Problem-löser
Aufgeklärte Verbraucher verlangen immer öfter von der Wirtschaft, sich globaler Fragen anzunehmen, und viele Unternehmen stellen sich nur zu gern dieser Herausforderung.
Die Welt steht vor einer Reihe von komplexen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Problemen, allen voran der Klimawandel.
Wer soll sie lösen? Einer kürzlich durch die Kommunikationsspezialisten Havas Worldwide weltweit durchgeführten Untersuchung zufolge lautet die Antwort bei vielen: die Wirtschaft.
Im Rahmen der Untersuchung mit dem Titel „Communities & Citizenship“ (Gesellschaften & Bürger) wurden über 10.000 Erwachsene in 31 Ländern gefragt, welche Rolle ihrer Meinung nach Verbraucher, Unternehmen und Politiker spielen sollten. Mehr als zwei Drittel der Befragten waren der Ansicht, die Wirtschaft sei mindestens ebenso verantwortlich wie die Politik, wenn es darum geht, positive soziale Veränderungen voranzutreiben. Sechs von zehn erwarteten von Unternehmen eine aktivere Rolle bei der Bewältigung der dringendsten Probleme in der Welt.
Aus der Umfrage lassen sich drei wesentliche Gründe für diese Erwartungshaltung gegenüber Unternehmen herauskristallisieren: Zum einen ihre zunehmende Größe und Macht. Zum zweiten ihre nach Ansicht der Befragten oft bessere Führung verglichen mit Regierungen und zum dritten die durch soziale Medien gestärkte Machtposition der Verbraucher, die sie nutzen, um das Verhalten von Wirtschaftsakteuren zu beeinflussen.
Aber ist die Wirtschaft in der Lage, die Verantwortung zu übernehmen, wie es die Verbraucher erwarten, und will sie es überhaupt?
Laut David Jones, Konzernchef von Havas und Gründer von One Young World, einem gemeinnützigen Kongress, der die Führungskräfte der nächsten Generation zusammenbringen will, werden Aktivitäten zum Wohl der Menschheit in Zukunft für die Unternehmen eine Frage des Überlebens sein. „Durch die Macht der sozialen Medien haben die Menschen heutzutage die Möglichkeit, Unternehmen zu kritisieren“, sagt er. „Verantwortungsbewusste Unternehmen werden belohnt und verantwortungslose bestraft. Von den gestürzten Diktatoren des Arabischen Frühlings bis zu News International, von Banker-Boni bis zur Steuerflucht – wer sich falsch verhält, bekommt die Konsequenzen zu spüren.“
Die soziale Verantwortung von Unternehmen weckt auch zunehmend das Interesse der internationalen Politik. John Morrison, Leiter des Institute for Human Rights and Business, stellt in einem 2012 in der britischen Tageszeitung The Guardian veröffentlichten Artikel fest, es sei ein eindeutiger Trend zu beobachten, der über das „traditionelle“ CSR-Konzept (CSR = Corporate Social Responsibility) hinausgeht. Der Beschluss des UN-Menschenrechtsrats von 2011, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte anzunehmen, habe ein klares Signal gesetzt.
„Viele Länder haben inzwischen festgeschrieben, dass alle Wirtschaftsakteure für ihre Umweltauswirkungen sowie für eventuelle Menschenrechtsverletzungen, die sie verursachen könnten, direkt verantwortlich sind. Gleichzeitig versichern sie, dass entsprechende Mittel zur Verfügung stehen, um Fehltritte zu ahnden“, schrieb Morrison.
„Die OECD [Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung], die Europäische Union, ISO (International Standards Organisation) und andere haben bereits mit den UN-Leitprinzipien gleichgezogen. Das übliche CSR-Konzept muss wohl jetzt überdacht werden.“
Ein Schlüsselbegriff, an dem sich alle Unternehmen orientieren sollten, ist „Transparenz“. Aber kann man auch zu transparent sein? Jones meint dazu: „Einen wichtigen Grundsatz sollte man nie vergessen: ‚Was man nicht auf der Titelseite der Tageszeitung abgedruckt sehen will, soll man nicht twittern‘. Achtlose Scherze oder Bemerkungen können einen leicht in Schwierigkeiten bringen, wenn man sich nicht darüber im Klaren ist, wie soziale Medien funktionieren.“
Nun stellt sich die Frage: Wie verhält es sich mit der Standardbehauptung, die Daseinsberechtigung von Unternehmen sei die Erzielung von Gewinnen? Jones verweist in seinem Buch auf den amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman, der in den 1970er Jahren feststellte, die einzige Aufgabe eines Unternehmens bestehe darin, für die Aktionäre so viel Gewinn wie möglich zu erwirtschaften. Jones hält diese These für überholt. Verbraucher, die von Unternehmen erwarten, dass sie sich ethisch korrekt verhalten, haben jedoch nichts gegen die Erzielung von Gewinnen, betont Jones. „Es soll nur auf die richtige Weise erfolgen.“
Ein Phänomen ist dabei laut Jones eine neue Art von Partnerschaft zwischen zwei Parteien, die früher auf unterschiedlichen Seiten standen – Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftsakteure. „Wir sehen jetzt eine Entwicklung, bei der Unternehmen allmählich einsehen, wie wichtig soziales Engagement für das Gemeinwohl ist, und Nichtregierungsorganisationen ihrerseits mit Wirtschaftsakteuren zusammenarbeiten und darauf vertrauen, dass sie positive Veränderungen bewirken“, erklärt er.
Und welche Entwicklung wird dann folgen? Jones glaubt an einen Reifeprozess der Wirtschaft: „Ich freue mich auf eine Zeit, in der diejenigen, die den meisten Menschen helfen oder die sich am stärksten für das Gemeinwohl engagieren, auch die erfolgreichsten sind, und in der die Unternehmen, die sich am intensivsten für die Umwelt einsetzen, auch die höchsten Gewinne erzielen. Wir können eine solche Welt schaffen; davon bin ich überzeugt.“