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Die Entwicklung der neuen Trägerrakete Vega ist ein Gemeinschaftsprojekt, bei dem jeder Partner einen wichtigen Beitrag leistet. Ende 2007 soll sie ihren ersten Flug absolvieren

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Die Entwicklung der neuen Trägerrakete Vega ist ein Gemeinschaftsprojekt, bei dem jeder Partner einen wichtigen Beitrag leistet. Ende 2007 soll sie ihren ersten Flug absolvieren

Seit dem Startdes Sputnik 1 am 4. Oktober 1957 sind immer wieder Satelliten ins Weltall geschossen worden. Heute befinden sich über 800 aktive Satelliten in der Umlaufbahn. Etwa Zweidrittel davon dienen der Kommunikation. Bei dem Rest handelt es sich um Satelliten für Navigationszwecke, militärische Überwachungsaufgaben, Erdbeobachtung, astrophysikalische und geowissenschaftliche Programme oder meteorologische Missionen. Aber trotz steigender Tendenz zu immer größeren Satelliten hat sich gezeigt, dass auch eine kleinere Trägerrakete gebraucht wird, um Satelliten mit geringerer Nutzlast in die Umlaufbahn zu befördern. Das war der Startschuss für das Vega-Projekt.

Die nur 27 Meter hohe Trägerrakete Vega mit einem Durchmesser von drei Metern und einer Nutzlastkapazität von 300 bis 2.000 Kilogramm soll 2007 ihren ersten Flug absolvieren. Der neue Träger besteht aus drei Stufen mit Feststoffantrieb und einer vierten mit Flüssigtriebwerk ausgestatteten Oberstufe. Durch Anwendung moderner kostensparender Technologien und die Nutzung der Produktionsanlagen für die Ariane-Träger, Vegas ältere Geschwister, kommt das Vega-Programm mit einem relativ bescheidenen Budget aus.

Die Vega ist ein Gemeinschaftsprojekt der italienischen Raumfahrtagentur (ASI) und der europäischen Raumfahrtagentur (ESA). Die Entwicklung begann 1998, und 2005 unterzeichneten das italienische Unternehmen ELV (European Launch Vehicle), Hauptauftragnehmer des Projekts, und der belgische Partner SABCA (Société Anonyme Belge de Construction Aéronautiques) einen Vertrag zur Entwicklung und Erprobung der Untersysteme für die Vektor-Steuerung des Abgasstrahls (Thrust Vector Control – TVC).

Als Spezialist für Raumfahrzeuge sowie militärische und zivile Luftfahrzeuge ist SABCA für diese Aufgabe eine perfekte Wahl. Zu den Kunden des Unternehmens gehören Airbus, Boeing, Dassault, EADS-ST und Arianespace.

Das TVC-System hat eine sehr große Bedeutung für die Vega, weil es die Steuerung der Trägerrakete in den entscheidenden Antriebsphasen sicherstellt. Es umfasst zwei elektromechanische Hubzylinder, eine integrierte elektronische Stromversorgungs- und Antriebseinheit, eine Batterieeinheit und einen Kabelbaum, der alle Komponenten miteinander verbindet. Die Stromversorgungs- und Antriebseinheit erhält ihre Befehle direkt vom Bordcomputer, der von der Bodenstation aus überwacht wird.

„Die Ariane 5, die neueste Trägerrakete von Arianespace, arbeitet mit herkömmlichen hydraulischen Hubzylindern. Die Vega dagegen ist mit elektromechanischen Hubzylindern ausgestattet. Für die ESA ist es das erste Mal, dass solche Komponenten verwendet werden“, erklärt Kristof Decoster, Konstruktionsingenieur bei SABCA, der sich 2004 dem Projekt anschloss. Decoster ist für die gesamte Phase von der Konstruktion bis zur praktischen Ausführung der Hubzylinder zuständig und überprüft dabei alle Elemente wie Motor, Getrieberäder, Spindel und Messsysteme auf ihre Funktionalität.

„Für Hubzylinder in Trägerraketen gelten weitaus härtere Umgebungsbedingungen“, meint Decoster. „Sie müssen extrem starke Schwingungen sowie sehr hohe Temperaturen und Temperaturschwankungen aushalten. Außerdem müssen sie für den Einsatz in einem Vakuum geeignet sein. Vor dem Start der Trägerrakete vom europäischen Weltraumflughafen in Kourou in Französisch Guyana sind die Hubzylinder überdies einem heißen, feuchten Klima mit staubiger, salziger Luft ausgesetzt, das eine korrosive Wirkung hat.“

Decoster ist der Ansicht, elektromechanische Hubzylinder seien leichter zu verwenden als hydraulische, und die Technologie sei ein erheblicher Fortschritt. „Zunächst einmal wiegen sie weniger, und jede Einsparung beim Gewicht der Komponenten, die zum Antrieb einer Trägerrakete benötigt werden, bedeutet, dass größere Nutzlasten transportiert werden können“, erklärt er. Hydraulische Hubzylinder erfordern besondere Hochdruck-Hydrauliktanks in der Trägerrakete, während elektromechanische Hubzylinder mit einer Batterieeinheit auskommen. „Außerdem verringert der Einsatz von elektromechanischen Hubzylindern den Wartungsaufwand, und die Vorbereitung des Trägers auf den Start ist ebenfalls einfacher. Das gleiche gilt für die Aufbewahrung und Prüfung. weil das gesamte System wesentlich flexibler ist“, so Decoster.

 

Die Herstellung vonKomponenten für Trägerraketen stellt extrem hohe Anforderungen an die Genauigkeit, aber mit über 40 Jahren Erfahrung in der Luft- und Raumfahrt verfügt SABCA über die notwendige Routine für solch eine Aufgabe. Die Ariane 5 hat allein im Verbindungssegment zwischen Boostern und Hauptstufe (Front Skirt) über 2.000 Schrauben, und jede muss mit einem Höchstmaß an Präzision positioniert werden, bis auf fünf Mikrometer genau. Für diese Arbeit benötigt man vier Monate. „Es ist eine enorme Verantwortung.“

Zudem bedeutet die Arbeit an einem Gemeinschaftsprojekt, an dem viele Länder mitwirken, dass sich die Probleme eines Partners auf alle anderen auswirken. Wenn ein Partner in einem Land feststellt, dass irgendetwas in seinem Teil des Projekts nicht funktioniert, müssen die anderen Beteiligten ihre Arbeit ebenfalls unterbrechen oder neu bewerten und erneut testen. Aus diesem Grund ziehen sich die Produktionszeiten so in die Länge.

Wenn die Vega schließlich ins All geschossen wird, ist es dann nicht schmerzlich zu sehen, wie das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit einfach explodiert? „Wenn sie das tut, was man von ihr erwartet, ist die Tatsache, dass sie explodiert, nicht allzu schlimm“, lächelt Decoster und Evrard fügt hinzu: „Ich glaube, jeder wird das gleiche fühlen, wenn die Vega in die Luft geht – hier fliegt mein Baby!“


Zuverlässige Rollengewindetriebe

SKF beliefert SABCA in Brüssel, Belgien, mit Rollengewindetrieben. Dieses Bauteil erfüllt in Hubzylindern eine wichtige Funktion. „SABCA und SKF arbeiten seit vielen Jahren zusammen. Es ist eine echte Partnerschaft, von der beide Seiten stark profitieren“, sagt Candide Netchenawoe, die bei SABCA in der Einkaufs- und Beschaffungsabteilung für die Raumfahrtprogramme tätig ist.

„Für uns ist es eine Frage der Teamarbeit“, meint Netchenawoe. „Ein vorrangiges Kriterium bei der Auswahl von Lieferanten ist für uns die Wettbewerbsfähigkeit. Unsere großen Kunden sind immer bemüht, ihre Kosten zu senken, und wir müssen durch unsere Lieferantenwahl das gleiche tun.“

Auch die Nähe sei wichtig, fügt sie hinzu. „Je weiter die Entfernung zum Lieferanten, desto größer die Transportprobleme. Qualität und Zuverlässigkeit sind natürlich ebenfalls von ausschlaggebender Bedeutung.“

 

 

 

 

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