Joan Higginbotham – Astronautin wider Erwarten

Am 9. Dezember 2006 trat Joan Higginbotham in der Raumfähre Discovery ihre Reise zur Internationalen Raumstation ISS an. Vier Monate später besuchte sie zusammen mit ihren Kollegen SKF in Göteborg und erzählte Evolution von ihren Erlebnissen

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Am 9. Dezember 2006 trat Joan Higginbotham in der Raumfähre Discovery ihre Reise zur Internationalen Raumstation ISS an. Vier Monate später besuchte sie zusammen mit ihren Kollegen SKF in Göteborg und erzählte Evolution von ihren Erlebnissen

Es ist ein frischer und sonniger Tagim schwedischen Göteborg. Joan Higginbotham ist mit der Besatzung der Raumfähre Discovery nach Schweden gereist und nimmt an diesem Morgen an einer Vorlesung des International Science Festival an der Chalmers Universität in Göteborg teil.

Obwohl viele gekommen sind, um Schwedens ersten Astronauten, Christer Fuglesang, zu sehen, ist es Joan Higginbotham, die am meisten auffällt. Sie ist klein, fast zierlich, und sieht mit ihrem ansteckenden Lächeln und ihrem extrem gepflegten Äußeren keineswegs aus wie ein typischer Astronaut.

Wie sie sagt, war es nie ein Traum von ihr, weder als Kind noch später als Studentin, ins All zu fliegen. Sie wollte Elektroingenieurin werden und für IBM arbeiten. Das war allerdings 1987, und IBM stellte damals keine Ingenieure ein.

„In der Zeit suchte die amerikanische Weltraumbehörde NASA Elektro- und Maschinenbauingenieure und führte an unserer Universität Interviews durch“, erinnert sich Higginbotham. „Die NASA bekam alle unsere Lebensläufe, was ich nicht wusste. Eines Tages rief mich plötzlich ein Abteilungsleiter an und bot mir zwei Stellen im Kennedy Space Center an, von denen ich mir eine aussuchen konnte.“

Zuerst dachte sie, es sei ein Scherz, aber die Person am anderen Ende der Leitung meinte es ernst.

„Ich wurde dorthin geflogen. Der Anblick der Startrampe erinnerte mich an Krieg der Sterne, und ich dachte ‚ich schaffe das’.“

Higginbotham begann also 1987 ihre Laufbahn im Kennedy Space Center in Florida als Nutzlastingenieurin in der Abteilung für Elektro- und Telekommunikationssysteme. Sie arbeitete später an der Rekonuration der Ladebucht für alle Shuttle-Missionen und testete die elektrische Kompatibilität bei allen Nutzlasten, die an Bord der Raumfähre befördert werden sollten. Astronautin zu werden, kam ihr zu dem Zeitpunkt immer noch nicht in den Sinn.

„Ich war sehr zufrieden“, erzählt Higginbotham. „Ich wurde regelmäßig befördert und kletterte die Karriereleiter hoch. Eines Tages meinte mein Chef, ich gäbe eine gute Astronautin ab.“ Sie bewarb sich schließlich als Astronautenkandidatin und wurde genommen. Im August 1996 begann sie mit der Ausbildung. Als Higginbotham am 9. Dezember 2006 zusammen mit der Besatzung der STS-116 Discovery die Reise ins All antrat, hatte sie über zehn Jahre für diesen Augenblick trainiert.

 

„Ich kann das Gefühl beimAbheben der Raumfähre einfach nicht beschreiben“, sagt sie. Ihre Hauptaufgabe im All war die Bedienung des Roboterarms der Raumstation. Ein nervenaufreibender Auftrag, erklärt sie. „Jedes Mal, wenn ich zum Einsatz kam, hatte ich eine wertvolle Last am anderen Ende des Arms. Das erste Mal war es ein Ausleger, der an der Raumstation angebracht werden sollte. Beim zweiten und dritten Mal war es ein Kollege.“

Ob nervenaufreibend oder nicht, alles ging gut, und nach zwölf Tagen, 20 Stunden und 45 Minuten war Higginbothams erste Raumfahrtmission beendet.

Würde sie es noch einmal tun?

„Natürlich! Wenn man mir morgen sagen würde, ich sollte in fünf Monaten wieder hinauf, würde ich keine Sekunde zögern“, antwortet sie spontan. „Es gibt einige Dinge, die daran so besonders sind. Für mich persönlich war es eine ziemliche Leistung, und aus einer globalen Perspektive betrachtet, diene ich meinem Land, wenn ich beim Aufbau der Internationalen Raumstation helfe. An dem Projekt sind neben den USA insgesamt 15 weitere Länder beteiligt. Auf diese Weise tragen wir unseren Teil zur weltweiten Zusammenarbeit bei.“

Higginbotham ist die dritte afroamerikanische Frau im Weltall. Auch das sei von großer Bedeutung, meint sie.

„Es gibt zahlreiche dunkelhäutige Kinder, die absolut keine Vorbilder haben. Die Menschen, die sie im Fernsehen sehen, sind Zuhälter und Drogenhändler. Diese Kinder brauchen etwas Positives in ihrem Leben. Von diesem Standpunkt aus ist das wirklich wichtig.“

 

Im Übrigen fällt es Higginbothamschwer, sich in einer Vorbildrolle zu sehen. Sie bemühe sich, ihr Leben nach drei Grundsätzen zu leben, und wenn sich jemand davon inspiriert fühle, sei das „wunderbar“.

„Zum einen versuche ich, ein guter Mensch zu sein. Das kann einem nämlich niemand nehmen“, erklärt sie. „Zum zweiten versuche ich, ein guter und produktiver Bürger zu sein, und zum dritten – und das ist am wichtigsten – versuche ich, alles zu tun, damit sich meine Eltern für mich nicht schämen müssen.“

Vor sechs Jahren starb ihr Vater, aber ihre Mutter lebt noch. Obgleich sie wegen der Raumfahrtmission ihrer Tochter ein wenig nervös war, ist sie heute extrem stolz auf sie.

„Wenn ich nicht arbeite, treibe ich gerne Sport. So kann ich mich am besten entspannen. Ich gehe mit Freunden aus. Wir gehen einkaufen oder zum Essen und plaudern miteinander. Ein ganz normales Leben. Wir sind völlig normale Menschen, allerdings mit außergewöhnlichen Jobs.“

 

 

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