Papiermaschinen profitieren von Zustandsüberwachung

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Mit aktiver Zustandsüberwachung steigert die schwedische Papierfabrik Braviken ihre Leistung.
Es treten weniger Lagerausfälle auf, und die Papiermaschinen werden mit höherer
Geschwindigkeit gefahren
In der Papierfabrik Braviken in Norrköping in Schweden kennt man Lagerausfälle in einer Papiermaschine für Zeitungspapier und Papier für Telefonbücher fast nur vom Hörensagen, die Lebensdauer der Lagerungen ist deutlich länger, und die Papiermaschinen laufen schneller. Entscheidend ist dabei die aktive Zustandsüberwachung, das heißt vor allem die Überwachung der Schwingungen einer Maschine, weil eben Schwingungen als Einzelparameter die genauesten Angaben über den Maschinenzustand liefern.
Die Schwingungen geben ein deutliches Bild von den auftretenden dynamischen Kräften. Mehrere Untersuchungsverfahren sind hier möglich. Das einfachste ist eine Trendanalyse der Schwingungen, also eine Überwachung des gesamten Schwingungs-spektrums über die Zeit.
Lagerschäden erkennen
Mit Hilfe von Filtern kann man Lagerschäden von anderen Maschinenschwingungen unterscheiden. SKF mit seiner großen Erfahrung hat entsprechende Spezialfilter entwickelt, mit denen man Lagerschäden rechtzeitig vor einem Ausfall entdecken kann.
   Zunächst werden die verschiedenen Frequenzkomponenten der Maschinenschwingung untersucht. Die Unwucht einer umlaufenden Welle wird über die Frequenz gefunden, die der Wellendrehzahl entspricht.
   Nehmen Sie zum Beispiel eine Waschmaschine, die unruhig läuft. An diesem einfachen Beispiel läßt sich die Schwingungsuntersuchung gut erläutern. Außen an der Maschine wird ein Schwingungsmeßgerät angebracht. Aus der „Signatur“ des Schwingungsspektrums kann man ablesen, daß das Problem einmal pro Umdrehung auftritt, und da die Wäsche beim Schleudern eben einmal pro Umdrehung am Meßgerät vorbeiläuft, ist der „Schuldige“ schnell gefunden.
   In der Papierfabrik wurden ähnliche Schwingungsuntersuchungen durchgeführt, um die negativen Auswirkungen der Schwingungen zu eliminieren.
Volle Überwachung
Das Zustandsüberwachungssystem in der Papierfabrik Braviken ist eins der umfassendsten auf der Welt. Ungefähr 17.000 Lagerstellen werden überwacht. Zehn Mitarbeiter sind allein mit der Überwachung befaßt. Die Messungen erfolgen zum Teil mit Handgeräten zur Frequenzanalyse; hierzu werden fünf Geräte Microlog CMVA55 verwendet. Online-Überwachung erfolgt mit 18 Multilog CMMA320 mit je 32 Kanälen.
   Heute werden diejenigen Lagerstellen online überwacht, die aus Umweltschutz- oder Sicherheitsüberlegungen heraus nicht mit Handgeräten gemessen werden können. Die neue Maschine PM53 dagegen wurde gleich bei der Installation mit Sensoren für die Online-Überwachung ausgerüstet.
   Damit alle Mitarbeiter Zugang zu den aktuellen Meßdaten der Maschine haben, werden diese Daten mit der Software PRISM4 ausgewertet und auf einem
Zentralrechner gespeichert.
Fast keine Ausfälle
Die Arbeitsgruppe „Schwingungen“ bei Braviken, eins der führenden Expertenteams in Skandinavien, hat es geschafft, daß fast keine Lagerausfälle mehr auftreten.
   Die Definition von „Lagerschaden“ hat sich geändert. Früher ging man davon aus, daß ein Schadlager gerade noch ein paar Stunden laufen könnte und dann dringend ersetzt werden müßte. Heute werden Lagerschäden so früh erkannt, daß man beispielsweise einen beginnenden Schaden in einem Trockenzylinderlager über ein Jahr lang überwachen kann, bevor das Lager aus Gründen der Betriebssicherheit ausgetauscht werden muß. Um die zuverlässige Funktion der Anlage zu gewährleisten, tauscht man heute das Lager lieber unter kontrollierten Bedingungen aus.
   Die von SKF entwickelte Hüllkurventechnik der Beschleunigung gilt als die beste, insbesondere bei der Überwachung von schnellaufenden Filzwalzen in Papiermaschinen. Aktive Zustandsüberwachung hat ihre Vorteile. Sten Bergman, Fachmann für Zustandsüberwachung in der Papiermaschine, erläutert: „Die Pumpen sind ein gutes Beispiel. Bevor wir eine Zustandsüberwachung hatten, mußten wir jedes Jahr mehr als 50 Pumpen auswechseln. Seit wir außerdem zuverlässige Verfahren zum Ausrichten der Wellen haben, tauschen wir nur noch wenige Pumpen pro Jahr. Nehmen Sie nur den Preis einer Pumpe und multiplizieren Sie ihn mit 50. Und heute ist die Anlage viel größer als damals.“
Zuverlässige Überwachung des Walzennips
Die von der Canadian Pulp and Paper Association (CPPA) zusammengestellte Statistik zeigt, daß die beiden modernsten Maschinen bei Braviken, die PM52 und die PM53, bei Produktivität und Wirtschaftlichkeit weltweit führend sind.
   Braviken ist aktiv gegen die Schwingungen im Spalt zwischen zwei Walzen angegangen. Anders Öhquist, der Manager der Papiermaschine PM52, bestätigt, daß die durchschnittliche Geschwindigkeit 1998 um etwa 30 m/min gestiegen ist. Im Vergleich zu 1.450 m/min hört sich das nicht besonders großartig an, aber es wirkt sich direkt aus. Die Pressenpartie ist der langsamste Teil einer Papiermaschine und durch aktive Überwachung der Schwingungen kann man die Papiermaschine schneller laufen lassen.
Teamarbeit
Aktive Zustandsüberwachung bedeutet den Einsatz fortschrittlicher Meßtechnik durch gut geschulte und hochmotivierte Mitarbeiter der Instandhaltung,
die sich als Team begreifen.
   Hans Lindgren, Bereichsleiter bei Braviken, betraute die Fachleute Thomas Palmgren und Sten Bergman mit der Aufgabe, die besten Meßstellen und Filter zu bestimmen. Dies war genau die richtige Methode, weil jeder Nipdruck eingestellt werden muß. Zur Überwachung des Nips wurde eine Lösung mit Sensoren (Beschleunigungsmessern) aus dem SKF Online-Überwachungssystem gewählt. Die Signale werden als veränderliche Balken im Softwareprogramm PRISM4 angezeigt. Die Sensoren werden auf dem Lagergehäuse der Walze angebracht.
   Die Messungen erfolgen vor allem in einem Meßbereich, wo die Schwingungen der Filzwalze durch die Eigenfrequenz des Systems verstärkt werden. Für die drei Walzenpaare wurden unterschiedliche Meßbereiche festgelegt. Dabei war die zweite Presse am interessantesten, da sie das schwächste Glied in der Kette war und damit die Geschwindigkeit beschränkte. Für diese Walze wurden
160 bis 180 Hz ausgewählt, die Einheit war mm/s, Effektivwert. Auch in anderen Fällen hat sich die Hüllkurventechnik der Beschleunigung bewährt.
   Die Schwingung wird als veränderlicher Balken im SKF Online-System dargestellt. Der Balken erscheint grün und wird gelb oder rot, wenn Alarm- oder Gefahrenwerte überschritten sind. Die Maschinenbediener verschieben die Spannwalze nach vorn oder hinten und stellen so die Ausrichtung der Filzwalze neu ein. Nach dem Nachstellen der Walze verändert sich der Schwingungspegel.
   Das nächste Ausrichten erfolgt anhand der Ergebnisse der ersten Einstellung. Wenn der Schwingungspegel sinkt, dann wird beim nächsten Mal eine kleine Korrektur in dieselbe Richtung vorgenommen, ansonsten in die Gegenrichtung. Das Ergebnis ist hier im Prism4 Trenddiagramm dargestellt. Das Diagramm zeigt, wie stark der Schwingungspegel durch die aktive Überwachung gesunken ist: von 5 mm/s auf ungefähr 0,5 mm/s.
   Ein Grund für diese starke Abnahme der Schwingungen liegt darin, daß durch den Spalt im Filz eine Art Muster entsteht. Wenn die Walze nun gegengerichtet wird, verstärkt sich das Muster nicht weiter, und es wirkt sich auch nicht weiter auf die Dynamik der Maschine aus.
   Dieses Projekt in der Papierfabrik Braviken ist ein hervorragendes Beispiel für stetige Verbesserungen auf höchstem Niveau. Weiterhin interessant sind der erweiterte Einsatz von Online-Überwachung für ältere Papiermaschinen und ein noch breiter gefaßtes Programm zur Untersuchung der Maschinendynamik, wie etwa der Resonanz.
Künftige Entwicklungen
Niemand kann vorhersagen, was in Zukunft möglich ist, aber wir sind überzeugt, daß man mit Hilfe der Zustandsüberwachung Faktoren auffinden und ausschalten kann, die die Geschwindigkeit einer Papiermaschine beschränken. Dazu gehören Resonanzen und Komponenten, die in so empfindlichen Maschinen nicht perfekt zusammenarbeiten. Außerordentlich faszinierend, aber auch noch nicht ausreichend untersucht, ist der Zusammenhang von Maschinendynamik und Qualität des Endprodukts.
Hans Norrman  
SKF Scandinavia, Göteborg, Schweden

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