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Pim Hascher

Christine Aziz

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Auf Bugatti abgefahren
Vier Jahre nach Pim Haschers Geburt im Jahre 1922 verließ ein schönes blaues Auto die Bugatti-Fabrik in Frankreich und begab sich auf den Weg zu seinem Besitzer. Hascher sah dieses Auto, ein Bugatti „Typ 37“, zum erstenmal 1953, und das war der Anfang einer wunderbaren Freundschaft, wie er es nennt.
Als Hascher in der holländischen Stadt Leiden das Licht der Welt erblickte, entwarf und baute Ettore Bugatti bereits seit 22 Jahren seine eleganten Fahrzeuge. Das war allerdings für den jungen Hascher ziemlich uninteressant, denn zu jener Zeit waren Autos den Reichen und Aristokraten vorbehalten. Die holländische Musikerfamilie Hascher gehörte jedoch zur Mittelklasse. Es war die Musik, die Haschers berufliche Laufbahn bis zu seinem 50. Lebensjahr bestimmen sollte.
„Mein Großvater war Musiker und Organist. Ich wurde so erzogen, daß auch für mich gar nichts anderes in Frage kam, als mein Brot als Musiker zu verdienen“, erzählt der heute 77jährige Hascher, ein Riese von einem Mann, mit sanfter Stimme. Haschers Vater war Geiger und spielte in dem Amsterdamer Concertgebouw Orchester. Schließlich bekam auch Hascher eine Stelle in einem Orchester – als Kontrabaßspieler.
Das Gespräch mit Hascher führen wir im Wohnzimmer seines alten Landhauses einige Kilometer von Amsterdam entfernt, und tatsächlich gibt es hier kaum etwas, das an sein Leben als Musiker erinnert. Die Einrichtung spiegelt vielmehr sein Interesse für Antiquitäten wieder: Uhren, Gemälde von holländischen Malern sowie zahlreiche andere Gegenstände und Erinnerungsstücke.
Ein befreundeter Dirigent weckte bei Hascher Ende der vierziger Jahre das Interesse für Bugatti. Hascher erinnert sich, daß er vom Aussehen des Autos nicht besonders beeindruckt war. Was ihn dagegen faszinierte, war die exklusive Konstruktion des Bugatti-Motors. „Ich habe mich stets für das mechanische Innenleben von solchen Sachen wie Uhren und Motoren interessiert. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, wäre ich Techniker und nicht Musiker geworden.“

Ettore Bugatti stammte aus einer Künstlerfamilie, sah aber seine Talente mehr auf technischem Gebiet. Er begann im Jahre 1900, für deutsche Unternehmen Fahrzeuge zu bauen, und eröffnete 1909 eine eigene Fabrik in Frankreich. Im gleichen Jahr konstruierte er auch das erste Bugatti-Modell, Typ 10. 1930 trat sein Sohn Jean in die Fabrik ein, und von da an entwickelte der Bugatti seinen eleganten, extravaganten Stil.
Es ist die Verknüpfung von Ästhetik und Funktion, die Hascher so fasziniert. „Ettore entwarf den Motor sozusagen von außen nach innen und nicht von innen nach außen“, so Hascher. „Die Ästhetik eines Motors war für ihn ebenso wichtig, wie die Funktion. Gerade diese Kombination macht einen Bugatti so einzigartig. Ich kenne keinen anderen Motor, bei dem so viele Überlegungen dahinterstecken.“
Seinen ersten Bugatti, einen „Typ 40“, kaufte Hascher Anfang der fünfziger Jahre. Das Auto war in Amsterdam ein vertrauter Anblick, wenn er mit seinem Kontrabaß auf dem Beifahrersitz damit herumfuhr. „Der hatte allerdings nur einen Chevrolet-Motor. Deshalb verkaufte ich ihn bald wieder“, erzählt Hascher.
1953 erwarb Hascher für 1.000 Gulden einen Bugatti „Typ 37“, einen Sportwagen, der heute 350.000 Gulden (315.000 DM oder 160.000 Euro) wert ist. „Ich kam eines Tages in eine Garage, sah ihn und kaufte ihn“, erinnert sich Hascher. „Ich fuhr sechs Monate lang ständig mit dem Wagen herum, bis schließlich der Motor versagte. Damals war es unmöglich, Ersatzteile zu bekommen, weil Bugatti 1951 die Produktion eingestellt hatte.“ Der ursprüngliche Vierzylinder-Motor in Haschers „Typ 37“ war gegen einen leistungsstärkeren Achtzylinder-Motor ausgetauscht worden. Erst viel später gelang es Hascher, über den Bugatti Club in Holland den Motor ausfindig zu machen, der einmal für sein Modell gebaut worden war.
Fünfunddreißig Jahre lang stand Haschers Bugatti in der Garage, bis schließlich „die Leute anfingen, sich für Bugatti zu interessieren“, so Hascher. „Es wurden wieder Ersatzteile für die Autos gefertigt, so daß nun mein Bugatti wieder in seinen Originalzustand gebracht werden konnte. In England und Frankreich gibt es spezielle Hersteller für diese Ersatzteile.“
Hascher besitzt außerdem einen Bugatti „Typ 43“ mit einem achtzylindrigen 2,3-Liter-Kompressormotor, der eine Geschwindigkeit von 180 km/h erreicht. In Haschers Garten dürfen wir das Modell bewundern. Die Karosserie dieses Grand Tourer von 1930 mit einem Grand Prix Motor ist größer als die des „Typ 37“ und nach Haschers Ansicht „das schönste, was man sich vorstellen kann, vor allem der Motor. Da Motoren nicht ewig halten, findet man einen solchen – egal in welchem Zustand – höchst selten.“

Das Auto gehörte zuvor Guillaume Prick, der auch „Bugatti-Papst“ genannt wird und früher einmal Präsident des holländischen Bugatti Clubs war. Prick war ein Freund der Bugatti-Familie und hat Hascher Fotos gezeigt, auf denen sein Auto vor der Molsheim-Villa von Ettore Bugatti zu sehen war. Obwohl die Bugattis etwa 7.800 Autos gebaut haben, gibt es wahrscheinlich nur noch 20 existierende „Typ 43“-Modelle. Wie rar sie sind, ist an ihrem Wert abzulesen. Haschers „Typ 43“ ist vermutlich eine Million Gulden (rund 900.000 DM oder 460.000 Euro) wert.
Hascher klettert auf den Fahrersitz, und plötzlich verwandelt sich der ernste Holländer in einen kleinen Jungen, der auf seine erste Fahrt in einem Rennwagen mitgenommen wird. „Ein solches Auto zu fahren, ist so phantastisch“, sagt er und streichelt liebevoll das Lenkrad aus Holz. „Jedesmal, wenn ich in das Auto einsteige, verspüre ich dieses ganz spezielle Gefühl, das ich hatte, als ich zum erstenmal damit fuhr.“ Dann – vielleicht um wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren – fügt der ewige Junggeselle Hascher noch hinzu: „Ich habe einen Bekannten, der sagt, er würde seine Frau gegen einen Bugatti eintauschen. Aber das kann man nicht miteinander vergleichen. Man kann nicht dieselbe Leidenschaft für eine Sache empfinden wie für einen Menschen.“
Hascher beabsichtigt, einen Bugatti „Typ 51“ zu kaufen, der letzte Bugatti, der die Fabrik verließ, bevor sie geschlossen wurde.
„Er befindet sich in Frankreich“, mehr will er dazu nicht sagen. Den „Typ 43“ schiebt er wieder in die Garage zurück, neben einen halb zerlegten sechszylindrigen Alfa Romeo, ein weiteres Projekt, das auf ihn wartet. Wieder zurück im Haus, zeigt er uns ein Foto von ihm, als er noch jünger war. Er fährt in einem Bugatti die Straße entlang und neben ihm sitzt unverkennbar eine attraktive Frau. Auf dem Foto ist das gleiche glückliche Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen – ob wegen des Bugattis oder der Beifahrerin will er uns allerdings nicht erzählen.

Christine Aziz

Journalistin in London

Fotos Eric Bakker

 

 

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