Neue Antriebssysteme für den Nahverkehr

Der Nahverkehr wird in Großstädten und ihrem Einzugsgebiet weltweit immer wichtiger. Seit einigen Jahren sind neuentwickelte Fahrzeuge mit ebenfalls neuen Antriebssystemen im DienstFür die Eisenbahngesellschaften sind Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Systeme von entscheidender Bedeutung. Daneben wird von den Herstellern erwartet, dass sie alles anbieten, von der Technik über die Wartung bis hin zur Projektfinanzierung, und dabei die wechselnden Anforderungen eines im Wandel begriffenen Marktes berücksichtigen. In der Regel sind erfolgreiche Innovationen der Schlüssel zum Erfolg im Bereich Schienenfahrzeuge.

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Der Nahverkehr wird in Großstädten und ihrem Einzugsgebiet weltweit immer wichtiger. Seit einigen Jahren sind neuentwickelte Fahrzeuge mit ebenfalls neuen Antriebssystemen im DienstFür die Eisenbahngesellschaften sind Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Systeme von entscheidender Bedeutung. Daneben wird von den Herstellern erwartet, dass sie alles anbieten, von der Technik über die Wartung bis hin zur Projektfinanzierung, und dabei die wechselnden Anforderungen eines im Wandel begriffenen Marktes berücksichtigen. In der Regel sind erfolgreiche Innovationen der Schlüssel zum Erfolg im Bereich Schienenfahrzeuge.

Innovative Vorortzüge und U-Bahnen sind aus diesen Anforderungen entstanden. Niederflurwagen, in die man einfach vom Bahnsteig aus „hinübersteigt“, werden immer wichtiger. Technisch ist eine solche Konstruktion außerordentlich anspruchsvoll, weil durch den tiefliegenden Wagenboden nur wenig Platz für das Antriebssystem bleibt. SKF hat in Zusammenarbeit mit großen Zulieferern wie Adtranz neue Lagerungslösungen für Achsen und einzelne Räder und neue Antriebssysteme entwickelt.
Sogar die Räder sind in das System der Fahrmotoren integriert.

Adtranz ist einer der weltweit führenden Anbieter von Dienstleistungen, Systemen und Fahrzeugen für den Schienenverkehr. Adtranz firmiert als DaimlerChrysler Rail Systems und hat weltweit rund 22.000 Mitarbeiter. Komplette Schienenfahrzeugsysteme, Dienstleistungen, People Movers, Straßenbahn- und U-Bahn-Systeme, Vorort- und Regionalzüge, Intercity- und Hochgeschwindigkeitszüge, Elektro- und Diesellokomotiven sowie Signaltechnik gehören zum Angebot. Adtranz – 1996 gegründet – ist heute in 64 Ländern vertreten. Fertigungskapazitäten bestehen in 19 und Vertriebsbüros in 40 Ländern. Zusätzlich sind weltweit 24 weitere Vertretungen eingerichtet. 1999 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von rund 3,6 Milliarden Euro.

Antriebssysteme

Antriebssysteme von Zügen müssen leistungsstark, umweltfreundlich, kostengünstig und wartungsarm sein. Die Anforderungen sind wesentlich höher als bei Kraftfahrzeugen, weil die Wartungsfristen erheblich länger sind. Neue Lokomotiven werden zwar regelmäßig gewartet, die ersten größeren Instandhaltungsarbeiten sind aber erst bei 1 bis 1,5 Millionen km fällig. Im Durchschnitt legen Lokomotiven bis zu 1.000 km pro Tag zurück.

Der Adtranz-Bereich Antriebe hat seinen Sitz in Wiener Neudorf bei Wien. In der Entwicklung von hochwertigen Antriebssystemen kann dieses Kompetenzzentrum auf langjährige Erfahrungen zurückblicken. Heute ist es für Entwicklung, Konstruktion und Vertrieb von Antrieben für alle Arten von Schienenfahrzeugen verantwortlich. Seit über 20 Jahren werden hier flüssigkeitsgekühlte Drehstrom-Asynchronmotoren der neuen Generation hergestellt. Zur Kühlung wird Wasser mit Frostschutz- und Korrosionsschutzzusätzen verwendet. Ein wichtiger Anwendungsbereich solcher Motoren liegt im Schienennahverkehr.

Die Technik bietet zahlreiche Vorteile:

  • Niedriger Geräuschpegel im Betrieb
  • Geringe Masse und geringer Platzbedarf durch die hohen Drehzahlen
  • Geringer Wartungsaufwand durch vollständige Kapselung des Motors
  • Heizen der Waggons mit Abwärme
  • Entfall von platzaufwendigen Lüftern, Filtern und Luftkanälen.

Bei Antrieben für Schienenfahrzeuge wird das Drehmoment des Fahrmotors, der meist mit höheren Drehzahlen läuft, über ein Getriebe auf den Radsatz übertragen. Die Anzahl der Getriebestufen hängt von der maximalen Motordrehzahl und der Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs ab. Bei Lokomotiven mit luftgekühlten Fahrmotoren im Leistungsbereich von 500 bis 1.700 kW werden meist einstufige Getriebe mit Übersetzungen von 1:3 bis 1:5 verwendet.

Antriebssysteme im Nahverkehr

Im Nahverkehr werden sowohl luft- als auch flüssigkeitsgekühlte vierpolige Fahrmotoren mit einer Leistung von 60 bis 200 kW eingesetzt. Die höchste Drehzahl liegt bei 6.000 min-1, was einer Netzfrequenz von 200 Hz entspricht. Neben einstufigen werden hier auch zweistufige Getriebe verwendet, die mit Übersetzungen von 1:6 bis 1:11 ausgeführt sind. In den aktuellen Antriebssystemen sind Fahrmotor und Getriebe als zwei getrennte Bauteile konzipiert. Dabei wird der Motor mit zwei Lagern und zwei Lagerschilden ausgeführt. Die Übertragung des Drehmoments erfolgt über ein Ritzel am antriebsseitigen Wellenende.

Die neuen höheren Anforderungen können nur mit einem neuartigen Antriebskonzept erfüllt werden. Fahrmotor und Getriebe sind integriert ausgeführt, so dass ein Antrieb mit drei Lagern entsteht. Die Ritzelwelle des Getriebes ist mit zwei Lagern abgestützt und mit einer biegeweichen, aber drehsteifen Membrankupplung mit der Motorwelle verbunden. Auf der Gegenseite sitzt nur ein Lager. Eine Besonderheit der Kupplung sind der Verzicht auf Gummielemente und die ausschließliche Verwendung von Metallwerkstoffen. Das Drehmoment wird über eine elastische Kupplung auf eine Hohlwelle übertragen, die mit einer zweiten elastischen Kupplung mit der Radsatzwelle verbunden ist. Dadurch wird vermieden, dass sich die dynamischen Belastungen im Fahrbetrieb auf den Antrieb übertragen.

Neue Antriebe für U-Bahnen

Zum ersten Mal kam das neue Antriebssystem mit flüssigkeitsgekühlten Drehstrom-Fahrmotoren bei den Triebwagen DT4 der Hamburger Hochbahn AG zum Einsatz.

Technische Daten der Wagen:

Fahrzeug: DT4
Länge: 60,28 m
Bodenhöhe an der Tür: 1.030 mm
Fahrgäste: 554
Höchstgeschwindigkeit: 80 km/h
Fahrmotor: 4 WXA 3553
Leistung: 8 x 125 kW
Maximale Motordrehzahl: 6.000 min-1

Die Fahrzeuge werden von einem voll abgefederten Antrieb mit einem Wellenstrang mit drei Lagern angetrieben. Die Welle des Fahrmotors ist auf einer Seite mit einem Zylinderrollenlager NUB 212 ECM in Sonderausführung gelagert. Die Bauform NUB besteht aus einem Außenring NU mit zwei festen Borden, dem Käfig mit Rollensatz und einem verbreiterten Innenring. Dies ermöglicht eine größere axiale Verschiebung, die besonders für den Lagereinbau wichtig ist. Die Lager haben einen rollengeführten Messing-Massivkäfig und Lagerluft C4.

Insgesamt sind in Hamburg und Wien, wo ein ähnliches Konzept verwendet wurde, 800 Fahrmotoren im Einsatz. Die Lager sind für eine Laufzeit von 3 Millionen km oder – bei einer Fahrstrecke von 120.000 km im Jahr – 25 Jahren ausgelegt. Eine Hauptuntersuchung ist vom Verschleiß der Radreifen abhängig. Es können Servicefristen von bis zu 1,5 Millionen km erreicht werden.

Die Wartung der Fahrmotoren der Hamburger Hochbahn beschränkt sich auf das Nachschmieren der Lager. Im Depot ist dies problemlos möglich. Eine Regelscheibe verteilt das Fett und reguliert die Fettmenge im Lager.

So sieht der Nachschmierplan aus:

  • Erste Nachschmierung nach 600.000 km
  • Zweite Nachschmierung nach weiteren 500.000 km
  • Nach weiteren 400.000 km ist die Servicefrist von 1,5 Millionen km Laufleistung erreicht. Nun wird das Antriebssystem ausgebaut und die Lager zerlegt.

Zur Absicherung dieser Wartungsfristen werden bei einigen fettgeschmierten Fahrmotoren nach 450.000 km alle 150.000 km die Lager überprüft und Fettproben entnommen. Die letzte Fettuntersuchung erfolgte 2000 nach über 1 Million km. Es zeigte sich, dass die Wartungsfristen ausreichend gewählt sind. In Hamburg fahren 86 Züge mit je 8 Fahrmotoren. Insgesamt haben diese Züge eine Strecke von fast 400 Millionen km zurückgelegt. Das entspricht 1000 Mal der Entfernung zwischen Erde und Mond.
Mittelfristig ist der Einsatz verbesserter Schmierstoffe und Dichtungen geplant, damit schließlich das Nachschmieren ganz entfallen kann.

Niederflur-Straßenbahnen

Das Antriebskonzept der Hamburger Hochbahn kam in einer leicht modifizierten Form auch bei verschiedenen Niederflur-Straßenbahnen zum Einsatz. Die Fahrzeuge haben auf etwa 70 % ihrer Fläche einen Niederflurboden, während der übrige Teil mit höher liegendem Boden ausgeführt ist, damit die Antriebsdrehgestelle Platz finden. Diese neuen Antriebe von Adtranz sind beispielsweise in Bielefeld, Darmstadt, Erfurt, Essen, Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Leipzig, Ludwigshafen, Magdeburg, Mannheim und Rostock sowie in Antwerpen – De Lijn im Einsatz.

Durch Variieren der maximalen aktiven Eisenlänge des Rotors und des Stators kann das maximale Motordrehmoment und damit die Leistung verändert werden (65 bis 127 kW). Dieses Konstruktionsprinzip bietet den Vorteil, dass die Lagerschilde und Lager und die Form der Eisenbleche für alle Leistungsgrößen gleich sind.

Die Lager sind von der Bauart her mit denen für U-Bahn-Fahrmotoren identisch; sie sind nur kleiner und entsprechen Lagergröße NUB 210 ECM. Ein solcher Antrieb sitzt beispielsweise in den Niederflur-Gelenkstraßenbahnen in Rostock.

Technische Daten der Niederflur-Gelenkwagen in Rostock:

Fahrzeug: 6NGTWDE
Länge: 30,4 m
Bodenhöhe an der Tür: 300 mm
Kapazität: 173
Höchstgeschwindigkeit: 70 km/h
Fahrmotor: 4 WXA 2544
Leistung: 4 x 95 kW
Maximale Motordrehzahl: 6.000 min-1

Die Straßenbahnen legen in Rostock etwa 55.000 km im Jahr zurück. Die Nachschmierfrist ist auf 250.000 km oder sechs Jahre festgelegt.

Mittelfristig ist folgender Wartungsplan vorgesehen:

  • Erste Nachschmierung nach 350.000 km
  • Zweite Nachschmierung nach weiteren 250.000 km
  • Dritte Nachschmierung nach weiteren 200.000 km
  • Nach weiteren 100.000 km ist die Servicefrist von 900.000 km erreicht. Sie entspricht einem Betrieb von 16 Jahren bzw. zwei Wartungsintervallen von 8 Jahren, wie von der deutschen Straßenbahn-Betriebsordnung gefordert.

 

Seit 1994 wurden mehr als 2.500 Fahrmotoren mit diesem Konstruktionsprinzip in Dienst gestellt.

Niederflurstraßenbahnen mit Radnabenmotor

Das Antriebskonzept lässt sich mit einem Radnabenmotor erheblich vereinfachen. Der Motor ist als Direktantrieb für ein Rad ohne zwischengeschaltetes Getriebe oder Kupplung ausgeführt. Der Motor übernimmt auch die Funktion der Radlagerung und Spurführung. Der flüssigkeitsgekühlte Drehstrommotor ist als Außenläufer konzipiert. Der Rotor ist außenliegend und überträgt das Drehmoment direkt auf den gummigefederten Radreifen. Diese platzsparende Antriebslösung eignet sich besonders für 100 prozentige Niederflurfahrzeuge, die im Wageninnern keine Stufen oder Rampen haben.

Die feststehende Motorachse ist mit einer Kühlspirale für den Stator ausgeführt. Die Statorbleche sitzen direkt auf der Achse und sind mit Schrumpfringen axial befestigt. Der Stromanschluss der Statorwicklungen ist über eine spezielle Steckerverbindung mit dem Fahrzeug verbunden. Im Gehäuse sind ein Erdungskontakt und ein Erdungsring eingebaut. Nach Kundenspezifikation können auch Bremsscheiben angeflanscht werden.

Die Lager müssen im Betrieb zusätzliche Axiallasten aufnehmen, wenn der Zug eine Stelle mit Gleislagefehler, eine Weiche oder Kreuzung überfährt. Zwei Zylinderrollenlager werden eingesetzt, als Festlager die Bauform NUP, als Loslager NU. Beide Lager laufen mit einem einteiligen, rollengeführten Messing-Massivkäfig der Ausführung MRD. Im normalen Fahrbetrieb erfolgt die Käfigführung durch die Rollen, bei Stoßbelastungen wird der Käfig zusätzlich auf den Außenringschultern geführt. Die erforderlichen engen Fertigungstoleranzen werden mit der neuen SKF Formdrehtechnologie erreicht. Die Radialluft ist besonders auf den Einsatzfall abgestimmt. Die Lager sind durch Doppellabyrinthe vor dem Eindringen von Verunreinigungen und vor Fettaustritt geschützt. Sie können bei Bedarf nachgeschmiert werden.

Die ersten Prototypen liefen in den Niederflur-Straßenbahn-Gelenkwagen der Variobahn in Chemnitz, die später auch die ersten Serienfahrzeuge bestellte.

Technische Daten der Niederflur-Straßenbahn-Gelenkwagen in Chemnitz:

Fahrzeug: Variobahn
Länge: 31,4 m
Bodenhöhe an der Tür: 315 mm
Kapazität: 211
Höchstgeschwindigkeit: 70 km/h
Fahrmotor: 8 WXA 3442
Leistung: 8 x 45 kW
Maximale Motordrehzahl: 750 min-1

Ähnliche Fahrzeuge fahren auch Duisburg, Helsinki und Sydney. Bereits mehr als 500 Radnabenmotoren sind im Einsatz.

Ausblick

Um den Instandhaltungsaufwand zu verringern, werden verstärkt Radsatzlager gefordert, die nicht mehr nachgeschmiert zu werden brauchen. Mittelfristig sind Nachschmierfristen von 1,5 Millionen km das Ziel. Große Bedeutung kommt hierbei den jeweiligen Betriebsbedingungen zu. Neue Schmierungstechnik und abgedichtete Lagerungen – etwa die neue Fahrmotorenlagereinheit TMBU – sind hier von Vorteil. Diese befetteten und einbaufertigen Einheiten können direkt an das Lagerschild angeflanscht werden.

Harald Neudorfer

Adtranz, Wiener Neudorf, Österreich

Gottfried Kure

SKF Vertrieb Eisenbahnen, Österreich

 

 

 

 

 

 

 

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