Mehrwert Service – ein neuer Weg zum Gewinn

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Der bloße Verkauf eines Produktes, und sei es noch so außergewöhnlich, reicht nicht mehr. Die Kunden erwarten heute Zusatzleistungen, und erfolgreiche Unternehmen bieten sie anAlfa Laval Brewery Systems war früher in Lateinamerika nur als Lieferant von Brauereianlagen bekannt. In einigen Ländern hatte das Unternehmen sogar einen schlechten Ruf, weil es schwierig war, für die Alfa-Laval-Anlagen einen Wartungsdienst zu bekommen.
   Inzwischen ist Alfa Laval in Ländern wie Brasilien mit einem Marktanteil von 75 Prozent der eindeutige Marktführer. Einige Brauereien reißen sich regelrecht um Alfa-Laval-Anlagen und sind sogar bereit, etwas mehr dafür zu zahlen. Große Brauereigesellschaften wie Heineken engagieren überdies Alfa Laval für die Wartung ihrer Anlagen, darin eingeschlossen die Maschinen und Geräte von konkurrierenden Herstellern.
   Der Grund für den Meinungsumschwung des Marktes war, dass Alfa Laval sich auf Kundenzufriedenheit und den Aufbau von langfristigen Beziehungen konzentriert hat. „Viele Unternehmen sind erpicht darauf, neue Maschinen zu verkaufen, aber beim Kundendienst scheitern sie“, sagt Guy Celis, verantwortlich bei Alfa-Laval in den USA für den Bereich Brauereisysteme.
   Das Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, Servicepakete zu verkaufen, bei denen der Kunde einen über zehn Jahre laufenden Vertrag für die komplette Wartung sämtlicher Anlagen abschließt und dafür an Alfa Laval einen festen Preis zahlt. „Für uns lohnt sich das in jeder Hinsicht“, meint Celis.
   Die Kunden brauchen keine eigenen Wartungstechniker mehr, „und dank des Zehnjahresvertrags lassen sich die Wartungskosten exakt berechnen“, fügt er hinzu. „Früher war es so, dass eine größere Betriebsstörung für den Kunden eine erhebliche Investition bedeutete. Diese Verantwortung tragen wir jetzt.“
   In den zwei Jahren seit Einführung des Programms sind die Umsätze im After-Sales- und Servicebereich bei Alfa Laval von sechs auf über zehn Prozent des gesamten Absatzvolumens gestiegen.
   „Für Produkte, die komplett mit Service und Support angeliefert werden, sind viele Unternehmen gern bereit, etwas mehr zu zahlen“, sagt Jeffrey Lewin, Leiter des Fachbereichs Marketing an der Wirtschaftsfakultät der Western Carolina University
   „Das Problem aus der Sicht des Verkäufers besteht heutzutage darin, dass es Konkurrenten wie Sand am Meer gibt und dass alle Kernprodukte im Wesentlichen gleich sind“, meint Lewin. „Wenn eine Produktdifferenzierung durch Leistungsmerkmale und Vorzüge nicht möglich ist, bleibt nur noch die Differenzierung über den Preis. Allein mit dem Preis zu konkurrieren, ist jedoch nicht zu empfehlen. Die einzige Alternative ist Service.“
   Die Aussicht auf höhere Gewinne und langfristige Kundenbeziehungen lässt den Markt für Mehrwert-Service (Value-Added Services) selbst solchen Unternehmen attraktiv erscheinen, die sich bisher mit Service nur wenig befasst haben.
   Wie Lewin erklärt, waren in den siebziger Jahren Kosteneinsparungen das Rezept für höhere Gewinne. In den Führungsetagen war man eifrig damit beschäftigt, durch Reduzierung der Kosten und Serviceleistungen Geld zu sparen. Das Ergebnis waren unzufriedene Kunden, die zu den Konkurrenten abwanderten. In den achtziger Jahren dominierte das „Total Quality“-Konzept. Das heißt, die Unternehmen erhöhten die Qualität in sämtlichen Bereichen, die mit dem Kernprodukt zu tun hatten, übersahen aber in gewisser Weise den Aspekt der Kundenzufriedenheit. „In den Unternehmen herrschte die allgemeine Ansicht, wenn das Produkt ausgezeichnet ist, spielt alles andere keine Rolle“, bemerkt Lewin. „In den neunziger Jahren stellten die Kunden jedoch die Frage: Was habt Ihr noch zu bieten? Die Antwort darauf war: Kompetenz und Sachkenntnis.“

Nicht mehr nur Lieferant
„In den neunziger Jahren erkannten die Unternehmen erstmalig Gewinnmöglichkeiten im Servicebereich“, erklärt Evert Gummesson, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Stockholm. „Für die Käufer war es schwierig, ihre Anlagen und Systeme regelmäßig zu warten und sie ständig auf dem neusten Stand zu halten – vor allem angesichts der Informationstechnologie, die heute überall im Einsatz ist.
   Als Beispiel nennt Gummesson den weltweit tätigen schwedischen Telekommunikationsgiganten Ericsson, der schon in den achtziger Jahren als einer der ersten in Europa von der ausschließlich produktorientierten Linie abrückte.
   „Für Ericsson ist es heute nichts Ungewöhnliches, neue Kunden allein über den Service zu gewinnen“, berichtet Uldis Zervens, stellvertretender Leiter des Ressorts Global Services and Sales bei Ericsson. „Manchmal kann es passieren, dass ein Ericsson-Kunde ein Telefonsystem von einem Wettbewerber gekauft hat, die Value-Added Services aber von Ericsson bezieht.“
   Auf Grund von Veränderungen in der Struktur der Kundenbeziehungen hat das Unternehmen seinen Mehrwert-Service erweitert. Vor fünf bis zehn Jahren waren die Leistungen hauptsächlich technischer Art wie Kapazitätssteigerungen oder der Aufbau von Netzwerken und die Unterstützung beim Anlauf von Systemen. Heute umfassen die Dienstleistungen auch Beratung zu unternehmerischen und strategischen Fragen sowie Lösungen im Bereich Integration, Servicemanagement, Kompetenzentwicklung und Telekommunikationsmanagement.
   Laut Gummesson decken derartige Serviceleistungen ein weites Feld ab, und sie werden auch nicht immer unbedingt als Mehrwert-Service oder Value-Added Services bezeichnet. „Alle größeren Unternehmen bieten so etwas an“, meint er. „und für viele, die diesen Geschäftsbereich besonders ausgebaut haben, hat es sich ausgezahlt.“
   „Mehrwert-Service ist das Segment unserer Geschäftstätigkeit mit den höchsten Zuwachsraten. Es steht für 35 Prozent unseres gesamten Geschäftsvolumens“, sagt Bill Cacciatore, Inhaber und Geschäftsführer des amerikanischen Spezialisten für Steckverbindungen und elektromechanische Komponenten, Richey Electronics Inc.
   Wie Cacciatore dem Elektronikmagazin EDN gegenüber berichtete, sind in seinem Unternehmen die Value-Added Services in zwei Segmente unterteilt: ein administratives und ein technisches. Ersteres befasst sich zum Beispiel mit der Lagerhaltung oder mit Programmen zur Bestandsauffüllung, während sich letzteres auf Fragen wie die Modifizierung von Komponenten oder die Montage konzentriert. Und das Geschäft boomt.
   „Als wir das Unternehmen 1991 erwarben, brachte der Bereich Value-Added Services etwa drei bis vier Millionen US-Dollar (6,9 bis 9,2 Millionen Mark oder 3,5 bis 4,7 Millionen Euro) ein. Dieses Jahr hoffen wir auf 90 Millionen US-Dollar (207 Millionen Mark oder 106 Millionen Euro) und im nächsten Jahr werden wir uns der 100-Millionen-Grenze (230 Millionen Mark oder 118 Millionen Euro) nähern“, so Cacciatore.

Die Herausforderung
Lewin legt jedoch Unternehmen, die auf diese Art des „Beziehungsmarketings“ setzen, dringend nahe, die Motivations- und Vergütungsstrategien neu zu überdenken. „Für das Verkaufspersonal sind Aufträge und Bonusvereinbarungen die Motivation. Sie sind nicht diejenigen, die derartige Dienstleistungen anbieten“, meint Lewin. „Und die Techniker, welche Motivation haben sie? Sie sorgen nämlich dafür, dass die Kunden Mehrwert-Serviceleistungen bekommen und dem Unternehmen treu bleiben.“
   Einen neuen Kunden zu gewinnen, fügt er hinzu, kostet schätzungsweise fünfmal mehr als einen vorhandenen Kunden bei Laune zu halten.
Jack Jackson  
Freier Journalist aus den USA, stationiert in Dänemark

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