Kraftvoller Strahl

Hamiltons Ziel war es, ein Boot zu bauen, das die Strömung von Flüssen, die für konventionelle propellergetriebene Boote zu flach waren, bezwingen konnte. Obwohl er schließlich den Strahlantrieb für Wasserfahrzeuge entwickelte, wies er immer wieder die Behauptung zurück, er sei der Erfinder dieses Antriebs. „Diese Ehre gebührt möglicherweise einem Herrn namens Archimedes, der vor langer Zeit lebte“, sagte er einmal 1962 in einem Interview.
   

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Der Wasserstrahlantrieb hat seit den fünfziger Jahren, als
das erste strahlgetriebene Boot einen Fluß mit 15 Kilometern
pro Stunde befuhr, eine enorme Entwicklung durchgemacht.
Heute können Jetboote innerhalb weniger Sekunden bis auf
160 Kilometer pro Stunde beschleunigen.
In Neuseeland sagen die Leute, die berühmten Hochgeschwindigkeitsboote mit Wasserstrahlantrieb würden von Schubkraft angetrieben, aber sie laufen mit Adrenalin. Darin liegt sicherlich ein Körnchen Wahrheit. Es bedarf eines kraftvollen Wasserstrahlantriebs, um diese propellerlosen Boote bis auf Geschwindigkeiten von 160 Kilometern pro Stunde und höher zu bringen, und die Besatzung dieser Boote kann nur bestätigen, daß ein Rennen durch tückische Stromschnellen und verschlungene Flachwasser in einer derartigen Geschwindigkeit den Adrenalinspiegel garantiert steigen läßt.
   

In relativ kurzer Zeit hat sich Neuseeland aufgrund der hohen Zuverlässigkeit seiner Rennboote und der außergewöhnlichen Geschicklichkeit der Fahrer bei internationalen Flußrennen an oberster Stelle plaziert. Genau diese Kombination von mechanischer Zuverlässigkeit und fahrtechnischem Können hat den Neuseeländern in letzter Zeit auch bei einer relativ neuen Disziplin dieser Sportart, dem „Jetsprinting“, beachtliche Erfolge eingebracht.
Wie alles anfing
Der Wasserstrahlantrieb wurde von dem verstorbenen Sir William Hamilton entwickelt, einem Landwirt, Erfinder und autodidaktischem Ingenieur, der auf der Südinsel Neuseelands lebte. Seine Pionierarbeit bei der Entwicklung und Perfektionierung des Wasserstrahlantriebs Anfang der fünfziger Jahre machte ihn weltberühmt.
   

Hamiltons Ziel war es, ein Boot zu bauen, das die Strömung von Flüssen, die für konventionelle propellergetriebene Boote zu flach waren, bezwingen konnte. Obwohl er schließlich den Strahlantrieb für Wasserfahrzeuge entwickelte, wies er immer wieder die Behauptung zurück, er sei der Erfinder dieses Antriebs. „Diese Ehre gebührt möglicherweise einem Herrn namens Archimedes, der vor langer Zeit lebte“, sagte er einmal 1962 in einem Interview.
   

Tatsächlich kann man sagen, daß der Grieche 250 Jahre vor Christus dem Konzept recht nahe kam, als er die manuell betriebene Schraube zur Be- und Entwässerung erfand, die in einen Hohlzylinder eingepaßt war und durch Eintauchen das Wasser zum Steigen brachte. Die Idee geriet jedoch für die nächsten 2000 Jahre in Vergessenheit. Auch im vorigen Jahrhundert experimentierten Briten, Schweden und Deutsche mit dampfbetätigten Strahlantrieben für Wasserfahrzeuge, allerdings nur mit bescheidenem Erfolg.
   

Hamilton setzte sich dagegen mit diesem alten Antriebskonzept auseinander, verbesserte es und entwickelte dann den Strahlantrieb zu einem erfolgreichen, kommerziell nutzbaren Produkt. Er wurde dabei von seinem Sohn Jon und von George Davison sowie von einer kleinen Anhängerschar unterstützt, die an das Konzept glaubte. Das Team arbeitete in einer Werkstatt, die auf der Schaffarm von Irishman Creek untergebracht war.
   

Durch immer wieder neue Versuche verbesserte man das ursprüngliche Antriebssystem, und 1954 war es soweit, daß Hamiltons erster vier Meter langer Prototyp eines Jetboots mit einem Ford 10 Motor die Strömung eines Flusses mit 15 Kilometern pro Stunde bezwingen konnte. Um Leistung und Geschwindigkeit weiter zu erhöhen, wurden schließlich die erste Kreiselpumpe mit senkrechter Welle, Direktantriebssystem sowie Zweistufen- und Dreistufen-Axialtriebwerke entwickelt, die die ineffektiven Winkelgetriebe ersetzten.
   

Eine erhebliche Leistungssteigerung erzielte man auch dadurch, daß der Schubstrahl nun oberhalb statt wie bisher unterhalb der Wasserlinie ausgestoßen wurde. Innerhalb von vier Jahren erreichten die ersten serienmäßig gebauten Jetboote, die von 65 PS Motoren vom Typ Ford 6 mit Zweistufen-Axialtriebwerk angetrieben wurden, eine Geschwindigkeit von bis zu 45 Kilometern pro Stunde.
   

Heute erreichen stromlinienförmige Boote, die von hochmodernen Motoren mit einem unersättlichen Durst auf Flugbenzin angetrieben werden, Geschwindigkeiten von über 165 Kilometern pro Stunde. Ebenso leistungsstark sind auch die Jetsprint-Boote, die jedoch mehr auf rasche Beschleunigung spezialisiert sind: z.B. von Null auf 125 Kilometer pro Stunde in weniger als drei Sekunden.
   

Auch die Tourismusbranche entdeckte schnell die Vorzüge dieser Gefährte. Heute bieten Booteigner im ganzen Land Besuchern die Gelegenheit, eine haarsträubende Flußfahrt zu erleben, die ab und zu durch die unvermeidlichen „Hamilton turns“ – ein Manöver, bei dem sich das Boot um 360° auf der Stelle dreht – unterbrochen wird.
   

Neuseeländische Boote und Bootsfahrer haben auch wiederholt an gemächlicheren Aktivitäten teilgenommen, die auf einigen der größten Flüsse der Welt stattfanden, wie etwa auf dem Colorado River (USA), dem Kongo (Kongo) und dem Mekong (Vietnam). 1977 beteiligte sich ein neuseeländisches Boot als Unterstützungsboot an Sir Edmund Hillarys Expedition „Sea to the Sky“ auf dem Ganges in Indien. Dabei wurde eine Strecke von 1.800 Kilometern vom Flußdelta bis auf eine Höhe von nahezu 1.200 Metern zurückgelegt.
Internationale Wettbewerbe
Gleichzeitig bemühte sich in Neuseeland die wachsende Schar von Rennbootenthusiasten, die sich auf Flußrennen spezialisiert hatten, um eine Teilnahme an internationalen Wettbewerben. In den siebziger Jahren fanden in Mexiko eine Reihe von jährlichen Marathonrennen auf dem Rio Balsas statt, die Fahrer von Nordamerika und Neuseeland anlockten. Alle außer zwei dieser Wettbewerbe wurden von neuseeländischen Mannschaften gewonnen.
   

Die fünftägigen Marathonrennen wurden schließlich 1978 von der Union Internationale Motonautique (UIM) als Weltmeisterschaft anerkannt und werden seitdem nach einem rotierenden Schema auf mexikanischen, kanadischen, neuseeländischen und amerikanischen Flüssen abgehalten. Von den bisher vergebenen 20 Weltmeisterschaftstiteln errangen neuseeländische Fahrer insgesamt zwölfmal den begehrten Preis, einige von ihnen mehr als einmal.
   

Was das Interesse der Öffentlichkeit für diesen Sport betrifft, so ist der stärkste Zuwachs beim Jetsprinting zu beobachten. Die Idee dazu kam im Zusammenhang mit den Slalomwettbewerben Anfang der achtziger Jahre auf, bei denen sowohl Boote als auch Fahrer auf schwierigen Rennstrecken mit eng gesteckten Toren getestet wurden.
   

„Es ist ein bißchen wie ein Rennen durch ein mit Wasser gefülltes Labyrinth“, sagt der Weltmeister von 1997, Peter Caughey aus Christchurch in Neuseeland. Caughey fährt ein spezialkonstruiertes Boot in Leichtbauweise mit einem extrem leistungsstarken Hamilton 212 Sprint-Triebwerk, das von einem kompakten, hochvolumigen Chevrolet-Motor mit einer Leistung von bis zu 900 PS angetrieben wird.
     

1989 wurde auch Jetsprinting als Sportart für internationale Meisterschaften anerkannt. Bisher gingen alle Meisterschaftstitel in dieser Disziplin nach Neuseeland.
   

Zwischenzeitlich werden schon 4000-PS-Versionen des Hamilton-Triebwerks mit 810-mm-Impellern für kommerzielle Zwecke gebaut, die Fähren, Leichter, Touristikboote sowie militärische Wachboote in den verschiedensten Ländern von Grönland bis zur Antarktis antreiben. Andere Unternehmen, darunter die Firma KaMeWa in Schweden, bauen zur Zeit gewaltige Triebwerke mit einem Durchmesser von 1,8 Metern, die für riesige Fähren vorgesehen sind. 1992 rüstete KaMeWa die sardische Motorjacht „Destiero“ mit einem Strahlantrieb aus, die dann den Atlantik in 58 Stunden und 34 Minuten überquerte und damit den bisherigen Rekord um 20 Stunden unterbot.
   

Auch wenn die neuseeländischen Triebwerke nicht zu den größten der Welt zählen, sind sie seit Hamiltons revolutionärem Durchbruch im Jahre 1954 in ihrer Entwicklung enorm weit fortgeschritten.
Les Bloxham  
Journalist und Autor in Christchurch, Neuseeland

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