Neue Ordnung neue Zukunft

Die Lösung eines alten Wartungsproblems macht deutlich, dass sich die Geschäftsbeziehung zwischen bei SKF und dessen Bergbaukunden LKAB geändert hat. Sie eröffnet Schwedens nördlichster Stadt neue Möglichkeiten

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Die Lösung eines alten Wartungsproblems macht deutlich, dass sich die Geschäftsbeziehung zwischen bei SKF und dessen Bergbaukunden LKAB geändert hat. Sie eröffnet Schwedens nördlichster Stadt neue Möglichkeiten

Kiruna ist Schwedensnördlichste Stadt und gleichzeitig der Standort des größten Erzbergwerks der Welt. Die Stadt ist um diesen einen Industriezweig herum gewachsen. Ein Drittel aller Berufstätigen in Kiruna arbeitet in der Erzgewinnung, und fast jeder Einwohner ist in irgendeiner Weise davon abhängig.

Erz wird in Kiruna schon seit Jahrhunderten gewonnen. 2005 baute das schwedische Unternehmen LKAB, Betreiber der Bergwerke in Kiruna und Malmberget, 36 Millionen Tonnen Roherz im Untertagebau ab. Das aus 1.000 Metern Tiefe zu Tage beförderte Erz wird verarbeitet („aufbereitet“) und an Stahlunternehmen in Europa, in Nordafrika, im Nahen Ost und in Südost­asien exportiert.

LKAB ist stolz auf die Qualität seiner Produkte. Laut Ola Johnsson, Vice President und Leiter des Bergbaugeschäfts, ist es gerade diese Qualität, die dem Unternehmen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verleiht. Dennoch steht LKAB für nur drei Prozent des weltweiten Erzexports. Produktqualität und maximale Automatisierung der Abbauverfahren sind für LKAB ausschlaggebende Faktoren, um die Wettbewerbsposition zu halten. Deshalb untersucht das Unternehmen zurzeit eine Reihe von Möglichkeiten, die darauf abzielen, die Produktivität und Effizienz sowie die Umgebungsbedingungen der Tätigkeit zu verbessern.

All diese Faktoren gehen Hand in Hand, insbesondere bei der Erzaufbereitung von LKAB in Kiruna und 50 Kilometer weiter südlich in Svappavaara. An diesen beiden Standorten sowie an einem dritten Ort, in Malmberget, betreibt LKAB 33 Erzmühlen – gewaltige Horizontalmühlen, in denen das Eisenerz nach und nach zerkleinert wird, bis es schließlich eine Partikelgröße von circa 45 µm (Tausendstel Millimetern) erreicht hat. Von den Mühlen geht das Erz zum nächsten Verarbeitungsschritt.

Die Mühlen werden von zwei großen Zapfenlagern getragen. Die Konstruktion der Lageranordnung ist nahezu 30 Jahre alt. Die Lager werden stark beansprucht, weil sie zum Beispiel durch das Eindringen von feinem Mahlgut oder von Wasser, das beim Zerkleinerungsprozess benötigt wird, leicht beschädigt werden. Durch jedes Lager wird kontinuierlich ein geeignetes Schmierfett gepumpt (bis zu 900 Kilogramm pro Jahr) – der Schmierung wegen und um Schmutzpartikel fernzuhalten. Das heißt, dieselbe Menge Schmierfett tritt auch wieder aus. Die Folge ist, dass es von den Lagergehäusen ständig tropft. Das überschüssige Schmierfett stellt eine potenzielle Umweltgefahr dar und muss deshalb physisch entfernt werden. Diese Aufgabe führt eine darauf spezialisierte Reinigungsfirma mit Hochdruckreinigern aus. Dadurch werden die Lager zusätzlich einem Korrosionsrisiko ausgesetzt.

 

LKAB wandte sich2002 an SKF, um einen Weg zur Lösung dieses Problems zu finden. Man bildete ein Projektteam mit dem Ziel, die Dichtung zu verbessern, den Schmierfettverbrauch zu reduzieren und den Wartungsaufwand sowie die damit verbundenen Kosten zu verringern. SKF sah Parallelen zwischen diesem Typ von Lageranordnung und einer neuen Lageranordnung, die für die Zellstoff- und Papierindustrie entwickelt worden war, um ähnlich geartete Probleme zu lösen.

SKF schlug eine neue Lagerkonstruktion vor, die zunächst probeweise im Oktober 2004 in der Aufbereitungsanlage in Svappavaara installiert wurde. Die Konstruktion umfasste eine neue Dichtungslösung in Form eines modifizierten Doppellabyrinths. Die neue Lageranordnung bewährte sich in jeder Hinsicht und erfüllte alle Konstruktionsanforderungen.
„Der jährliche Wartungsaufwand für diesen Maschinenteil ist von zehn bis zwölf auf weniger als zwei Stunden gesunken, und der Schmierfettverbrauch konnte auf 20 Kilogramm pro Jahr reduziert werden“, erzählt die Wartungsleiterin in Svappavaara, Yvonne Björnström. Jetzt arbeitet LKAB daran, alle derartigen Lageran­ordnungen auszutauschen.

„Unser Ziel ist, unsere Stellung als Produzent der Spitzenklasse zu festigen und integrierter Bestandteil des Produktionsprozesses unserer Kunden zu sein“, meint Ola Johnsson. „Das gleiche erwarten wir von unseren Lieferanten. Wir können nicht alles selbst machen. Deshalb brauchen wir Partner, auf die wir uns verlassen können – langfristige Partner.“ Ein idealer Partner, erklärt er, nimmt LKAB das Problem ab, löst es und erarbeitet eine zukunftsorientierte Lösung.


MCC (Mining Control Centre) AB

Ein weiteres Beispiel für die enge strategische Zusammenarbeit zwischen LKAB und SKF ist MCC (Mining Control Centre) AB, ein Joint Venture, das gemeinsam mit der Sandvik-Gruppe gestartet wurde. Das Unternehmen wurde 2003 in Kiruna gegründet und erzielt inzwischen mit 16 Technikern und Entwicklungsingenieuren einen Jahresumsatz von 1,4 Millionen Euro. Hier werden Online-Vibrationsdaten der Anlagen gemessen, zusammengestellt und analysiert, um LKAB eine bessere vorbeugende Wartung zu ermöglichen.

Anhand einschlägiger Leistungsindikatoren, die gemeinsam mit LKAB entwickelt wurden, demonstriert MCC, wie viele Produktionsstunden ausfallen würden, wenn man von der Durchführung bestimmter Maßnahmen absähe. Einiges deutet darauf hin, dass LKAB durch die Arbeit von MCC Gewinne erzielen wird, die um das Zehnfache über den Kosten für diese Dienstleistung liegen.

Das Geschäftskonzept von MCC basiert auf Zustandsüberwachung und Wartungsentwicklung, in erster Linie im Bereich der Bergbauindustrie und Mineralienverarbeitung. (MCC war von Beginn an in das neue Lagerprojekt involviert.) Heute steht LKAB für rund 95 Prozent des Geschäfts von MCC. Mit zunehmender Nachfrage sollte dieser Anteil jedoch in den kommenden drei bis fünf Jahren auf 50 Prozent zurückgehen. Die Absicht ist, ein globales Zentrum für Spitzenkompetenz aufzubauen.

„Es handelt sich um ein recht neues Geschäftsmodell für uns alle“, sagt Jonas Kemi, Geschäftsführer von MCC, obgleich SKF und LKAB, wie er betont, schon seit über 90 Jahren zusammenarbeiten. „Es ist eine echte Partnerschaft, kein Outsourcing, und bietet somit die besten Voraussetzungen für eine wahrhaft offene Zusammenarbeit.“

Für die Zusammenarbeit gibt es allerdings noch einen weiteren wichtigen Grund. Anfang 2000 begann das Topmanagement von LKAB, die Idee von so genannten „Mehrwert-Dienstleistungen“ zu diskutieren. Man schaute sich an, welche Risiken die Geschäftstätigkeit von LKAB in Zukunft bedrohen könnten, und kam zu dem Schluss, dass sie hauptsächlich in der gesellschaftlichen Entwicklung Nordschwedens begründet liegen. In den letzten 30 Jahren ist ein Drittel der Bevölkerung abgewandert. Dieser Umstand hat nicht nur Auswirkungen auf die zukünftige Beschaffung von Arbeitskräften, sondern auch auf Bereiche wie die Gesundheitsversorgung, das Transportwesen und so weiter.

Hinter Kooperationskonzepten dieser Art steckt die Absicht, neue Geschäftssparten und Dienstleistungen in dieser Region zu schaffen und so Arbeitskräfte anzulocken oder zumindest eine weitere Abwanderung zu verhindern (was natürlich in erster Linie den Hauptindustriezweigen hinter dieser Initiative zugute kommen soll). Es liegen bereits Pläne für interessante neue Tourismusprojekte vor, bei denen die alten Erzgruben in Freizeitparks umgewandelt werden sollen. Am Flughafen von Kiruna sind diese Projekte ausgestellt.


Eine langfristige Beziehung

Die Zusammenarbeit zwischen LKAB und SKF erstreckt sich über fast ein Jahrhundert. Die ersten Versuche mit SKF Pendelkugellagern wurden 1913 im Bergwerk von Malmberget gemacht. Hier wurde das Erz in Norberg-Förderwagen geladen, die mit SKF Lagern ausgestattet waren. In einem Artikel, der 1927 im SKF Ball Bearing Journal erschien, bestätigte LKAB, dass seit der Ausrüstung der Norberg-Förderwagen mit SKF Lagern nicht ein einziges Lager ausgefallen sei. 1914 stand LKAB vor dem Problem, zur Deckung der steigenden Exportnachfrage eine dritte Schicht einzuführen. Das Unternehmen entschied sich jedoch stattdessen dafür, etwas größere Förderwagen zu verwenden und diese mit SKF Lagern auszurüsten. Das Ergebnis war, dass dieselbe Lok, die zuvor eine bestimmte Anzahl von 35-Tonnen-Förderwagen gezogen hatte, nun mit demselben Energie- und Personalaufwand die gleiche Anzahl von 55-Tonnen-Förderwagen ziehen konnte. Damit erübrigte sich die Einführung einer zusätzlichen Schicht, und LKAB sparte dank SKF jedes Jahr eine beträcht­liche Summe Geld.

 

 

 

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