Lokal sein – oder scheinen – ist wichtig
Die Globalisierung ist ein Phänomen, das internationale Märkte näher zusammen rücken lässt. Beim Marketing spielen jedoch die Landesgrenzen und kulturelle Eigenheiten immer noch eine ganz entscheidende Rolle
Die Globalisierung ist ein Phänomen, das internationale Märkte näher zusammen rücken lässt. Beim Marketing spielen jedoch die Landesgrenzen und kulturelle Eigenheiten immer noch eine ganz entscheidende Rolle
Die Globalisierung ist nicht mehr aufzuhalten. Darüber sind sich wohl alle einig. In der heutigen Marktsituation, die von rasch fortschreitenden Globalisierungsbestrebungen gekennzeichnet ist, kommt es jedoch für internationale Anbieter immer mehr darauf an, auch Produkte mit landesspezifischer Prägung bereitzustellen, denn die Verbraucher verlangen danach. Einige nennen es eine Gegenreaktion auf die Globalisierung. Selbst große Unternehmen bemühen sich inzwischen um lokale Anpassung. Anderenfalls stoßen sie auf ihren neuen Märkten auf Ablehnung.
Während der Fußballweltmeisterschaft 2006 wurde Coca-Colas argentinische Fernsehwerbung („Everyone and everything, crazy for Argentina“) im benachbarten Paraguay nahezu wörtlich übernommen („Everyone and everything, crazy for Paraguay“). Thema und Botschaft dieser Coca-Cola-Werbung vermittelten den Eindruck eines lokalen Unternehmens, das die eigene Mannschaft anfeuert. Niemand schien daran Anstoß zu nehmen.
„Landesgrenzen und kulturelle Eigenheiten spielen in der Werbung immer noch eine ganz entscheidende Rolle, egal ob sie sich an Verbraucher oder an Unternehmen wendet“, meint Carl-Axel Engdahl, Professor für Betriebswirtschaft an der Kgl. Technischen Hochschule in Stockholm, Schweden. „Globalisierung ist sicherlich ein wichtiger Teil, aber die Welt ist noch nicht hundertprozentig an diesem Punkt angekommen.“
Engdahl ist Autor des Buches International Marketing – from a global perspective, eine Art praktisches Handbuch für Unternehmen, die Akquisitionen im Ausland oder die Lancierung ihrer Produkte auf einem neuen Markt planen. Viele seiner Studenten wie Stefan Persson, Vorstandsvorsitzender von H&M, und Ulf Spendrup von der Spendrup-Brauerei leiten heute schwedische Industrieunternehmen unterschiedlichster Branchen.
Engdahl, ein angesehenerAkademiker, kennt unzählige Beispiele für erfolgreiche und weniger erfolgreiche Marketingmaßnahmen. Eine davon war Volvos supermoderne interaktive Website für Nordamerika, die den Besuchern die Möglichkeit bot, die Farbe ihres virtuellen Autos beliebig zu ändern.
„Gute Produkte verkaufen sich manchmal von selbst“, sagt Engdahl.
Zum Thema Landesgrenzen erklärt Engdahl, für große multinationale Unternehmen sei es wichtig, ihren landesspezifischen Websites eine lokale Prägung zu verleihen und sie in die jeweilige Landessprache zu übersetzen.
„Mein bester Rat für ein Unternehmen ist, den richtigen Namen zu wählen“, sagt Engdahl. „Das kann für die Zukunft von großer Bedeutung sein.“
Ein aktueller Fall ist das China-Engagement des amerikanischen Online-Auktionshauses eBay, das Ende 2006 seine chinesische Website einstellte und mit seinem ehemaligen Rivalen EachNet ein Joint Venture startete. Seit 1999 hatte eBay versucht, den chinesischen Markt mit einem Konzept zu erobern, das in den USA funktionierte. Die chinesischen Kunden zeigten sich jedoch alles andere als zufrieden.
Dann tauchte Taobao,eine konkurrierende Website, auf. Taobao befindet sich in Besitz von Alibaba. 40 Prozent der Anteile von Alibaba gehören Yahoo. Mit einem Gesamtumsatz von über einer Milliarde US-Dollar im vergangenen Jahr, eine Steigerung um 800 Prozent gegenüber 2005, schlägt Taobao den chinesischen Ableger von eBay um Längen.
Alibaba ist inzwischen mit mehr als 500.000 Besuchern täglich der weltweit größte Online-Handelsplatz für den Business-to-Business-Sektor. Mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen als wichtigste Zielgruppe gibt Alibaba beispielsweise einem kleinen Spielzeughersteller in China die Möglichkeit, direkt an ein großes Spielwarengeschäft in New York zu verkaufen.
„Wie konnte das passieren?“, fragt Qing Liu, ein chinesischer Student von Engdahl. „Nun, zunächst einmal treffen einheimische Akteure oft besser den Geschmack und die Vorlieben der Kunden als ihre globalen Konkurrenten. Hinzu kommt, dass der Name ‚Taobao’, der auf Chinesisch ‚nach Schätzen graben’ bedeutet, einfach den Kunden stärker in den Mittelpunkt rückt.“
Laut iResearch, ein Online-Marktforschungsunternehmen in Shanghai, erzielt Taobao eine höhere Kundenzufriedenheitsquote als eBays EachNet, genauer genommen 77 Prozent gegenüber 62 Prozent.
„Je besser die Kundenbeziehung, desto treuer sind die Kunden“, meint Liu.
Trotz der Bedeutung einer lokalen Prägung auf ausländischen Märkten – Toyota bezeichnet sich in einigen Marketingaktionen als amerikanisches Unternehmen – haben Konzerne wie DaimlerChrysler, Hewlett-Packard und Walt Disney eine Strategie eingeschlagen, um sich der Welt in einer globalen Markenkampagne mit einem einheitlichen Gesicht zu zeigen.
„Die Frage ‚global oder lokal’ gehört zu den ältesten Problemen der Industrie und ist bisher nicht gelöst worden“, schrieb Eric Pfanner im Herald Tribune im August 2006.
Wie Pfanner berichtet, bat DaimlerChrysler die Werbeagentur BBDO, für die neue C-Klasse von Mercedes-Benz eine einheitliche globale Kampagne zu erarbeiten. Hewlett-Packard startete 2006 eine globale Werbekampagne für seine PC-Sparte, und Disney folgte dem Beispiel mit einer globalen Kampagne für seine Themenparks.
Globale Aktionen, richtig ausgeführt, können zweifellos Geld sparen und eine große Wirkung erzielen. Für jeden Markt eine Werbeagentur und eine eigene Botschaft – das kostet Geld. Eine Möglichkeit ist, globale Kampagnen mit einem landesspezifischen Inhalt an den lokalen Markt anzupassen, wie es Coca-Cola während der Fußball-WM tat.
Die meisten Werbekampagnenhaben heutzutage irgendeine Form von Online-Präsenz. Durch die enorme Popularität der Social Networking- und Video Sharing-Websites von Anbietern wie MySpace und YouTube und die Millionen von Blogs und Podcasts zu allen möglichen Themen werden Werbeanzeigen und Videos rasch zu einem globalen Phänomen, das eine Vielzahl von Menschen erreicht, wenn es den richtigen Nerv trifft – ob gut oder schlecht.
Ende Januar 2007 wurde bekannt, dass BBC, NBC und CBS kurze Ausschnitte ihrer Programme über YouTube (im Besitz von Google) senden werden. Online-Videowerbung soll 2008 ein Volumen von über einer Milliarde US-Dollar erreichen. Ein Großteil davon wird voraussichtlich von TV-Werbebudgets kommen, obwohl noch nicht feststeht, wie das genau vor sich gehen soll.
Werden YouTube-Besucher gezwungen sein, sich zunächst Werbung anzuschauen, bevor sie die David Letterman-Show sehen dürfen? Schon heute ist es auf einigen Websites üblich, dass der Besucher zuerst Werbung über sich ergehen lassen muss, bevor er Zugang zu dem gewünschten Inhalt erhält. Halten Sie sich auf dem Laufenden!

