Mechatronik – Kraftstoffeinspritzung bis Roboterfußball
Einige rühmen sie als die Maschinenbautechnik des 21. Jahrhunderts. Andere haben ihr Potenzial noch gar nicht erkannt. Die Mechatronik hat bei uns Einzug gehalten, und Experten behaupten, sie werde unsere heutigen Vorstellungen von Maschinen und wie wir sie bauen, verändern.Noch vor zehn Jahren war der Begriff ‚Mechatronik‘ weitgehend unbekannt. So veröffentlichte das Journal of the Institute of Electrical and Electronics Engineers 1994 einen Artikel mit der Überschrift „Mecha….what?“, über das Phänomen. Heute haben Unternehmen wie Bosch, Honda und Delphi eigene Mechatronik-Divisionen, und Universitäten in allen
Teilen der Welt bieten spezielle Mechatronik-Seminare an.
Einige rühmen sie als die Maschinenbautechnik des 21. Jahrhunderts. Andere haben ihr Potenzial noch gar nicht erkannt. Die Mechatronik hat bei uns Einzug gehalten, und Experten behaupten, sie werde unsere heutigen Vorstellungen von Maschinen und wie wir sie bauen, verändern.Noch vor zehn Jahren war der Begriff ‚Mechatronik‘ weitgehend unbekannt. So veröffentlichte das Journal of the Institute of Electrical and Electronics Engineers 1994 einen Artikel mit der Überschrift „Mecha….what?“, über das Phänomen. Heute haben Unternehmen wie Bosch, Honda und Delphi eigene Mechatronik-Divisionen, und Universitäten in allen
Teilen der Welt bieten spezielle Mechatronik-Seminare an.
Unter mechatronischen Systemen versteht man in der Regel mechanische Vorrichtungen mit intelligenter Steuerungselektronik. Ein Pilot bewegt den Steuerknüppel, ein Bordrechner erfasst die Bewegung und befiehlt einem hydraulischen Betätigungselement, eine Klappe an der Tragfläche anzuheben. Das einstige komplexe System aus Kolben, Hebelgestängen und Seilzügen wird durch mechatronische Systeme bestehend aus Sensoren, Mikroprozessoren, elektronischen Aktuatoren und anderen Komponenten ersetzt, die einfacher, leichter und intelligenter sind.
In der Luftfahrtindustrie haben sich „Fly-by-wire“-, „Drive-by-wire“- und andere „by-wire“-Technologien einen festen Platz erobert und auch in anderen Bereichen tauchen sie zunehmend auf. Im Automobilbau ersetzt beispielsweise eine elektronische Drosselklappe in praktisch allen Fahrzeugen die mechanische Verbindung zum Einspritzsystem.
„Durch „by-wire“-Übertragung von elektronischen Signalen ist es wesentlich einfacher, die Daten in das elektronische Motormanagementsystem zu integrieren“, erklärt Roger Bishop, Redakteur der technischen Fachzeitschrift European Automotive Design. „Das hat große Vorteile für die Abgasreduzierung, Kraftstoffeinsparung und Leistungsoptimierung.“
Nur Gesetzgebung und Marktakzeptanz stehen den beiden nächsten großen „by-wire“-Applikationen in der Kfz-Industrie im Wege: „Steer-by-wire“ und „Brake-by-wire“. Die derzeitigen Gesetze schreiben eine feste Verbindung zwischen den Komponenten des Lenksystems vor, aber eine Industriegruppe arbeitet zurzeit an einer neuen europäischen Gesetzgebung, sagt Bishop. „Eine der großen Fragen im Hinblick auf diese Technik ist, ob die Autofahrer sie akzeptieren“, meint er. „Und wann.“
Allgemein bietet die Mechatronik höhere Produktivität und Qualität sowie niedrigere Betriebskosten, mehr Sicherheit, höhere Effizienz und größere Flexibilität, als man mit mechanischen und hydraulischen Konstruktionen allein erreichen könnte.
Der potenzielle Markt ist gigantisch. Analysten in den USA schätzen, dass „drive-by-wire“-Untersysteme bis 2010 ein Marktvolumen von 21 Milliarden Euro erreichen werden.
Einer Untersuchung zufolge, die 2001 mit Unterstützung des Economist durchgeführt wurde, soll allein der Trend zur Fabrikautomatisierung den Mechatronikmarkt von 87 Milliarden Euro im Jahre 1997 auf 210 Milliarden Euro 2008 ansteigen lassen.
Grenzen verwischen
Die Mechatronik zwingt den Technikern des 21. Jahrhunderts eine neue Denkweise auf. „Die Grenzen zwischen verschiedenen Disziplinen verwischen mehr und mehr“, sagt Okyay Kaynak, Leiter des Bereichs Mechatronik bei der UNESCO (the United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation) und Professor an der Bogazici Universität in Istanbul.
Eine Entwicklung auf breiter Front bedeutet, dass man nicht nur die Grenzen seiner eigenen Disziplin, sondern auch die anderer Fachgebiete kennen sollte, meint er. Ein Maschinenbauer muss die Grenzen der Software und ein Software-Entwickler die Grenzen des Maschinenbaus kennen.
Leider verwenden die verschiedenen technischen Disziplinen keine Standardsprache, bedauert Jelm Franse, stellvertretender Leiter des Centre for Industrial Technology (CFT) von Philips in den Niederlanden:
„So benutzen Maschinenbauer und Chemieingenieure verschiedene Symbole für Steifigkeit. Sie haben also völlig unterschiedliche Bezugsrahmen, die sie in Lösungen einbringen.“
„Allein schon die Ansichten darüber, ob ein System als schnell zu bezeichnen ist, gehen zwischen Maschinenbauern und Elektronikern weit auseinander“, erklärt Franse.
„Für einen Maschinenbauer ist eine Anlage, die bis zu 1.000 Hertz bewältigen kann, ein sehr schnelles System, während der Elektroniker an Datenverarbeitungsgeschwindigkeiten in der Größenordnung von Mega- oder sogar GigaHertz gewöhnt ist.“
„Das bedeutet, dass man diese Leute ausbilden muss, damit sie die Unterschiede und die daraus resultierenden Möglichkeiten verstehen und dann eine gemeinsame Sprache entwickeln.
Erst dadurch lassen sich potenzielle Synergien erkennen.“ Philips CFT schickt seine Mechatronik-Fachleute zu Seminaren, damit sie ein übergreifendes „Mechatronik-Esperanto“ lernen, das von dem Unternehmen entwickelt wurde und für alle Bereiche zu verwenden ist. „Der Aufbau dauert Jahrzehnte“, fährt Franse fort.
RoboCup
Wie Kaynak sagt, gehört zu den interessantesten Aspekten der interdisziplinären Teamarbeit die Entwicklung der komplexen Entscheidungsprozesse, die es Maschinen ermöglichen, sich anzupassen und auf verschiedene Umgebungsbedingungen und –parameter zu reagieren. Einige der bahnbrechendsten Entwicklungen sind bei den fußballspielenden Robotern zu beobachten, die sich in einer globalen Liga zusammengeschlossen haben.
Beim RoboCup 2002 versammelten sich 127.000 Personen in einer Sportarena im japanischen Fukuoka, um Roboter in jeder Form – von beräderten Konstruktionen bis zu zweibeinigen humanoiden Gestalten – bei ihrem sensorgesteuerten Wettbewerb zu beobachten. Zwar waren viele „Teilnehmer“ das Werk von Universitätsstudenten, aber auch multinationale Unternehmen beteiligten sich an dem jährlichen Wettkampf, darunter Philips aus Holland.
„Mehrere Enthusiasten wollten ein Team bei Philips CFT aufbauen“, berichtet Franse. Anfänglich hatte das RoboCup-Team sein Wissen von CFTs technologischem Entwicklungsprogramm bezogen, aber „jetzt fangen wir an, von unserem RoboCup-Bereich zu lernen“, fügt er hinzu.
Die Roboter müssen individuell ebenso wie als Team lernen. Daten von stark variierendem Charakter müssen verknüpft werden, um Entscheidungen zu treffen.
„Wenn sich ein Ball in der Luft befindet, muss der Roboter erkennen, dass dies ein Ball und kein Kopf ist. Anschließend muss er entscheiden, was er tun soll. Dies erfordert eine wirksame Analyse und Integration von Informationen verschiedener Untersysteme mit einer sehr, sehr großen Bandbreite. Unser RoboCup-Bereich hat unseren Fähigkeiten bei der Integration von Visionssystemen (vision-integration capability) eine völlig neue Dimension verliehen.
Es hat dazu geführt, dass wir ein System zur visuellen Verarbeitung von Bewegungsinformationen (motion-vision system) entwickelt haben. Dadurch sind wir jetzt eher in der Lage, elektronische Bauteile auf variable Oberflächen wie etwa flexible Folien in Echtzeit zu platzieren“, meint Franse abschließend.
Die RoboCup-Organisatoren haben das Ziel, die Fußballweltmeister 2050 mit einem Team von Robotern zu schlagen. „Wenn Sie glauben, das sei abwegig, denken Sie nur einmal zurück, wo wir vor 50 Jahren standen“, erinnert Kaynak.