Marsstaub vom Winde verweht

Warum wird Marsstaub durch die Luft getragen, obwohl das eigentlich unmöglich ist? Die Antwort findet man in einem Windkanal in Dänemark

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Die Reise von der Erde zumMars dauert etwa sechs Monate. Die Wissenschaftler an der Universität im dänischen Århus brauchen dafür nur wenige Sekunden. Sie schauen ganz einfach durch die Bullaugen in den Windkanal ihres Forschungslabors

Der Windkanal, das zentrale Element des Mars-Simulationslabors (Marslab) der Universität, erinnert an eine Laserwaffe aus einem alten James Bond Film. Er ist weltweit der einzige Windkanal, der ’Marsstaub’ bei geringen Windgeschwindigkeiten (fünf bis zehn Meter pro Sekunde) in ständiger Bewegung halten kann.

Das Labor wurde von einem Team aus Biologen, Chemikern, Geologen und Physikern aufgebaut, die alle an der Erforschung des roten Planeten arbeiten. An der Eingangstür zum Marslab hängt ein großes Mars-Poster. „Nur damit Sie wissen, wo Sie sind“, sagt der Physiker, Jon Merrison, lächelnd. Er ist einer der verantwortlichen Forscher des Labors. Drinnen deutet er auf die dünne rötliche Staubschicht auf dem Fußboden und erklärt: „Man kann es auch daran erkennen.“

Der Staub scheint alle Flächen im Labor zu bedecken. Auf den Arbeitsbänken liegen überall Schläuche, Spulen, blanke Gegenstände, zerknitterte Isolierfolien und Werkzeuge herum.

Marsstaub beschäftigt die Forscher. Sie glauben, wenn sie erst einmal dem Geheimnis seiner seltsamen Eigenschaften auf die Spur gekommen sind, können sie auch andere Rätsel dieses Planeten lösen, so etwa die Frage, ob es dort Leben gibt oder ob der Mars einmal wie die Erde war.

 

Marsstaubpartikel haftenan allem, auch aneinander. Der Staub ist die größte Umweltgefahr auf dem Mars. Alles, was auf dem roten Planeten landet, ist nach kürzester Zeit mit diesem feinkörnigen, magnetischen, elektrostatischen Pulver bedeckt. Der Staub verursacht mechanische, chemische, optische und elektrische Schäden und stellt eine große Gefahr für Messinstrumente auf dem Mars dar.

„Wenn wir je Menschen auf den Mars schicken sollten, müssen wir ihre Lebensräume frei von diesem Staub halten“, erklärt Merrison. „Man wird ihn nicht mehr los, wenn man ihn auf die Kleidung oder Haut bekommen hat. Es ist wirklich ein unangenehmes, klebriges Zeug, und definitiv nicht gut für die Lunge.“

Marsstaub besteht hauptsächlich aus rötlichem Eisenoxid (Rost). In einem Wald in der Nähe des Mars­lab ist ein Sediment zu finden, das dem Marsstaub sehr ähnlich ist. Merrison hält eine Schale hoch, deren Inhalt wie Kakaopulver aussieht. Es handelt sich jedoch um Staub aus diesem Wald. „Wir nehmen das als Referenzmaterial“, sagt er. „Die Standard-Marsstaubentsprechung der NASA (nach dem US-Raumfahrtprogramm) ist anders. Sie holen ihren Staub vom Gipfel eines Vulkans auf Hawaii, und seine Farbe ähnelt mehr dem Marsstaub. Unserer ist allerdings feiner und gibt uns somit eine realistischere Körngrößenverteilung. Auch die magnetischen Eigenschaften sind näher an denen des Marsstaubs.“ Ein Aspekt der Windkanalforschung ist die Klärung der Frage, warum der Marsstaub so leicht vom Wind erfasst wird.

 

Der torpedoförmigeWindkanal beherrscht das Labor. Er ist so konstruiert, dass eine Probe Marsluft, hauptsächlich bestehend aus Kohlendioxid bei einem Prozent des Erdluftdrucks, unendlich zirkulieren kann (siehe Kasten „Konstruktionsverbesserung“ nebenan).

„Abgesehen von uns verfügt nur noch die NASA über einen Mars-Windkanal“, erzählt Merrison. „Das Besondere an unserem ist, dass wir sehr niedrige Wind­geschwindigkeiten einstellen und daraus bestimmte Beobachtungen ableiten können. Wir können bei unseren Experimenten denselben Staub mehrmals verwenden und somit analysieren, wie sich die Eigenschaften des Staubs beim Herumwirbeln verändern.“

Marslab sei dank seiner Windkanalforschung des Rätsels Lösung sehr nahe, warum sich Marsstaub auf diese Weise verhält, sagt Merrison. Die magnetischen und elektrostatischen Eigenschaften der winzigen Körner bewirken, dass sie sich gegenseitig anziehen und zusammenklumpen. Der Wind erfasst diese „Staubklumpen“, die an Sand erinnern, jedoch viel leichter und feiner sind. Wenn sie auf eine Fläche aufprallen, zerfallen sie wieder in einzelne Körner.

Merrison und seine Forscherkollegen konstruierten vor einiger Zeit eine Reihe von Windsensoren in der Hoffnung, dass diese bei zukünftigen Marsmissionen zum Einsatz kommen werden – das höchste Ziel von Marslab.

„Die herkömmlichen Windmesser funktionieren sehr gut auf der Erde, aber der niedrige Luftdruck auf dem Mars in Verbindung mit der extremen Hitze und Kälte bewirkt, dass sie ungenau werden“, erklärt er.

„Es muss einfach sein“, betont Merrison. „Fast alle wirklich gute Ideen basieren auf einfachen Konzepten. Die Erkundungsfahrzeuge haben nicht jede Menge Platz an Bord, und zusätzliche Ausrüstung ist im Grunde nicht erwünscht. Wenn man will, dass ein Gerät auf eine Mission mitgenommen wird, darf es nicht irgendetwas anderes gefährden. Außerdem soll es nahezu nichts wiegen.“

 

Er weist auf einigeandere Prototypen dieses „Telltale“-Windsensors hin, die aus Folie und Federn bestehen. Marslab hofft, dass sein „Telltale“-Sensor an Bord der nächsten NASA-Landekapsel installiert sein wird, die 2007 ins All geschossen werden soll. Für die Europäische Raumfahrtbehörde, ESA, entwickelt das Labor einen komplizierteren, aber trotzdem nach wie vor überraschend simplen Windmesser, der bei der nächsten Mission 2011 eingesetzt werden soll. Er misst durch Aussenden von drei Laserstrahlen die Windgeschwindigkeit und –richtung, auch erfasst er Staub und dessen elektrische Ladung. Beim vierten Prototyp des Lasers können die Marslab-Wissenschaftler Veränderungen in der Werkstatt vornehmen und die Ergebnisse sofort sehen. „Das Großartige an einem Windkanal direkt vor Ort ist, dass man eine Idee, die einem morgens eingefallen ist, schon nachmittags testen kann“, meint Merrison.


Konstruktionsverbesserung

Der Windkanal von Marslab besteht im Wesentlichen aus einem Hohlzylinder, der von einer äußeren Schale umgeben ist. Der Hohlzylinder ist an einem Ende mit einem Gebläse ausgerüstet, das Luft durch den Zylinder bläst. Die Luftströmung trifft auf der rückwärtigen Wand auf und wird dann außerhalb des Innenzylinders zurückgeleitet, bis sie schließlich vom Gebläse wieder angesaugt wird.

Die Maschinerie darf unter keinen Umständen mit dem ultrafeinen magnetischen, elektrostatischen Staub in Berührung kommen und muss einer geschlossenen Atmosphäre standhalten, die sich sehr schnell erwärmt und abkühlt. Der erste Windkanal von Marslab aus dem Jahr 1999 hatte Probleme mit diesen Faktoren.

2003 lieferte SKF Hybrid-Rillenkugellager für eine neue Version dieser Anlage vom Typ 6206 HC4. Diese Lager ermöglichten eine zweckmäßigere Konstruktion des Windkanals, höhere Windgeschwindigkeiten und eine generelle Verbesserung. „Sie machen einen großen Unterschied aus“, meint Jon Merrison von Marslab.

Der nächste Schritt wird eine größere Version des Windkanals sein, sagt er. „Wir könnten dann die Luftströmung wesentlich besser steuern und uns im Inneren der Kammer bewegen. Wir wären sogar in der Lage, eine Mars-Landekapsel dort zu plazieren und alles direkt vor Ort auf Staubverträglichkeit zu testen.

 

 

 

 

 

 

 

 

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