reduziert und Bilder produzieren kann, die der theoretischen maximalen Auflösung der Teleskope sehr nahe kommen.

Wissenschaftliche Zielsetzungen
Das 184 Millionen US-Dollar (423 Millionen Mark oder 217 Millionen Euro) teure Projekt wird von den USA, Großbritannien, Kanada, Chile, Australien, Argentinien und Brasilien finanziert. Da es sich um ein öffentliches Projekt handelt, kann jeder Sternenkundler aus diesen Ländern die Benutzung der Gemini-Teleskope beantragen.
   Folgende Fragestellungen hofft man, mit dem Projekt zu erforschen:

  • Wie entstehen Planetensysteme? Auf diesem Gebiet verfügt man bisher nur über rudimentäre Kenntnisse. Durch eine detaillierte Darstellung des Umfeldes von neu entstandenen Sternen können die Astronomen den Prozess der Planetenformation direkt untersuchen.
  • Wie entsteht ein Stern? Sterne entstehen in staubigen, undurchsichtigen Bereichen des Alls, die sich durch IR-Wellenlängen transparenter machen lassen.
  • Wie entstehen Quasare, punktförmige Objekte mit einer unglaublichen Leuchtkraft, und die dazugehörigen gigantischen Schwarzen Löcher, die sich vermutlich im Zentrum dieser Lichtquellen befinden?
  • Wie entstehen und entwickeln sich Galaxien? Die Gemini-Teleskope können Spektraldaten von Galaxien in einer Entfernung erfassen, wie es bisher mit den Teleskopen früherer Generationen nicht möglich war.
  • Wird es neue Richtungen in der Astrophysik geben? Neue Entdeckungen lassen sich natürlich nicht voraussagen, aber wie im Rahmen des Gemini-Projekts festgestellt wurde: „Jedes Mal, wenn massive Fortschritte bei den astronomischen Betrachtungsmöglichkeiten erzielt wurden, hat es auch fundamentale Entdeckungen gegeben, die die Richtung der astronomischen Forschung verändert haben.“

Schwierige Koordination
Einer der schwierigsten Aspekte beim Bau der beiden Gemini-Teleskope war die Integration der verschiedenen Technologien. Wie sich Michaud ausdrückt, war die Idee, „das Teleskop wie ein lebendes, atmendes Wesen arbeiten zu lassen.“ Optische Geräte, Computer, elektromechanische Systeme, Hydraulikvorrichtungen, Sensoren und Überwachungssysteme sowie die Software, die alles zusammenhält, – all dies muss koordiniert werden, damit das Teleskop auf lange Zeit hin funktioniert. „Alle Systeme müssen ineinander greifen“, erklärt Michaud. „Wenn nicht, funktioniert oft gar nichts mehr.“
   Gemini North soll Anfang 2001 seinen Betrieb voll aufnehmen. Die ersten Probeläufe mit den unvermeidlichen Korrekturen und Nachstellungen haben bereits in diesem Sommer stattgefunden. Das „erste Licht“, wie es die Astronomen nennen, wenn ein Teleskop zum ersten Mal den Himmel ins Visier nimmt, erblickte Gemini North im Januar 1999. Die Arbeiten am Gemini South Teleskop schreiten noch schneller voran. Da es sich um ein identisches Teleskop handelt, wurden die meisten Probleme, die beim Bau von Gemini North auftraten, wie beispielsweise Fehler in der Software oder in den Steuerungssystemen, bereits gelöst, erklärt Michaud. Das erste Licht ist für Ende dieses Jahres geplant und die endgültige Inbetriebnahme für das zweite Halbjahr 2001.
   Im Juni 1999 wurde Gemini North auf dem Gipfel des Mauna Kea offiziell eingeweiht. Die Zielsetzungen des Gemini-Projekts und die Hoffnungen des Mitarbeiterstabs wurden von der Vorsitzenden der US National Science Foundation Rita Colwell wie folgt zusammengefasst: „Wir stehen hier an der Schwelle von Entdeckungen, die wir uns heute nicht einmal vorstellen können. Sicher ist jedoch, dass diese Entdeckungen unseren Horizont erweitern und unseren Geist in höhere Gefilde weit über die dünne Luft hier oben hinaus versetzen werden.“
Jack Jackson  
Freier Journalist aus Amerika, stationert in Dänemark  
Fotos The Gemini Observatory

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